Konventionell arbeitende Landwirte sehen sich massiven und vielfältigen Vorwürfen ausgesetzt: Massentierhaltung, Monokulturen, Nitratbelastung des Grundwassers oder den Verlust an Artenvielfalt. Offenbar haben die Landwirte nun die Nase voll von „Verunglimpfungen und Schuldzuweisungen“, sehen sich als Spielball der Politik und in ihrer Existenz bedroht. Nun gehen sie für ihre Interessen auf die Straße.
So wie am 28. Mai, als etwa 20 Trecker aus der Region hupend durch die Große Kreisstadt fuhren. Rita Billich, Landwirtin aus Wutöschingen-Schwerzen war dabei: „Wir Landwirte wehren uns gegen die Diffamierung durch die Politik“, erklärt sie im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Sie fordert dazu auf, den Dialog mit den Landwirten zu suchen: „Wir sind sicher nicht der alleinige Sündenbock für das Artensterben.“
Der Brief an die Umweltministerin
Die Landwirte aus dem Landkreis wollten der Parlamentarischen Staatssekretärin im Umweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), ein Schreiben überreichen, in dem der Rücktritt von Umweltministerin Svenja Schulze und Staatssekretär Jochen Flasbarth gefordert wird.
Doch die Bundestagsabgeordnete war an diesem Tag nicht in Waldshut. Rita-Schwarzelühr-Sutter erklärt dazu auf Anfrage des SÜDKURIER: „Die Teilnehmer der Traktorendemo hätten ganz einfach herausfinden können, dass wir eine Sitzungswoche haben und ich als Mitglied der Bundesregierung Präsenzpflicht in Berlin habe.“
Die Organisatoren
Initiator dieser Demo war der Verein „Land schafft Verbindung“ (LsV). Maike Schulz-Broers, Landwirtin aus Schwienau/Niedersachsen und Gründerin der Initiative, hatte nach der Ankündigung der Bundesregierung „Gesetzespakete“ zu verabschieden und diese aus der Altersvorsorge der Landwirte zu finanzieren, endgültig genug, wie sie auf Nachfrage des SÜDKURIER erklärte: „Man muss sich fragen, ob die Landwirtschaft in Deutschland seitens der Politik überhaupt noch gewollt ist?“
Auf die Barrikaden brachte sie und ihre Mitstreiter der „Bericht zur Lage der Natur“, den Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) am 19. Mai vorgestellt hatte. Darin mache sie die industrielle Landwirtschaft für das anhaltende Artensterben, vor allem bei Insekten und Vögeln, verantwortlich, so der LsV. Dabei fände man hier all das, was angeblich nicht mehr da sei: Feldhasen, Rebhühner, Kiebitze... und in den Flächen unzählige Regenwürmer.
Rita Schwarzelühr-Sutter signalisiert Gesprächsbereitschaft
„Wir haben die Ministerin angezeigt und andere Landwirte aufgefordert, das auch zu tun“, sagt die Bäuerin aus dem Landkreis Uelzen. Sie betont allerdings, dass ihr im November 2019 gegründeter Verein nicht den Rücktritt von Svenja Schulze fordert. Sie erwartet allerdings in den nächsten Tagen auf eine Reaktion der Staatsanwaltschaft, die aufgrund der Anzeige tätig werden müsse.
Die Demonstrationen
Maike Schulz-Broers sieht die Demonstrationen als „Verstärker für unsere Forderungen gegenüber der Politik.“ Die Branche habe mit dem Verein wieder eine Stimme. Mal leise, mal laut. Denn von den Bauernverbänden fühlt sie sich und die Interessen der Branche, und offenbar viele Landwirte mit ihr, nicht mehr vertreten. „Der Bauernverband hat keine gewichtige Stimme mehr in der Politik. Mit uns haben die Landwirte wieder eine Stimme“, was fehle, sei das Ohr in der Politik, das zuhöre.

Kritik äußert sie auch am Nabu (Naturschutzbund Deutschland), der aus ihrer Sicht den Naturschutz aus den Augen verloren habe. „Naturschutz funktioniert nur mit den Landwirten, die aber auch die Versorgung der Bevölkerung sichern müssen“, so Maike Schulz-Broers.
Die Forderungen
Der Verein möchte an den Entscheidungen, die Betriebe und die Branche betreffen, beteiligt werden. „Nicht als Alibi, sondern als Praktiker mit dem Knowhow, das es braucht, um Ökonomie und Ökologie zusammen zu gestalten“, sagt Schulz-Broers. Sie macht auch deutlich, dass die Landwirte die Versorgungssicherheit der Bevölkerung sichern wollen, damit das Land nicht auf Importe aus Drittländern angewiesen sei, die plötzlich wegbrechen könnten.

Die Landwirtin ist überzeugt, dass ihre Branche jeden Tag etwas dafür tut, dass diese beiden Aspekte ins Gleichgewicht gebracht werden. „Warum sollten wir unsere Lebensgrundlage, die wir von unseren Vorfahren erhalten haben, kaputt machen?“ Diese Grundlage sichere ihr Einkommen und soll später den Kindern noch zur Verfügung stehen. Dies würde nicht funktionierten, wenn die Böden nicht gesund wären.
Weitere Protestaktionen
„Land schafft Verbindung war und ist immer unberechenbar. Das ist unsere Stärke, die wir uns bewahren wollen“, sagt die Landwirtin aus Schwienau. Der Verein arbeite an neuen Ideen und Konzepten, die einen Weg aufzeigen sollen, wo man die Interessen aller unter einen Hut bekommen kann.
Das Konzept der „Grünen Gebiete“ vom Februar 2020, hätte Landwirten und Bundesregierung einen Weg eröffnet, die Nitratrichtlinie der EU umzusetzen. „Leider nicht gewollt. Man drangsaliert lieber die Landwirtschaft weiter“, kritisiert Maike Schulz-Broers.