Mit einem Koffer, einem Rucksack und einer warmen Jacke ist Waleri Mostika vor einer Woche am Bahnhof in Waldshut-Tiengen angekommen. Zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter hat der 70-Jährige sein Heimatland, die Ukraine, am 4. März verlassen, rund eine Woche nach Kriegsausbruch. „Dass ich mit 70 Jahren so eine Katastrophe erleben muss, damit hätte ich niemals gerechnet“, sagt er mit Tränen in den Augen.
Menschen warten am Bahnhof in Berlin, um Flüchtlinge aufzunehmen
Über Polen und Berlin ging es für Familie Mostika nach Deutschland: „In Warschau sind wir bei Bekannten untergekommen und in Berlin hat uns am Hauptbahnhof eine fremde Frau aufgenommen, die sehr freundlich war und bei der wir uns dann zwei Tage ausruhen konnten“, erzählt Waleri Mostika, der sehr gut deutsch spricht. Am Mittwoch vergangener Woche ist die Familie dann als eine der ersten in Waldshut angekommen. Rund 30 Menschen waren es zu dem Zeitpunkt, informiert die Stadt. Heute – eine Woche später – sind es schon 104 Geflüchtete (Stand 17. März 2022).
Alle Flüchtlinge seien in Waldshut-Tiengen derzeit privat untergekommen. So wie Waleri Mostika, seine Frau Galina und Tochter Julia. „Mein Sohn musste in der Ukraine bleiben, um unser Land zu verteidigen. Wir telefonieren jeden Tag mit ihm und haben große Sorge“, sagt Waleri Mostika.
Waleri, Galina und Julia Mostika können rund zwei Wochen bei bei Familie Schmidt in Waldshut bleiben. Die dreiköpfige Familie teilt sich dort ein Zimmer, das eigentlich für ein Au Pair eingerichtet wurde. So kam auch der Kontakt zwischen den beiden Familien zustande.
Der 27-jährige Volodymyr Mostika unterstützte die Schmidts für ein Jahr als Au Pair, weil sie eine sehbehinderte kleine Tochter haben und Mutter und Vater berufstätig sind. „Wowa, wie wir ihn nennen, stammt aus Kiew. Wir haben gleich zu Beginn des Kriegs mit ihm versucht, seine Familie her zu holen, aber sie wollte zunächst nicht. Wir mussten sie fast überreden, dass sie hierher kommen“, sagt Petra Schmidt. „Und es war so schlimm zu sehen, wie Wowa rund um die Uhr versucht hatte, seine Eltern, die in Kiew leben, zu erreichen.“
Bombeneinschläge in der Heimatstadt
Ausschlaggebend für die Flucht der Familie Mostika waren dann die Bombeneinschläge in ihrer Heimatstadt Kiew, erzählt der Vater. „Als es dann immer mehr Explosionen gab und das größte Flugzeug der Welt, die Antonov An-225, im Krieg Russlands gegen die Ukraine zerstört wurde, haben wir entschieden, dass es notwendig ist, die Koffer zu packen.“
Der 70-Jährige weiter: „Am Bahnhof waren viele Flüchtlinge, darunter vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen. Für viele ging es dann von Kiew in Richtung Westukraine nach Kowel, bevor es dann über die polnische Grenze nach Warschau weiterging. Petra Schmidt: „Jetzt sind wir alle froh, dass sie hier sind. Sie haben sich vom ersten Tag an gleich sehr integriert und uns geholfen, die Kinder von Schule und Kindergarten abzuholen und sogar meine Fenster geputzt“, sagt Petra Schmidt, „obwohl wir wollten, dass sie sich erst einmal ausruhen.“

Auch wenn die Mostikas jetzt eine vorübergehende Unterkunft gefunden haben, bleibt Vieles noch ungewiss. Sprachkurse, eine Wohnungssuche, Ämtergänge, öffentlicher Nahverkehr – das alles steht noch auf dem Programm der beiden Familien.
Weil die Schmidts bald wieder einen neuen Au Pair bekommen, muss als erstes eine dauerhafte Unterkunft her. „Wir sind gerade dabei, uns umzuhören, müssen jetzt aber mal abwarten. Aber die Hilfsbereitschaft hier ist hoch. Dennoch brauchen sie ja auch Geld für Essen. Sie haben eine kleine Rente in der Ukraine, aber wir wissen derzeit nicht einmal, ob sie die noch weiter bekommen. Allein schon Geld zu tauschen ist in Deutschland kaum möglich“, sagt Petra Schmidt.
Rückkehr in die Ukraine ist das Ziel
Die Spendenbereitschaft und Hilfsbereitschaft sind es, was Familie Mostika in Deutschland am meisten verblüfft. „Wir können es kaum glauben, wie alles hier läuft, wie viel gesammelt und gespendet wird, dass Menschen ihr Häuser und Wohnungen für uns zur Verfügung stellen“, staunt Waleri Mostika, „ich glaube nicht, dass das bei uns in der Ukraine so der Fall wäre und hoffe, dass die Spenden auch den richtigen Weg finden.“
Trotz vieler positiver Eindrücke bleibt die Sorge um Familie und Freunde in der Ukraine. „Unser großer Traum ist es aber, nach Kriegsende wieder in die Ukraine zu gehen.“