„Wir machen es zu unserer gemeinsamen Mission, den Ausbau der erneuerbaren Energien drastisch zu beschleunigen und alle Hürden und Hemmnisse aus dem Weg zu räumen.“ So beschreibt die Ampel-Regierung ihren Auftrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien in ihrem Koalitionsvertrag von 2021. Und weiter: „Alle geeigneten Dachflächen sollen künftig für die Solarenergie genutzt werden. Bei gewerblichen Neubauten soll dies verpflichtend, bei privaten Neubauten soll es die Regel werden.“ Doch was ist, wenn die technische Infrastruktur einen schnelleren Transformationsprozess nicht zulässt?
Jüngst hat die EVKR (Energieversorgung Klettgau-Rheintal) bei Bewohnern des östlichen Landkreises für Unmut gesorgt. Sie verfügt für einige neue Photovoltaik-Anlagen auf Hausdächern innerhalb seines Netzbereichs einen Einbaustopp. Der Grund: Das Netz sei für die Strommengen, die durch die Anlagen eingespeist werden, nicht ausgelegt. „Die [...] verlegten Kabel, die den heutigen Ansprüchen durch die Vielzahl der neuen PV-Anlagen nicht mehr genügen, müssen durch neue Niederspannungskabel ersetzt werden“, erläutert das Unternehmen in einer Mitteilung.
Auf der Webseite des Anbieters (www.evkr-gmbh.de) ist eine Liste mit Straßenzügen veröffentlicht, die derzeit von den Engpässen betroffen sind. Darunter zahlreiche Bereiche in der Gemeinde Klettgau, aber auch einige Straßen in Hohentengen, Jestetten und Lottstetten.
Laut Auskunft des Landesumweltministeriums Baden-Württemberg ist für eine Ertüchtigung des Netzes der jeweils zuständige Betreiber – in diesem Fall die EVKR – selbst verantwortlich. Darüber hinaus sei der Vorgang laut Steffen Becker, Pressesprecher des Landesumweltministeriums, einzigartig: „Es gibt derzeit keinen anderen Fall dieser Art im Land.“
Was bedeutet der Einbaustopp für Hausbesitzer?
Die Solarenergie-Zentrum Hochrhein in Grießen mit Geschäftsführer Stefan Drayer kennt die Probleme wegen des Einbaustopps in einigen Straßenzügen nur zu gut: „Falls der Bauherr im Vorfeld in eine Wärmepumpe investiert hat, kann er diese nicht mit Solarstrom betreiben, sondern muss den Strom zukaufen. Ebenso bei einem Elektroauto, das gezwungenermaßen mit teurem Netzstrom aufgeladen werden muss.“

Daraus können dann für Hausbesitzer und Bauherren finanzielle Schäden entstehen, weil man sich teuren Netzstrom dazu kaufen muss, obwohl eine PV-Anlage zur Verfügung gestanden hätte. Und natürlich schlägt auch die Investition in die PV-Anlage, die man dann gar nicht nutzen kann, zu Buche.
„In einigen Fällen hat der Bauherr bereits Material für eine PV-Anlage reserviert und eine Anzahlung geleistet. Dann hat er in Material investiert, das er nicht nutzen kann.“

Die EVRK will mit Investitionen Netz fit machen
Doch welche Maßnahmen stehen seitens der EVRK an, um das Netz für die zusätzliche Einspeisung „fit“ zu machen? Hierzu teilt das Unternehmen dem SÜDKURIER auf Anfrage schriftlich mit, dass es bereits in der Vergangenheit in das Versorgungsnetz investiert habe und dies auch in den nächsten Jahren beabsichtige.
Seit Übernahme des Versorgungsnetzes im Jahr 2015 seien bereits 15 Millionen Euro in den Netzausbau investiert worden. „Die EVKR aktualisiert ihre Netzausbauplanung fortlaufend“, betont das Unternehmen weiter. Dabei würden der verstärkte Zubau von erneuerbaren Energien und die Zunahme des Stromverbrauchs durch Wärmepumpen und Elektromobilität berücksichtigt.
Außerdem würden kritische Netzgebiete, in denen bereits ein Netzengpass drohte, prioritär behandelt, schildert die EVKR: „Dementsprechend sind die aktuellen Netzengpässe in der aktuellen Netzausbauplanung bereits enthalten.“
Pauschale Aussagen zum Zeitraum bis zum Abschluss der Maßnahmen oder den voraussichtlichen Gesamtkosten ließen sich nicht treffen, so das Unternehmen. „Die bestehenden Netzengpässe werden systematisch abgearbeitet und behoben.“ Im Jahr 2024 sollen rund 1,8 Millionen Euro allein für den EEG-bedingten Netzausbau aufgewendet werden. Weitere 2,4 Millionen sollen im Jahr 2025 und rund 1,5 Millionen Euro im Jahr 2026 in den Netzausbau fließen.
„Sobald feststeht, zu welchen Zeitpunkt die jeweiligen Bauarbeiten durchgeführt werden, wird dies in der „Netzengpass-Liste“ auf unserer Homepage veröffentlicht“, versichert die EVKR.
Das Unternehmen mit Sitz in Klettgau-Grießen teilt außerdem mit, dass eine umfangreiche Presseerklärung zu diesem Sachverhalt in den kommenden Tagen veröffentlicht wird.
Auch die Bundesnetzagentur ist informiert
Auf Nachfrage teilt das Umweltministerium in Stuttgart zu dem Fall mit: „Direkt nach Bekanntwerden der Engpässe in der Gemeinde Klettgau hat das Umweltministerium den Verteilnetzbetreiber kontaktiert und um Stellungnahme gebeten.“
Und weiter: „Darüber hinaus hat das Umweltministerium die nach § 85 Abs. 1, Nr. 3a EEG für solche Fälle zuständige Bundesnetzagentur über den Fall informiert und um Abstimmung bezüglich des weiteren Vorgehens gebeten. Eine Rückmeldung liegt bislang nicht vor [Stand: Dienstag, 21. November].“
Netzausbau als „komplexe Aufgabe“
Netzanschlussanfragen für Anlagen wie etwa PV-Anlagen erlebten laut dem Ministerium in den letzten Jahren und Monaten ohnehin einen dynamischen Anstieg. Die Verteilnetze müssten dementsprechend ausgebaut und ertüchtigt werden, verantwortlich hierfür seien die Verteilnetzbetreiber.
Aber: „Grundsätzlich können Hardware-Lieferengpässe sowie die Verfügbarkeit von ausreichend Flächen und Personal zu Verzögerungen des Netzausbaus führen.“
Das Ministerium weist außerdem darauf hin, dass der Netzausbau insgesamt eine komplexe Aufgabe sei und alle verantwortlichen Akteure unterstützt werden würden: „So wurde im September diesen Jahres ein ‚Memorandum of Understanding‘ zur Netzintegration erneuerbarer Energien in BW unterzeichnet.
Daran haben sich 23 Institutionen beteiligt, unter anderem der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), in dem auch die Stadtwerke organisiert sind sowie der Verband der Energie- und Wasserwirtschaft (VfEW)“, heißt es aus Stuttgart.
Auch andere Netzbetreiber sichern Ausbau zu
Darüber hinaus fand am 15. September der Netzausbaugipfel Baden-Württemberg 2023 statt. Überregionale Verbände und Unternehmen wie EnBW, VfEW sowie VKU hätten dort eine gemeinsame Erklärung zur Unterstützung des Ausbaus der Stromverteilnetze in Baden-Württemberg verabschiedet.
Die Netzbetreiber sicherten darin einen raschen Ausbau der Netze zu, lässt das Umweltministerium schriftlich mitteilen.