Häufige Zugausfälle aufgrund von technischen Defekten. Zu geringe Kapazitäten, um in den Stoßzeiten Pendler und Schüler ordentlich transportieren zu können. Versprochene Verbesserungen, die es dann aber doch nicht gab. Die Liste an Problemen auf der Hochrheinstrecke ist lang. Doch die Deutsche Bahn scheint keinen allzugroßen Druck zu verspüren, und das obwohl es Beschwerden seitens der Bahnkunden hagelt und inzwischen auch die CDU-Abgeordneten aus der Region, Felix Schreiner (Bundestag) und Sabine Hartmann-Müller (Landtag), reklamieren.
Auch Presseanfragen des SÜDKURIER wurden erst auf mehrfaches Nachbohren beantwortet. Die aller meisten Fragen wurden von der Öffentlichkeitsabteilung des Unternehmens ignoriert. Auch die Gelegenheit zu einer Stellungnahme auf die SÜDKURIER-Berichterstattung über einen Mitarbeiter, der Ursachen vieler Probleme und die Konsequenzen für die Belegschaft darlegte, nutzte der Konzern nicht.
Diese Fragen wollte die Bahn nicht beantworten
Gerade angesichts der schlechten Bilanz der Interregio-Express-Triebwagen vom Typ VT612 wollten wir wissen, ob der Problemtriebwagen auch noch auf anderen Strecken als dem Hochrhein eingesetzt wird.
Nicht beantwortet wurde auch die Frage, was die Störanfälligkeit der Triebwagen für die Bahnkunden bedeutet. Besteht ein Sicherheitsrisiko?
Von Seiten der Bahnnutzer erreichen uns immer wieder Berichte über verheerende logistische Probleme. Vorwiegend wird dabei immer angeführt, dass die eingesetzten Züge – insbesondere zu den Stoßzeiten morgens und abends – bei weitem nicht alle Menschen aufnehmen können, die mitfahren möchten. Immer wieder bleiben demnach Fahrgäste am Bahnsteig stehen, weil sie schlicht keinen Platz mehr haben. Warum stellen Sie nicht genügend Kapazitäten ein? In welchen Abständen wird überprüft, ob die bereit gestellten Kapazitäten ausreichen?
Beim Schienengipfel in Waldshut-Tiengen im August wurden seitens der Bahn drastische Verbesserungen für die Hochrhein-Strecke angekündigt,u.a.zusätzliche Fahrzeuge. Das Ganze sollte bis 10. September umgesetzt sein. Nach unseren Informationen ist bislang nichts passiert. Unsere Frage an die Bahn lautete folglich: Woran liegt das?
Das Jahr 2025 wird immer wieder als Ziel genannt, bis zu dem die Elektrifizierung der Hochrheinstrecke abgeschlossen sein soll. Wie realistisch dieses Ziel aus Sicht der Deutschen Bahn ist und welche Stellen für die Umsetzung verantwortlich sind – auch hierzu gab es keine Antwort.
Gleiches gilt für die letzten Fragen: Wie sieht das weitere Vorgehen der Bahn bis zur Elektrifizierung der Hochrheinstrecke aus? Wird tatsächlich noch etwas verbessert, oder sollten Bahnkunden sich daran gewöhnen, mit der aktuellen Misere zu leben?
Nur zu zwei Themen gibt es Auskunft
Im Gespräch mit dem SÜDKURIER nannte der Lokführer, der auch am Hochrhein unterwegs ist, zwei Problemfelder, die er als wichtig für die gegenwärtige Situation in der Region einschätzt.
Einerseits geht es dabei um den Einsatz von Technik, die selbst von Vertretern des Bahn-Managements als störanfällig und problematisch beurteilt wird. Hier gelten die Triebwagen vom Typ VT612 als Musterbeispiel.
Darüber hinaus hat der rigide Sparkurs bei der Bahn, der im Zuge der Privatisierung zu erheblichen langfristigen Problemen geführt habe. So seien etwa am Hochrhein einige wichtige Nadelöhre wie zwischen Waldshut und Erzingen immer noch eingleisig und Weichen wurden ausgebaut. Zugleich erweise sich die Aufteilung verschiedener Konzernsparten in eigenständige Unternehmen häufig als unpraktikabel.
So kam der VT612 auf die Hochrhein-Schiene
Die Triebwagen vom Typ VT612 sind seit Mai am Hochrhein im Einsatz. Seitdem häufen sich Beschwerden von Bahnkunden. Etliche machten ihrem Unmut auch im Gespräch mit unserer Zeitung Luft. Grund ist die hohe Störanfälligkeit der Fahrzeuge, die auch von der Deutschen Bahn nicht bestritten wird.
Dass die Triebwagen überhaupt am Hochrhein zum Einsatz kommen, das ist im Verkehrsvertrag Netz 5 (Donau-Ostalb) zwischen der Deutschen Bahn und dem Land Baden-Württemberg festgelegt. Den Vertragsbestimmungen zufolge "waren 41 Fahrzeuge der Baureihe VT 612 entsprechend der Anforderungen aus den Verdingungsunterlagen umzubauen", erklärt ein Bahnsprecher.

Lange Stillstandzeiten führen zu "erheblichen Schäden"
Doch obwohl der Verkehrsvertrag bereits im Januar 2017 unterzeichnet wurde, dauerte es noch knapp anderthalb Jahre, bis die Triebwagen tatsächlich zum Einsatz kamen. Als Grund nennt der Bahnsprecher, dass vertragsgemäß eine sogenannte "Überkompensationskontrolle" durchgeführt worden sei, im Klartext: Die Kalkulation des Bieters, der DB ZugBus Regionalverkehr Alb-Bodensee GmbH (RAB), wurde von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer untersucht.
Erst als dieser die Kalkulation für richtig befunden hatte, ging es an den Umbau der Fahrzeuge. "Durch diese Verzögerungen sowie durch sich zwischenzeitlich veränderte Anforderungen an den Umbau der Fahrzeuge kam es zu einem längeren Stillstand der VT 612, so der Bahnsprecher weiter.
Dieser Stillstand habe bei den Fahrzeugen "zum Teil erhebliche Schäden verursacht". Die Folge: "Diese Schäden führten im laufenden Betrieb zu einem Anstieg der außerplanmäßigen Werkstattzuführungen", schildert der Bahnsprecher.

Die Triebwagen VT612 sind problematisch, aber besser als der Vorgänger
"Wir halten den VT 612 nach wie vor für das stabilere und bessere Fahrzeug im Vergleich zum VT 611", kommentiert der Bahnsprecher Kritik an der Störanfälligkeit des Fahrzeugs, die selbst von Management-Vertretern des Unternehmens als Problem gesehen wird.
Gemäß aktueller Planung soll die Hochrhein-Strecke bis 2025 elektrifiziert sein. Dann wird der Strecken-Betrieb neu ausgeschrieben, wodurch andere Eisenbahn-Unternehmen die Chance erhalten, die Strecke zu übernehmen.
Aus Sicht des Konzerns spreche nichts dagegen, dass die VT612-Triebwagen bis zum Ende der Laufzeit des Verkehrsvertrages im Dezember 2026 "zuverlässig eingesetzt werden", so der Bahnsprecher. "Ein Einsatz darüber hinaus ist in jedem Fall denkbar." Derzeit werden demnach in der Werkstatt in Ulm an den Fahrzeugen Nacharbeiten des Umbaus vorgenommen. Für die Maßnahme haben wir zusätzliche Mitarbeiter eingesetzt.

"Konzernstruktur hat sich trotz allem bewährt"
Im Zuge der Bahnreform 1994 wurde die Deutsche Bahn AG mit ihren verschiedenen Geschäftsfeldern gegründet. "Das Modell hat sich bewährt, da diese Gesellschaften unter einem Dach arbeiten", erklärt eine Bahnsprecherin.
Eine enge Koordination der Gesellschaften durch die Konzern sei gewährleistet. Die Probleme nach der Zerschlagung von Bahnunterunternehmen in anderen Ländern zeigen, dass das deutsche Modell einer integrierten Bahn für Kunden und auch für den Eigentümer das bessere sei.
So gebe es etwa im Falle von Großstörungen einen "kurzen Draht" zwischen den einzelnen Bahn-Unternehmen, wodurch Probleme effektiv aus der Welt geschafft werden könnten.
Die Bahnsprecherin räumt allerdings ein: "Klar ist aber auch, dass die Zusammenarbeit und die Abläufe – wie wohl in allen großen Unternehmen – nicht immer reibungslos sind." Die Bahn versuche, hier besser zu werden.