So viele Menschen wie nie zuvor haben seit der Pandemie im Homeoffice gearbeitet. Persönliche Gespräche wichen Videokonferenzen und die eigenen vier Wände wurden zum Büro. Doch nicht für jeden ist das die perfekte Umgebung für ruhiges und konzentriertes Arbeiten. Diese Erfahrung machte auch Steffen Schneider aus Bad Säckingen und so suchte er nach einer Alternative.
Warum Homeoffice nicht immer praktisch ist
„Wenn meine Frau und das erste Kind mittags nach Hause kamen, wurde es schon relativ laut“, erzählt er. Nachmittags sei dann das zweite Kind gekommen. „Weil ich dann aber noch mehrere Stunden arbeiten muss und als IT-ler absolute Ruhe brauche, war mir ein Büro sehr wichtig.“ So ging er in den sozialen Medien auf die Suche nach einem Arbeitsraum außerhalb der eigenen vier Wände. Das Hotel am Hochrhein bot ihm stundenweise einen Besprechungsraum an – vier Stunden für 15 Euro. „Das war eigentlich ein guter Preis“, so Schneider. Mittlerweile ergab sich aber eine andere Lösung und so mietete der Familienvater kurzerhand eine Zweitwohnung an – nur zum Arbeiten.

Wie Steffen Schneider geht es vielen. Und genau deshalb kam Hotelier Niels Bosley vom Hotel Rheinsberg in Bad Säckingen zu Beginn der Pandemie auf die Idee seine Zimmer stundenweise als „Arbeitsraum“ zu vermieten. Angefangen hat er im April 2020 damit, denn aufgrund der Pandemie waren seine Hotelzimmer nicht ausgebucht. Er und sein Team mussten sich Alternativen überlegen, kreativ werden. „Und ich wollte nicht die nächste Togo-Box anbieten.“ Die Idee war also aus der Not geboren.
Beim ersten Lockdown sei das Angebot deutlich mehr genutzt worden als jetzt, aber seit der neusten Corona-Welle stieg die Anfrage wieder, wie Bosley erzählt. Allein in diesem Jahr hätten 120 Gäste die Hotelzimmer als Büro gebucht.
Infrastruktur wie im Büro
Viel umbauen habe er dafür nicht müssen: All seine Hotelzimmer waren ohnehin schon mit einem großen Schreibtisch ausgestattet. Auch sonst sei in dem Hotel, welches viele Geschäftsleute begrüße, die nötige Infrastruktur vorhanden. Der Gast könne Dokumente auszudrucken, kopieren oder faxen – und es gebe schnelles WLAN. Auch könne er ein Mittagessen, Kaffee oder Getränke bestellen.

Wer nutzt das Angebot?
Die meisten seiner Gäste, die das Angebot nutzen, seien Beschäftigte, die im Homeoffice zu hause arbeiten und dort nicht zur Ruhe finden – gerade Eltern mit Kindern. „Viele haben zuhause nicht die Ruhe, den Rückzugsort, den Platz oder die Infrastruktur“, so Bosley. „Manchen fehlt es auch einfach am stabilen Internet“, sagt der Hotelier. Auch manche Grenzgänger, die wegen der Corona-Pandemie zuhause bleiben mussten oder sollten, nutzten das Angebot. Ein Tag bis fünf Stunden kostet 39 Euro, bis zehn Stunden 49 Euro, dann gibt es noch Tarife für mehrere Tage. In den allermeisten Fällen hätten die Arbeitgeber das zum Büro umfunktionierte Hotelzimmer bezahlt. Aber auch Selbstständige kamen.
„Für viele ist Homeoffice auch schwierig, weil sie den Abstand zum Privatleben nicht mehr haben und die Arbeit mit nach Hause nehmen“, so Niels Bosley. Im Hotelzimmer sei es quasi wie im Büro, nach der Arbeit ginge man nach Hause und dann sei Feierabend.
Ganz neu seien in seinem Hotel die sogenannten Boarding-Appartments mit eigener Küche, die etwa Geschäftsreisende für länger nutzten könnten. Doch das Arbeiten im Hotelzimmer wurde meist nur für einige Stunden genutzt – eben dann, wenn der Gast besonders viel Ruhe für seine Arbeit benötigte. „Manche sind nur für eine Stunde da, um Aufträge zu Papier zu bringen“, erläutert Bosley. Viele kämen immer wieder.
Lohnt es sich für den Hotelier?
„Das Hotelzimmer muss hinterher genauso gereinigt werden, wie wenn es über Nacht benutzt wird“, sagt der Hotelier. Das heißt: Gewinn mache er damit keinen. „Aber letzendlich laufen auch bei wenigen Übernachtungsgästen die Pachtkosten weiter, und so können wir mit dem Angebot immerhin diese Kosten decken.“ Zudem sei es auch ein Mittel gewesen, um seine Mitarbeiter weiterhin beschäftigen zu können. Das Angebot möchte Bosley weiter aufrecht erhalten.
Blick auf die Gastronomie im Land
Auch Daniel Ohl, Pressesprecher des Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA Baden-Württemberg, sieht darin nicht den „Rettungsanker für die Branche“. Es wirke nur als Deckungsbeitrag, ein Betrieb käme durch ein solches Angebot nicht in die Gewinnzone. „Es ist gut, wenn es solche Nischen gibt, die auch genutzt werden, aber das ist nicht der Schlüssel zur Krisenbewältigung im Allgemeinen“, so Ohl. Im Land würden nur sehr wenige Gastronomen ein solches Angebot haben, darunter gebe es sowohl jene in der Stadt als auch jene auf dem Land, die ihre Hotelzimmer als Büroräume anbieten. Bei den meisten habe diese Räume aber kaum jemand gebucht wie die Erfahrungsberichte zeigen würden.
Zurück zu Steffen Schneider. Für ihn wäre ein Co-Working-Space die beste Art außerhalb der eigenen vier Wände zu arbeiten. „Dort hat man Menschenkontakt und fachlichen Austausch, aber ich brauche dort dann auch einen abgegrenzten Arbeitsplatz, in dem ich wirklich Ruhe habe“. Er wünscht sich, dass so etwas in Bad Säckingen Realität wird. Neben dem Hotelier Niels Bosley, der einen solchen Co-Working-Space im Hotel St. Fridolin plant, soll auch im neuen Gesundheitscampus ein solch flexibler Arbeitsbereich entstehen.