Mit Fassungslosigkeit reagiert das Klinikum Hochrhein auf das Urteil des Bundessozialgerichts, das die sofortige Schließung vieler Notfallpraxen, darunter auch die in Bad Säckingen, zur Folge hat. „Das ohnehin fragile System der Notfallversorgung im Landkreis Waldshut steht Dank dieses Urteils nunmehr kurz vor dem Zusammenbruch“, so die Einschätzung der Klinikleitung auf Anfrage unserer Zeitung.
„Notfallversorgung vor dem Zusammenbruch“
Das Wort „Katastrophe“ reiche nicht aus, um zu beschreiben, was da auf das Waldshuter Krankenhaus zurolle, so Geschäftsführer Hans-Peter Schlaudt: „Denn ohne dramatisieren zu wollen: Dieses Urteil könnte Sorge dafür tragen, dass die Notfallversorgung am Hochrhein zusammenbricht.“ Bereits jetzt kämpfe das Team in der Notaufnahme jeden Tag mit steigenden Patientenströmen. Nun sei zu erwarten, dass der Zulauf an Patienten weiter zunehme.
Entsprechend arbeitet die Klinikleitung gemeinsam mit den medizinischen Experten im Haus an einer praktikablen Lösung, versichert Schlaudt. Abzusehen sei allerdings: Ein Weiterso wie bisher sei nicht möglich. Es werden auch harte Entscheidungen getroffen werden müssen. Dies bedürfe auch das Verständnis all jener Patienten, „die bei uns künftig horrende Wartezeiten in Kauf nehmen müssen und eventuell weiterverwiesen werden.“
Das Urteil kippt wichtige Säule im Bereitschaftsdienst
Das Bundessozialgericht hatte in seinem Urteil festgestellt, dass sogenannte „Poolärzte“ im Notfalldienst sozialversicherungspflichtig sind. Das sei nach Einschätzung des Klinikums ein herber Rückschlag für den ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), im Versorgungssystem spielten Poolärzte mit einem Anteil von 40 Prozent aller Dienste in den Notfallpraxen bisher eine tragende Rolle. Daher hatte die KVBW als Sofortmaßnahme das bisherige Beschäftigungsmodell gekippt. Unmittelbare Folge des Ganzen in der Region war die Schließung der Notfallpraxen in Bad Säckingen und Schopfheim.
Laut Zahlen der KVBW kamen im vergangenen Jahr 2700 Patienten in die Waldshuter Notfallpraxis, in Bad Säckingen waren es 2300. Das heißt, bei dauerhafter Schließung in Bad Säckingen müsste die Waldshuter Einrichtung 5000 Patienten behandeln. Selbst wenn man die Öffnungszeiten der Notfallpraxis erweitern würde, kann sich Klinik-Chef Schlaudt nicht vorstellen, wie das funktionieren sollte.
Bei Einstufung von Notfällen werden strenge Kriterien angelegt
Auch Stefan Kortüm, Chefarzt der Notaufnahme am Klinikum, ist schockiert: „Wir werden in eine Situation gezwungen, die wir nicht bewältigen können.“ Denn schon seit längerem sei die Notaufnahme aufgrund eklatanter Lücken im medizinischen Versorgungssystem infolge von Ärztemangel auch Anlaufstelle für viele Menschen, die eigentlich gar keine medizinsichen Notfälle sind.
Da dieser Umstand die Ressourcen des Klinikums Hochrhein bereits ans Limit bringe, führe kein Weg daran vorbei, künftig noch stärker auszusortieren, und all jene abzuweisen, die keine Notfälle seien, befürchtet Schlaudt: „Wir müssen die notwendigen Prioritäten für die ernsthaft Erkrankten setzen.“
Noch gebe es seitens des Klinikums eine gewisse Hoffnung, dass die KVBW eine Lösung für den ärztlichen Bereitschaftsdienst finde, der Bestand habe. Auch das Klinikum sei dabei, eine Struktur zu überlegen, „die uns einsatzfähig bleiben lässt“, so Schlaudt. Das könne aber noch einige Tage dauern.