Der Tod hat kein Gesicht, er hat einen Geruch. Wer den Geruch der Verwesung schon mal in der Nase hatte, vergisst ihn nie wieder. Kaum jemand kann das besser beurteilen als Menschen, die an einem Tatort arbeiten – erst recht, wenn der Todesfall einige Zeit unentdeckt geblieben ist.

Donato Di Benedetto hat beruflich mit Wohnungen zu tun, in denen Menschen verstorben sind. Er ist Tatortreiniger und Abteilungsleiter für Sonderreinigungen im Unternehmen Top Gebäudeservice aus Waldshut-Tiengen.

Wie kam er dazu?

Der gebürtige Görwihler ist gelernter Gebäudereiniger und absolvierte später die Fortbildung zum Tatortreiniger. Das sei aber im Grunde nicht zwingend notwendig, um den Beruf auszuüben. „Reinigen darf jeder“, sagt Di Benedetto.

„Ich halte viel aus. Es gab aber auch schon eine Wohnung, da habe ich die Türe nach dem Öffnen sofort wieder zugeschlagen und ...
„Ich halte viel aus. Es gab aber auch schon eine Wohnung, da habe ich die Türe nach dem Öffnen sofort wieder zugeschlagen und musste fast brechen“, Donato Di Benedetto, Tatortreiniger. | Bild: Nico Talenta

„Schon mein Vorgänger hier im Geschäft war Tatortreiniger und ich fand es interessant, das ebenfalls mitzunehmen. Schaden kann eine Weiterbildung ja nie“, meint er pragmatisch.

Als er anfängt über seinen Beruf zusprechen, wackelt er nervös mit den Beinen. Seine Worte wählt er mit Bedacht. Di Benedetto weiß aus Erfahrung, dass das was er macht die meisten Menschen überrascht. „Ich habe schon oft Reaktionen von anderen erlebt, die so etwas nur aus dem Fernsehen kennen. Aber nein, das ist Realität.“

Wann kommt ein Tatortreiniger zum Einsatz?

Die Abläufe am Fundort eines Toten sind klar geregelt. Zuerst muss ein Notarzt den Tod eines Menschen feststellen. Wenn es Hinweise auf ein Verbrechen gibt, werden die Spurensicherung und die Kriminalpolizei eingeschaltet. „Solche Fälle gibt es aber mehr in Großstädten“, fügt Di Benedetto hinzu.

Erst wenn alle Ermittlungen abgeschlossen sind und nachdem ein Bestatter den Leichnam abtransportiert hat, kommt ein Tatortreiniger ins Spiel. Auftraggeber sind meist Privatpersonen wie Vermieter oder Angehörige.

„Die Polizei kann aber als Vermittler dienen. Die meisten Menschen sind im ersten Moment geschockt und auf Hilfe angewiesen.“
Donato Di Benedetto

Seit 2020 hatte Di Benedetto etwa neun Einsätze als Tatortreiniger. Er spricht dabei von „kleineren und größeren Fällen“, denn nicht jedes Mal hat er es mit den Überresten einer Leiche zu tun. „Neben Leichenwohnungen gehört vor allem das Entmüllen von Messi-Wohnungen zu meinem Aufgabengebiet.“

Der bislang schlimmste Einsatz

Ein Tatortreiniger darf nicht zart besaitet sein. Trotz allem gebe es aber auch in Di Benedettos Berufsalltag Situationen, die ihn an seine Grenzen bringen.

Nach einer Stunde Einsatz macht Donato Di Benedetto immer eine Pause. Unter der Maske, dem Anzug und den Handschuhen steht die Hitze ...
Nach einer Stunde Einsatz macht Donato Di Benedetto immer eine Pause. Unter der Maske, dem Anzug und den Handschuhen steht die Hitze schnell. | Bild: Nico Talenta

Er berichtet über seinen schlimmsten Einsatz: Es sei die Wohnung eines 40-Jährigen gewesen, der seine Arbeit verloren hatte, sich in seiner Wohnung verbarrikadierte und schwer erkrankte. Die Wohnung – sie vermüllte immer mehr. Aber das war nicht alles: „Irgendwann hatte er seine Schließmuskeln nicht mehr unter Kontrolle. Der Geruch in der Wohnung war bestialisch.“ Selbst die Maske, die Di Benedetto trug, habe gegen den Gestank wenig ausrichten können.

Nichts für jedermann

Mit derartigen Erlebnissen komme nicht jeder zurecht, schildert der Tatortreiniger. Vor allem die psychische Belastung sei nicht zu unterschätzen. Denn: „Es steckt immer ein menschliches Schicksal dahinter. Das klingt vielleicht hart, aber wir müssen einfach abschalten können und uns sagen: Das ist eben meine Arbeit.“

Es gebe aber auch Menschen, die zwar die Fortbildung zum Tatortreiniger machen, den Beruf später aber nie ausführen. „Wer das einmal in echt erlebt, muss für sich entscheiden, ob er das auf Dauer erträgt.“

Wichtig ist die Vorbereitung auf einen Fall

Die Experten aus Waldshut-Tiengen haben ein riesiges Einzugsgebiet: „Wir hatten schon Anfragen aus Offenburg.“ Donato Di Benedetto stelle im Voraus Fragen und fordere Bilder an, um die Lage einschätzen zu können – zum Selbstschutz, wie er sagt. Er wolle Bescheid wissen, was ihn erwartet, um keine unangenehmen Überraschungen zu erleben.

Die Auftraggeber hingegen seien immer froh über professionelle Reiniger: „Die Leute sind dankbar, wenn wir uns um deren Leichenwohnungen oder Messi-Wohnungen kümmern.“ Dabei sei es irrelevant, dass die professionelle Tatortreinigung im Vergleich zu anderen Reinigungen recht teuer sei. Der Stundenlohn liege im unteren dreistelligen Bereich.

Wie schnell verwest eine Leiche?

Wie schnell eine Leiche verwest, hängt vor allem von der Temperatur ab, weiß Danijel Ilic, selbstständiger Tatortreiniger aus Steinen: In einer Dachgeschosswohnung, in der etwa durch Sonneneinstrahlung höhere Temperaturen herrschen, schreiten Verwesungsprozesse häufig schneller voran. Hinzu kommen Körperflüssigkeiten und Exkremente, die für jeden Tatortreiniger zum Alltag gehören.

„Jeder Mensch entleert Darm und Blase, wenn er stirbt. Das ist ganz normal.“
Danijel Ilic, Tatortreiniger

Je nachdem wie lange ein Leichnam unentdeckt bleibt, dehnt sich auch der Aufwand für die Reinigung aus. „Es gibt Fälle, da bin ich in einer Stunde durch und dann gibt es wieder welche, da brauche ich einen ganzen Tag.“

Liegt der Körper über mehrere Jahre an einem Ort, trocknen die ausgelaufen Flüssigkeiten nach und nach aus. Übrig bleibt eine mumifizierte Leiche – ein zusammengefallener, ausgetrockneter Körper. Jüngst haben die Funde zweier mumifizierter Leichname in Grenzach-Wyhlen für Aufsehen gesorgt.

„Wenn jemand eine starke Krankheit hatte, dünstet er anders aus, als ein gesunder Mensch“, Danijel Ilic, Tatortreiniger.
„Wenn jemand eine starke Krankheit hatte, dünstet er anders aus, als ein gesunder Mensch“, Danijel Ilic, Tatortreiniger. | Bild: Nico Talenta

Ilic ist Quereinsteiger und gelernter Fliesenleger. Später arbeitete er als Chemikant und habe dadurch Erfahrung mit Reinigungsmitteln erworben. Auch ein Nebenjob beim Bestatter habe ihn auf den Beruf des Tatortreinigers gebracht. „Ich dachte mir irgendwann: Es spielt ja keine Rolle, ob ich Leichen abtransportiere oder die Spuren reinige.“

Wonach riecht ein Leichnam?

„Wer einmal eine Leiche gerochen hat, vergisst das nie wieder. Es ist ein sehr eigener Geruch. Etwas süßlich. Ich würde sagen, wer schon mal Hackfleisch zu lange in der Sonne stehen lassen hat, ist schon nah dran“, versucht Ilic einen Vergleich.

Der Geruch sei aber von Mensch zu Mensch immer etwas anders: „Wenn jemand eine starke Krankheit hatte, dünstet er anders aus, als ein gesunder Mensch.“ Wie Danijel Ilic den Situationen in seinem Beruf begegnet, wie er mit den Erlebnissen umgeht? Mit schwarzen Humor: „Jeder Mensch hat eben sein Ablaufdatum.“ Wohl eine unumstößliche Wahrheit.

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