Das für Handel und Gewerbe bereits ohnehin harte Corona-Jahr biegt auf die Zielgerade ein. Aber auch das Weihnachtsgeschäft wird unter erschwerten Bedingungen stattfinden müssen. Die Frequenzbringer normaler Jahre, insbesondere Weihnachtsmärkte wird es nicht geben. Dass aufgrund des weiterhin laufenden Lockdowns auch Gaststätten geschlossen haben, erschwert die Lage erheblich, wie Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee darstellt.
„Massive Umsatzeinbrüche zu erwarten“
Der zwischenzeitlich nach der Wiederöffnung der Grenzen aufkeimende Optimismus des stationären Einzelhandels sei spätestens seit der Verlängerung des Teil-Lockdowns und der teilweise sogar massiv verschärften Regelungen verflogen. So lautet Marx‚ klare Einschätzung. Zum zweiten Mal in diesem Jahr rechnen viele mit massiven Umsatzeinbrüchen, zumal auch die Schweizer Kundschaft zunehmend ausbleibe: „Wir erhalten von vielen Einzelhändlern die Rückmeldung , dass es eng werden würde, sollte sich die aktuelle und ungewisse Lage über Weihnachten hinaus oder sogar über Monate ziehen.“
Fast die Hälfte aller Unternehmen stufe dieses Szenario als „existenzbedrohend“ ein, so das Ergebnis einer IHK-Umfrage. Das jetzt bedrohte Weihnachtsgeschäft macht etwa 20 Prozent des Jahresumsatzes aus. In einzelnen Branchen wie Spielwaren, Bücher, Uhren oder Schmuck liegt der Wert sogar noch deutlich höher.
Fehlen von Frequenzbringern und Gastronomie belasten Geschäfte
Die Innenstädte sind vielfach wie leergefegt, was im Sinne der Senkung von Infektionszahlen zwar genau das Richtige sei. „Die wirtschaftlichen Folgen allerdings sind fatal“, sagt Marx. Denn wegen der Schließung von Gastronomie und anderen Freizeiteinrichtungen, auch wegen der Absage von Weihnachtsmärkten fehle es an Frequenzbringern, die der Handel eigentlich dringend benötigen würde. Und den Kunden sei schlicht die Freude am Einkaufen ein Stück weit abhanden gekommen.
Eine Innenstadt als „lebendiges, komplexes System“, in dem viele Angebote, Einrichtungen und Branchen ineinandergriffen, gerate aktuell ins Wanken. „Wir merken das schon aktuell an der Schließung der Gastronomie, die weit über die betroffenen Unternehmen hinaus wirkt“, sagt Marx. Viele Zentren wirken wie eingeschlafen, ausgebremst, gelähmt.
Dabei leiden die Geschäfte, die geöffnet haben, doppelt: Denn anders als bei einer behördlichen Schließung gebe es keine Entschädigung für Umsatzausfälle und Personalkosten. „Was wir in dieser Situation unter allen Umständen vermeiden müssen, ist eine Insolvenzwelle nach der Infektionswelle“, fordert Claudius Marx. Denn nicht nur verlören dann zahlreiche Menschen ihre Beschäftigung und Gemeinden Steuereinnahmen, die Innenstädte würden auch veröden.
Umsätze teils bis zu 80 Prozent eingebrochen
Der Gesamtumsatz des Einzelhandels in den Landkreisen Konstanz, Lörrach und Waldshut lag im Jahr 2019 bei rund 4,5 Milliarden Euro. Davon entfiel etwa ein Drittel auf Schweizer Kunden. Noch gebe es keine Zahlen für das laufende Jahr, so Marx: „Doch wir wissen, dass der Umsatz im Einzelhandel vielerorts zwischen 50 und bis zu 80 Prozent eingebrochen ist.“
Gründe seien neben der Grenzschließung aber auch der Teil-Lockdown und die Einstufung der Schweiz als Risikogebiet. Der Einkaufstourismus sei teils komplett zum Erliegen gekommen. Vielen Firmen und Geschäften im Grenzgebiet fehle somit die Hälfte des Kundenkreises.
Auch die aktuelle Regelungsdichte und -komplexität wirken in gewisser Weise wie eine Grenzschließung, sagt Claudius Marx. Denn die Einstufung der Schweiz als Risikogebiet, die zahlreichen Ausnahme- und Sonderregelungen trügen eher dazu bei, dass Kunden nicht jenseits der Grenze einkauften, als dass sie für Sicherheit sorgten.
Prognosen bleiben extrem schwierig
Prognosen für die Zukunft seien schwierig, räumt Marx ein. Vieles dürfte vom Erfolg der Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung abhängen, aber auch davon, wie schnell ein Impfstoff in ausreichender Menge verfügbar sein wird.
Gefragt seien aktuell vor allem Kreativität und Solidarität – unter den Handelsunternehmen einer Innenstadt, aber auch zwischen den Unternehmen und ihren Kunden. „Wer seine Stadt liebt, wird auch in dieser Zeit seine Einkäufe dort erledigen – mit Abstand und Maske, wie es eben unumgänglich ist“, betont der IHK-Chef.
Die Händler reagieren sehr unterschiedlich auf die neue Situation. Sie versuchen mit Rabatten ihre Geschäfte anzutreiben. Allerdings setzen auch immer mehr Unternehmer auf digitale Lösungen und Plattformen. Das könnte sich jetzt bezahlt machen, schätzt Claudius Marx: „Für Händler ohne eine solche digitale Perspektive kann es sich ab einem bestimmten Punkt nicht mehr lohnen, ihre Geschäfte geöffnet zu halten.“