Gegen das im Mai vom Landesparlament beschlossene Gesetz zur Schaffung einer Pflegekammer für Baden-Württemberg, regt sich erheblicher Widerstand, und zwar vor allem bei denen, die von der Kammer eigentlich profitieren sollten – den Pflegekräften. Auch Mitarbeiter des Klinikums Hochrhein kritisieren die Planung. Besonders stößt ihnen die beabsichtigte Pflichtmitgliedschaft für alle Pflegekräfte im Land sauer auf.

Darum geht es bei der Pflegekammer

Per se hat das Gesetz zur Einrichtung der Pflegekammer eigentlich eine positive Zielsetzung, wie das Sozialministerium auf seiner Homepage darstellt. Es gehe darum, verbesserte Fort- und Weiterbildungsangebote zu schaffen und die Pflegekräfte gerade mit approbierten Heilberufen auf Augenhöhe zu behandeln. Es gehe generell darum, das Berufsbild der Pflegekräfte deutlich zu attraktivieren und weiterzuentwickeln.

Gesetzlich sind alle Pflegekräfte zu einer Mitgliedschaft in der Kammer verpflichtet. Es seien zunächst Mitgliedsbeiträge von fünf bis neun Euro pro Monat vorgesehen. Die genaue Beitragshöhe richtet sich nach dem jeweiligen Einkommen. „Die Pflichtmitgliedschaft gewährleistet, dass die Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner ihre Interessen einbringen können und fachkundig vertreten werden“, heißt es dazu vom Sozialministerium.

Einziger Hebel für die Pflegekräfte ist nun ein Quorum, das erfüllt werden muss, um die Pflegekammer tatsächlich in die Tat umzusetzen: Stimmen 60 Prozent der Pflegekammer zu, wird sie realisiert. Allerdings ist ein aktiver Widerspruch notwendig, um seine Opposition zum Ausdruck zu bringen.

Das sagen betroffene Pflegekräfte des Klinikums Hochrhein

Elke Milkau arbeitet seit über 30 Jahren im Krankenhaus Waldshut und hat Spaß an ihrer Tätigkeit. Institutionen wie die geplante ...
Elke Milkau arbeitet seit über 30 Jahren im Krankenhaus Waldshut und hat Spaß an ihrer Tätigkeit. Institutionen wie die geplante Pflegekammer hält sie allerdings für problematisch. | Bild: Klinikum Hochrhein

Pflichtmitgliedschaft, die Notwendigkeit eines aktiven Widerspruchs, dazu jede Menge ungeklärte Fragen – all das sind Aspekte die nicht nur für viel Kritik seitens der Gewerkschaften gesorgt haben. Auch aus Sicht von Pflegekräften des Klinikums Hochrhein steht die Praxis doch sehr im Gegensatz du den in der Theorie durchaus positiven Zielsetzungen einer Pflegekammer.

„Es geht ja schon damit los, dass wir erst im Nachhinein darüber informiert wurden, dass unser Arbeitgeber unsere persönlichen Daten zur Registrierung weitergeben musste“, schildert Elke Milkau, seit annähernd 33 Jahren Mitarbeiterin im Krankenhaus Waldshut, im Gespräch mit unserer Zeitung.

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Auch ihr Kollege Peter Vogelbacher hält diese „Gründung durch die Hintertür“ nicht gerade für eine vertrauensbildende Maßnahme: „Und dass man ohne direkten Widerspruch zwangsweise zum Mitglied wird, geht genauso vielen Kollegen gegen den Strich.“

Aber es sei eben nicht nur die Art und Weise der Installierung, sondern auch die inhaltliche Seite der Pflegekammer, die vielen Pflegekräften am Klinikum Rätsel aufgebe: „Berufsständische Kammern sind vom Grundgedanken her eine Kontrollinstanz für Selbständige. Das trifft auf uns Pflegekräfte doch gar nicht zu“, kritisiert Vogelbacher. Denn als Klinik-Mitarbeiter seien sie angestellt und somit einem Dienstherrn unterstellt. Zudem sei jeder Mitarbeiter in Teams eingebunden.

„Vorteile einer Kammer erschließen sich nicht“

Peter Vogelbacher kritisiert die Art und Weise, wie Pflegekräfte zur Mitgliedschaft in der Pflegekammer verpflichtet werden. Den Sinn ...
Peter Vogelbacher kritisiert die Art und Weise, wie Pflegekräfte zur Mitgliedschaft in der Pflegekammer verpflichtet werden. Den Sinn einer solchen Einrichtung zweifelt er an. | Bild: Klinikum Hochrhein

Ebenso unklar seien die Vorzüge für den Berufsstand als solches: „Wir absolvieren über das Klinikum regelmäßig Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Welche zusätzlichen Angebote eine Pflegekammer noch schaffen will, auch wie diese mit der Arbeitszeit vereinbart werden und wer das bezahlt. Das ist noch völlig ungeklärt“, so Milkau.

Zweifel, dass Pflegekammer Rahmenbedingungen der Pflege verbessert

Beide zeigen sich überzeugt: An eigentlichen Problemen der Pflege werde eine Pflegekammer wenig ändern. Diese lauten Fachkräftemangel und ein daraus resultierender Zeitdruck. „Eine Pflegekammer mit Zwangsmitgliedschaft wird sicherlich nicht dafür sorgen, dass mehr junge Leute diesen Beruf ergreifen oder dass die Rahmenbedingungen besser werden“, bringt es Vogelbacher auf den Punkt.

Vielmehr werde denen, „die den Karren am Laufen halten“, immer noch mehr auferlegt: „Das ist angesichts der laufend steigenden Herausforderungen sicher nicht der richtige Weg, Leute für diesen wunderbaren Beruf zu begeistern“, zeigt sich Elke Milkau überzeugt.

Für sie ist der Fall bereits klar: „Ich werde gegen die Pflegekammer aussprechen.“ Die Ungereimtheiten seien schlicht zu groß und Vorteile nicht ersichtlich.

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Das sagt der Betriebsrat des Klinikums

Die Beschlussfassung und die Gründung der Pflegekammer für Baden-Württemberg habe der Betriebsrat des Klinikums Hochrhein sehr genau verfolgt und den Standpunkt den pflegerischen Beschäftigten des Klinikums auch deutlich mitgeteilt, wie dessen Vorsitzender Klaus Spinner sagt: „Wir wollen betonen, dass wir die Absicht der Pflegekammer, die Interessen der Pflegekräfte zu vertreten und die Professionalisierung des Pflegeberufes voranzutreiben, in gewisser Weise nachvollziehen können.“ Denn der Bedarf einer Interessensvertretung sei durchaus vorhanden.

Aber eine Zwangsmitgliedschaft, verbunden mit zusätzlichen Kosten und die damit verbundene melde- und beitragspflichtigen Regelungen und Verpflichtungen stellten nach Einschätzung des Betriebsrats eine erhebliche Mehrbelastung für die Pflegekräfte dar: „Wir werden den Beschäftigten, die Bedenken gegen eine Mitgliedschaft in der Pflegekammer haben, ein Widerspruch-Schreiben zu Verfügung stellen“, kündigt Spinner als Konsequenz daraus an.

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