Ab Mittwoch nach Ostern soll auch in Hausarztpraxen gegen Corona geimpft werden. Dabei wird laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung zunächst ausschließlich Impfstoff von Biontech-Pfizer zur Verwendung kommen. Dessen Einsatz in Arztpraxen hatte das Land Baden-Württemberg ab 8. März drei Wochen lang in einem Pilotprojekt geprüft. Im Landkreis Waldshut war die Gemeinschaftspraxis des Hausarztes und Landkreis-Pandemiebeauftragten Olaf Boettcher an dem Versuch beteiligt.
„Wir sollten die Frage klären: Geht das überhaupt problemlos, Biontech in den Praxen zu verimpfen? Wie funktioniert das mit der Logistik? Wie mit der Lagerung?“, schildert Boettcher im Gespräch mit dem SÜDKURIER die Ausgangslage. Die dezentrale Handhabung des von Biontech-Pfizer entwickelten mRNA-Vakzins hatte lange als schwierig gegolten. Denn zunächst war davon ausgegangen worden, dass der Impfstoff Temperaturen von minus 90 bis minus 60 Grad Celsius benötige, um seine Wirksamkeit zu bewahren. Doch inzwischen ist erwiesen, dass die Ampullen ungeöffnet auch bis zu fünf Tage bei plus 2 bis plus 8 Grad im Kühlschrank oder zwei Stunden lang bei Raumtemperaturen gelagert werden können.

Boettchers Praxis bekam drei Wochen lang jeweils neun Ampullen des Biontech-Pfizer-Impfstoffs angeliefert. „Wir haben sie in unserem handelsüblichen AEG-Kühlschrank gelagert“, berichtet der Hausarzt. Aus jeder Ampulle ließen sich sechs Impfdosen ziehen. Über den gesamten Zeitraum des Pilotprojekts mache dies 162 Dosen, die die insgesamt sechs Ärzte seiner Gemeinschaftspraxis an impfberechtigte Personen verabreichten. „Wir haben Pflegedienste gebeten, uns mögliche Impfkandidaten zu benennen“, so Boettcher. Die Hälfte der Impfungen sei an den beiden Praxisstandorten Laufenburg und Rickenbach vorgenommen worden. Die andere Hälfte bei Impflingen zuhause. Für den Transport des Impfstoffs zu den Wohnort-Impfungen seien handelsübliche Gefrierboxen angeschafft worden.
Bei keiner der 162 Impfungen sei es zu irgendwelchen Problemen gekommen, berichtet Boettcher. Allerdings seien im Vergleich etwa zu einer Grippe- oder FSME-Impfung einige Besonderheiten zu berücksichtigen. So müsse das Vakzin vorsichtig und langsam durchmischt werden. „Dafür ist eine besondere Schulung notwendig“, sagt Boettcher. Aus der Ampulle wird der Impfstoff in 0,3-Milliter-Dosen auf Diabetikerspritzen aufgesetzt. Weil diese sehr enge Kanülen haben, kann der Impfstoff damit besonders gut dosiert werden.
Vorteile des Kreisimpfzentrums
Bereits am 2. Januar nahm Boettcher seine ersten Corona-Impfungen vor, damals in drei Altenpflegeeinrichtungen in Bad Säckingen und Herrischried. Seitdem hat er die Impfungen im Kreisimpfzentrum Tiengen begleitet und auch die von ihm als Pilotversuch initiierten Impfungen im Rahmen mehrerer lokaler Impfaktionen des Landkreises. Aus eigener Anschauung kann er also sehr gut die jeweiligen Vor- und Nachteile beurteilen. „Am besten, schnellsten und effektivsten funktioniert das Kreisimpfzentrum. Das ist aber auch die teuerste Lösung“, sagt der Pandemiebeauftragte.
Impfungen in Arztpraxen und vor allem in Patientenwohnungen seien zeitlich sehr viel aufwendiger. Vor allem die Information des potentiellen Impflings, das Einholen der Einwilligung zu Impfung, die Dokumentation und die Nachbeobachtung könne im Impfzentrum arbeitsteilig und damit sehr viel schneller erfolgen. Für eine Impfung müsse mit etwa 15 Minuten gerechnet werden. Bei dezentralen Impfungen sei für jeden Impfvorgang sehr viel mehr Zeit an Vor- und Nachbereitung nötig.
Leider seien die Vorteile der Impfzentren bisher nicht zum Tragen gekommen, denn es sei immer noch viel zu wenig Serum verfügbar, sagt Boettcher. Im Kreisimpfzentrum Tiengen etwa könnten täglich potentiell 1000 Personen immunisiert werden, binnen einer Woche also 6000 bis 7000 Menschen. Tatsächlich seien wegen des Mangels an Impfstoff bisher maximal 400 Menschen pro Tag geimpft worden und das nur an einzelnen Tagen der Woche. Seit 2. Januar erhielten im Landkreis Waldshut bis zum 25. März – also innerhalb fast eines Vierteljahrs – erst 14.743 Personen die erste und 3882 auch die zweite Schutzimpfung. Ginge es in diesem Tempo weiter, würde es zweieinhalb Jahre dauern, bis alle 170.000 Menschen im Landkreis wenigstens die erste Schutzimpfung erhalten hätten und noch viermal so lange, bis alle den Schutz der zweiten Impfung genießen könnten.

Boettcher hofft, dass im April endlich genügend Impfstoff eintrifft, um die Impfkampagne wirklich ins Laufen zu bringen. Im Moment könne die Maschine nicht auf Touren kommen, weil viel zu oft der Treibstoff fehle. Nach Einschätzung des Pandemiebeauftragten werden die allermeisten Hausarztpraxen in der Region Corona-Impfungen vornehmen. Am gesamten Hochrhein gebe es genau einen einzigen Arzt, von dem erwartet werde, dass er sich dem grundsätzlich verweigern werde.
Überhaupt nicht glücklich ist Boettcher über die Vorbehalte vieler Menschen gegen den Impfstoff von Astrazeneca. „Wir führen inmitten einer Pandemie eine Diskussion um einen wissenschaftlich nicht belegten möglichen Zusammenhang zwischen einer Impfung einer extrem seltenen Sinus- und Venenthrombose“, kommentiert er den mittlerweile von der EU wieder aufgehobenen Bann über Astrazeneca. Auf die Frage nach dem von ihm bevorzugten Impfstoff antwortet er: „Das ist eigentlich völlig egal. Hauptsache, wir impfen!“