Kai Oldenbueg

Frau Schwarzelühr-Sutter, herzlichen Glückwunsch zum alten und neuen Amt. Wann haben Sie erfahren, dass Sie auch der neuen Bundesregierung als Parlamentarische Staatssekretärin angehören?

Es war so richtig spannend auf den letzten Metern. Denn so richtig glaubt man es erst, wenn man die Urkunde in der Hand hat. Aber als am Sonntagabend die ersten Glückwünsche auf dem Telefon eintrudelten, habe ich es richtig realisiert. Die Urkunde habe ich am Mittwoch bekommen.

Die Bundesminister erhalten ihre Ernennungsurkunden direkt aus der Hand des Bundespräsidenten. Sie auch?

Parlamentarische Staatssekretäre bekommen die Ernennungsurkunden vom jeweiligen Minister. Da ich bereits vier Jahre als Staatssekretärin im Amt war, habe ich zunächst die Entlassungsurkunde von der bisherigen Ministerin Barbara Hendricks bekommen. Und noch am selben Tag die Ernennungsurkunde aus den Händen ihrer Nachfolgerin Svenja Schulze – unterschrieben von der Bundeskanzlerin und dem Bundespräsidenten.

Können Sie das Gefühl beschreiben, wie es ist, wenn man die Urkunde in Händen hält.

Meine Freude war riesengroß – auch, weil ich im Ministerium weiterarbeiten kann. Denn die Themen des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sind eine Herzensangelegenheit für mich. Klimaschutz, Atomenergie und die Suche nach einem geeigneten Endlager für Atommüll sind insbesondere in meinem Wahlkreis besondere Herausforderungen. Ich freue mich auch, mein Wissen und meine Erfahrung aus unserer ländlichen Region mit einer wunderbaren Natur mit einzubringen.

Wie sieht die Arbeit einer Parlamentarischen Staatssekretärin aus? Was machen Sie eigentlich?

Es gibt Pflicht und Kür. Eine besondere Aufgabe ist der Vorsitz des Kuratoriums der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, die größte Umweltstiftung Europas mit Sitz in Osnabrück. Außerdem bin ich durch mein Amt im Ministerium Aufsichtsratsvorsitzende der Gesellschaft für Anlagen und Reaktorsicherheit. Die Gesellschaft berät als Gutachter Bund und Länder. Neben diesen beiden herausragenden Aufgaben ist jeder Tag insbesondere in Sitzungswochen durch das Ministerium getaktet. Gemeinsam mit meinem Kollegen vertrete ich die Ministerin zum Beispiel bei Konferenzen, Tagungen, bilateralen Gesprächen und mit Botschaftern – sowohl national als auch international. Ebenso stellt eine parlamentarische Staatssekretärin den Kontakt zwischen Parlament und Ministerium her.

Können Sie das bitte etwas genauer erklären?

Ich vertrete das Ministerium im Umweltausschuss, in den Arbeitsgruppen und Berichterstatter-Gesprächen des Parlaments. Wir stehen den Abgeordneten im Rahmen der Fragestunden im Plenum Rede und Antwort. Dann sprechen wir für die Bundesregierung. Und wir teilen uns den Dienst auf der Regierungsbank. Dann, wenn die Ministerin verhindert ist, nehmen die Parlamentarischen Staatsekretäre an den Sitzungen des Kabinetts im Kanzleramt Teil.

Mit Prinz Charles traf die Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter bei einer Konferenz in London zusammen. Bild: ...
Mit Prinz Charles traf die Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter bei einer Konferenz in London zusammen. Bild: International Sustainability Unit | Bild: International Sustainability Unit

Mussten Sie in der vergangenen Legislaturperiode Ministerin Hendricks schon einmal am Kabinettstisch im Bundeskanzleramt vertreten?

Ja, das kam mehrmals vor. Das erste Mal mit Kanzlerin und Ministern im Kanzleramt am Kabinettstisch zu sitzen, war natürlich besonders.

Können Sie sich noch an diese Sitzung und die Begegnung mit der Kanzlerin erinnern?

Ja natürlich. Da ist man schon ganz schön ehrfürchtig und beobachtet erst einmal, wie das abläuft. Das hat einen genauen Ablauf und ist natürlich vorbereitet und vorabgestimmt. Und dann kam auf einmal völlig überraschend eine Frage zum politisch schwierigen Thema Emissionshandel. Aber auch das ging gut. (und lacht)

Gab es sonst noch ein besonderes Erlebnis?

Ich erinnere mich an die Regierungskonsultationen des Bundeskabinetts mit der chinesischen Regierung. Bei dem Treffen in Peking habe ich die Ministerin vertreten. Das war schon ein Erlebnis in der Großen Halle des Volkes an einer gemeinsamen Kabinettssitzung teilzunehmen. Das wird mir ganz bestimmt in besonderer Erinnerung bleiben.

Peking ist ein gutes Stichwort. Ihre Arbeit als Staatssekretärin im Bundesumweltministerium ist, der SÜDKURIER hatte immer wieder berichtet, auch mit einer regen Flugtätigkeit verbunden. Können Sie die Vielfliegerei nicht nur mit Ihrem Gewissen, aber auch mit ihrer Arbeit verbinden?

Das ist natürlich ein Thema, das ich auch immer wieder intensiv mit meiner Familie diskutieren muss. Aber ich kann Ihnen versichern, dass die Dienstreisen von Regierungsmitgliedern kompensiert werden. Das heißt, für die Mengen an Treibhausgasen, die wir pro Flugkilometer in der Atmosphäre hinterlassen, zahlen wir eine freiwillige Abgabe. Diese investieren wir in wirksame Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern, um die ausgestoßenen Treibhausgase, vor allem CO2, an anderer Stelle wieder zu kompensieren. Das können zum Beispiel Wiederaufforstungsprojekte oder Investitionen in die lokale Energieversorgung mit Sonnen- und Windkraft sein.

Sie sind gewählte Abgeordnete mit großem Wahlkreis und Staatssekretärin. Macht die Doppelbelastung noch Spaß?

Ohne Wenn und Aber ja. Ich bin froh und glücklich über beide Ämter. Ich empfinde es als besonderes Privileg, die Politik an entscheidender Stelle direkt und aktiv mitgestalten zu können. Allerdings räume ich ein, dass dies zu Lasten von Privat- und Familienleben geht. Der Terminkalender des Ministeriums bestimmt alles andere.

Das heißt, das Ministerium geht stets vor?

Ja. Dort habe ich eine Chefin, deren Anweisungen ich Folge leisten und ihre Termine übernehmen muss, wenn sie verhindert ist. Das bedeutet leider auch, dass man den einen oder anderen Termin im Wahlkreis nicht wahrnehmen kann, auch wenn ich es liebend gerne täte. Diesen Spagat muss ich dann aushalten.

Ist es Ihnen das wirklich wert?

Ich arbeite gerne und voller Leidenschaft daran, das Leben für die Menschen etwas besser zu machen. Es ist ein Knochenjob, der einem zugleich Kraft und Energie gibt. Und dann habe ich auch das Ziel die Politik meiner Partei zu vermitteln. Wir haben einen anspruchsvollen Koalitionsvertrag, den es umzusetzen gilt. Wir müssen zügig und kraftvoll an die Arbeit gehen. In der vergangenen Legislaturperiode haben wir als SPD übrigens 80 Prozent unserer Positionen im Koalitionsvertrag zum Wohle der Bürger und Bürgerinnen umgesetzt.

Rita Schwarzelühr-Sutter mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Bild: Privat
Rita Schwarzelühr-Sutter mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Bild: Privat

Wie profitiert aus Ihrer Sicht Landkreis und Wahlkreis von ihrem Amt als Parlamentarische Staatssekretärin.

Insbesondere kann ich Informationen aus dem Wahlkreis nach Berlin transportieren. Ich kann den Sorgen und Nöten der Bürger und den drängenden Aufgaben und Anliegen meiner Heimat Gehör verschaffen. Ich nenne hier die Schweizer Suche nach einem Endlager für Atommüll, das Biosphärengebiet Südschwarzwald und den Naturpark. Und: Beznau rückt so natürlich viel näher an die Verantwortlichen in Berlin, als ohne mein Zutun. Kurzum, ich kann das Bewusstsein für meine Heimatregion schärfen. Der Schweiz können wir in politischen und diplomatischen Gesprächen vermitteln, welche Ziele wir haben und was wir von den Eidgenossen erwarten – unter anderem in Sachen Atompolitik.

Bitte noch etwas konkreter. Wie profitiert die Region davon, dass ihre Abgeordnete zugleich auch Mitglied der Bundesregierung ist? Und, ist die große Koalition gut oder eher schlecht für die Region?

Ich setze mich auch in Berlin für die Anliegen des Wahlkreises ein. In den letzten vier Jahren wurden vom Bundesumwelt- und -bauministerium zum Beispiel fast eine Million EUR Fördermittel im Klimaschutzbereich für den Wahlkreis Waldshut bewilligt – unter anderem für die Ausarbeitung von kommunalen Klimaschutzkonzepten-, sowie fast 13 Millionen EUR aus der Städtebauförderung. Mit Mitteln des ehemaligen BMUB konnte so die Modernisierung des Hallenbades in Sankt Peter oder die Sanierung des Augustinermuseums in Freiburg unterstützt werden. Klar ist, wenn wir als Abgeordnete in einer Koalition an einem Strang ziehen, können wir Verbesserungen für die Region erreichen. Und das ist wichtig. Denn wir müssen den Hochrhein und den Südschwarzwald zukunftsfähig und attraktiv machen. Wir sind mehr denn je gefordert, dass wir etwas bewegen und unsere Heimat voranbringen.

Skizzieren Sie bitte die nächsten großen Aufgaben von Ihnen beziehungsweise Ihres Ministeriums.

Zunächst einmal geht jetzt der Parlamentsbetrieb richtig los. Über allem steht natürlich, dass wir das im Koalitionsvertrag Vereinbarte auch umsetzen und unsere Vorhaben glaubwürdig verrichten. Nur so holen wir verlorenes Vertrauen zurück. Wichtige Themen im Ministerium sind das Insektensterben und der Verlust an Artenvielfalt. Dann müssen wir die Luftqualität in den Städten verbessern und endlich das Thema Diesel vernünftig regeln. Außerdem gilt es das geplante Klimaschutzgesetz auf den Weg zu bringen und den erforderlichen Strukturwandel sozialverträglich zu gestalten. Und mit vielen kleinen Dingen können wir dazu beitragen, dass jeder vor Ort mitmachen kann, unsere Natur, die Schöpfung zu erhalten, so dass wir und unsere Kinder auch in Zukunft daran Freude haben können.

Was waren die Höhepunkte als Staatssekretärin in den vergangenen vier Jahren?

Ganz sicher meine persönliche Mitarbeit beim Zustandekommen des Pariser Klimaschutzabkommens und der Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen (UN) in New York. Und natürlich für mich als Christin ganz persönlich, mein Besuch bei Papst Franziskus in Rom. Er hat mit seiner Enzyklika dazu beigetragen, dass die beiden oben genannten Abkommen zustande gekommen sind. Seine Rede bei der UN bei der Unterzeichnung der Nachhaltigkeitsagenda war sehr beeindruckend für alle.

Wie hat es Ihre Familie aufgenommen, dass Sie noch einmal Regierungsverantwortung übernommen haben?

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Denn uns allen war und ist klar, dass die Kombination aus Abgeordnetentätigkeit und dem Amt einer Staatssekretärin ein Knochenjob ist. Meine Familie weiß aber auch, dass ich Freude an meiner Aufgabe habe. Und das heißt, unterm Strich: Sie sind mit mir zusammen ganz glücklich.

Werden Sie in Ihrem Wahlkreis als Staatssekretärin anders wahrgenommen, als einfache Abgeordnete?

Für ganz viele Menschen bin ich weiterhin ihre Ansprechpartnerin und ihre Anlaufstelle. Ich bin mir sicher, dass ich nie die Bodenhaftung verloren habe.

Öffnen sich die Türen leichter?

Grundsätzlich ja. Ich spüre schon eine Wertschätzung meiner Arbeit. Das gibt mir Kraft und Energie.

 

Zur Person

Rita Schwarzelühr-Sutter (55), Diplom-Betriebswirtin, ist seit 2005 – mit einer einjährigen Unterbrechung – Mitglied des Bundestags. Ende 2013 wurde sie Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Seit 2001 ist sie SDP-Kreisvorsitzende und seit 2004 Mitglied des Kreistages. Ihre politischen Wurzeln liegen in der Anti-Atomkraftbewegung. Sie ist verheiratet und Mutter von zwei erwachsenen Kindern.