Die seit Jahrzehnten geplante Autobahn 98 soll durch eine dreispurige Bundesstraße am Hochrhein ersetzen werden. Während Naturschützer diesen Vorstoß von Landesverkehrsminister Winfried Hermann begrüßen, hagelt es bei Politikern aus der Region Kritik und Unverständnis.
Wir haben mit den Bürgermeistern von Albbruck und Dogern sowie mit dem Waldshut-Tiengener Oberbürgermeister darüber gesprochen, wie Sie die aktuelle Autobahn-Entwicklung sehen und was diese konkret für ihre Kommunen bedeutet.
Stefan Kaiser, Albbruck: „Die Region wird abgehängt“
Stefan Kaiser, Bürgermeister der Gemeinde Albbruck, glaubt an die Fortsetzung der A 98. „Die mir zuletzt bekannten Zahlen und Verkehrsgutachten sprechen eine eindeutige Sprache“, erklärt er gegenüber dieser Zeitung und fügt hinzu: „Nur mit Radwegen, wie sie der Minister gerne hätte, wird unsere Region nicht in die Zukunft geführt werden.“
Kaiser weiter: „Dass der Verkehrsminister keine neuen Straßen bauen will, ist ja allgemein bekannt. Allerdings gehen Wunsch und Wirklichkeit manchmal auseinander.“ Für die Region sei eine leistungsstarke Ost-West-Verbindung dringend notwendig, betont der Bürgermeister.
Sollte die Autobahn 98 nicht gebaut werden, habe dies zwar konkret für die Gemeinde Albbruck keine direkten Nachteile. Denn, so Stefan Kaiser: „Albbruck hat seit den 1930er-Jahren eine Ortsumfahrung und damit im Vergleich zu den Städten Bad Säckingen und Waldshut-Tiengen kein großes Verkehrsproblem.“
Nichtsdestotrotz braucht es dem Rathauschef zufolge die Autobahn: „Die ganze Region wird meiner Meinung nach noch mehr abgehängt von der zukünftigen Entwicklung. Es ist nicht zu verkennen, dass wir in einer Zuzugsregion wohnen. Jeder, der täglich auf der Straße unterwegs ist, kann das feststellen“, erklärt Kaiser.
Das Schreiben von Winfried Hermann an die Bürgermeister von Bad Säckingen, Schwörstadt und Wehr sowie an die Landräte von Waldshut und Lörrach kommentiert Stefan Kaiser folgendermaßen: „Der Minister wollte meiner Meinung nach ein Versuchsballon starten.“
Die Reaktionen habe der Minister teilweise schon bekommen. „In meiner Funktion als Bürgermeister werde ich in den Gremien, in denen ich vertreten bin, weiterhin für die A 98 einstehen“, stellt Kaiser klar. Er ergänzt: „Ich gehe davon aus, dass die Deges wie bislang kommuniziert Ende dieses Jahres eine Linienführung für unseren Abschnitt vorschlagen wird. Dann sieht man weiter.“
Fabian Prause, Dogern: „Unnötiges Störfeuer“
„Selbstverständlich glaube ich noch an die A 98 am Hochrhein“, betont Fabian Prause auf Nachfrage. Denn im Bundesverkehrswegeplan 2030 sei die A 98 im vordringlichen Bedarf aufgeführt und daran habe auch die Aussage des Ministers Herrmann erst einmal nichts geändert, fügt der Bürgermeister der Gemeinde Dogern erklärend hinzu.
„Die Region braucht eine Lösung“, findet Prause. „Warum der Minister jetzt dieses unnötige Störfeuer entzündet, kann ich nicht verstehen“, ergänzt er. Die Region befinde sich seit mehr als zwei Jahren in einem Beteiligungsverfahren mit der Deges, zahlreichen Verbänden, Initiativen und engagierten Bürgerinnen und Bürgern. „Hier wird gute und transparente Arbeit geleistet, die der Minister mit seinen Aussagen nun auf einen Schlag zunichte macht“, so die Meinung des Bürgermeisters.
Fabian Prause beschreibt die Position der Region als eindeutig. „Die Ziele wurde im Rahmen der Waldshuter Plattform gemeinsam formuliert und in den Gemeinderäten der betroffenen Gemeinden und dem Kreisrat beraten und beschlossen“, teilt er mit. Hierfür werde er sich mich weiterhin einsetzen. „Es braucht eine leistungsfähige Ost-West-Verbindung am Hochrhein. Das hat auch das Verkehrsgutachten nochmals deutlich aufgezeigt“, erklärt Prause abschließend.
Philipp Frank, Waldshut-Tiengen: „Nicht nachvollziehbar“
Auch der Waldshut-Tiengener Oberbürgermeister Philipp Frank glaubt nach wie vor an die A 98. „Weil sie im Bundesverkehrswegeplan schon ganz weit oben steht – nämlich im vordringlichen Bedarf –, weil sie ein sehr wichtiges und vernünftiges Projekt ist und weil wir uns damit in den letzten Jahren auf einen sehr guten Weg begeben haben“, lautet seine Begründung. Die Region brauche eine leistungsfähige Ost-West-Verbindung und will die A 98. „Das spüre ich hier in der Großen Kreisstadt jeden Tag“, berichtet Frank.
Die Einlassung des baden-württembergische Verkehrsministers „sind für mich ein unnötiges Störfeuer zu einem völlig unnötigen Zeitpunkt“, erklärt der Oberbürgermeister. Die Region habe es in den vergangenen Jahren geschafft, den Stillstand bei der A 98 aufzubrechen und durch die professionelle Arbeit der Deges und die rege Bürgerbeteiligung viel Vertrauen und Hoffnung aufzubauen. „Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie man das jetzt alles wieder aufs Spiel setzt“, äußert sich Philipp Frank.
Doch wie soll es jetzt weitergehen? „Was im Moment sicher nicht helfen würde, wären überstürzte und unkoordinierte kommunalpolitische Einzelgänge. Darum setze ich auch in dieser Frage weiter auf die Geschlossenheit der Region und stehe in engem Austausch mit dem Landrat und beteiligten Bürgermeisterkollegen“, erklärt Frank abschließend.
Entwicklungen bei der Hochrheinautobahn A98
- 13. Oktober 2021: Rückenwind für Vorzugstrasse der Autobahn kommt aus dem Waldshuter Kreistag. Doch es herrscht Uneinigkeit über die Verkehrsprognose.
- 30. September 2021: Die Gemeinderäte aus Bad Säckingen, Wehr und Murg begrüßen A98-Vorzugstrasse, aber nicht in allen Fragen herrscht Einigkeit.
- 14. Juli 2021: Die Deges hat die neue Vorzugsvariante für den Autobahnabschnitt 6 zwischen Schwörstadt und Murg präsentiert. Außerdem liefert ein neues Verkehrsgutachten die Grundlage für die weitere Planung. Hier die Hintergründe.
- Juli 2021: Entscheidung in der Tunnelfrage im Abschnitt 5.
- Juli 2021: Äußerungen des Verkehrsministers: Erneut Wirbel um A98.
- Juni 2021: Spektakuläre Luftaufnahmen: Rundflug über die neue Autobahn bei Rheinfelden.
- Mai 2021: Wie kommen die Planungen der A98 voran? Wo stockt es? In diesem Artikel können Sie den aktuellen Stand jedes Abschnitts überblicken.
- März 2021: Diskussionen um den Tunnel im Abschnitt 5 (Karsau-Minseln) Ausführlichere Informationen zu den Hintergründen finden Sie hier.
- März 2021: Ist ein Basistunnel bei Waldshut denkbar? Lesen Sie hier mehr dazu.
- Februar 2021: Der BUND fordert einen Baustopp bei der A98.
- Dezember 2020/Januar 2021: Die neue Autobahngesellschaft übernimmt Zuständigkeiten des Regierungspräsidiums Freiburg.
- August 2020: Wie hat sich Corona auf die Hochrheinautobahn ausgewirkt? Das können Sie hier nachlesen.