In das Thema Windenenergienutzung kommt auch in unserer Region wieder Schwung. Zwei der größten geplanten Windkraftstandorte liegen hier im Südwesten, eine Fläche liegt bei Bonndorf-Grafenhausen, eine weitere am Schwarzwaldberg Blauen auf den Gemarkungen Malsburg-Marzells und Schliengens. So könnten in den beiden Landkreisen Waldshut und Lörrach jeweils zehn neue Anlagen entstehen.
Nachdem in den ersten beiden Amtszeiten von Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Sachen Windkraft nicht viel ging, hat die grün-schwarze Landesregierung jetzt als Ziel den Bau von 1000 Windrädern ausgegeben. Dafür will das Land staatseigene Waldflächen an Investoren verpachten.
Der erste Schritt ist getan: Landesweit sind knapp 2900 Hektar für den Bau von Windenergieanlagen zur Verfügung gestellt. 1999 Hektar wurden in einer ersten Tranche bereits vergangenes Jahr ausgeschrieben – darunter auch die Fläche am Blauen im Landkreis Lörrach.

Hier sind die Bewerbungsfristen abgeschlossen. Weitere 900 Hektar der zweiten Tranche sind seit 1. Februar im Angebot. Hier können Investoren ihre Offerten bis Ende März abgeben. Über den Zuschlag entscheidet ein Auswahlverfahren. Soviel ist klar: Das Interesse ist riesig. Bereits für die Flächen der ersten Tranche sind 134 Angebote eingegangen. Die landeseigene Forst-BW wickelt die Vermarktungsoffensive ab. Forst-BW ist staatseigener Forstbetrieb und bewirtschaftet die 300.000 Hektar Staatswald.
Windkraft – hat sich die Stimmung gedreht?
Die Stimmung beim Thema Windkraft hat sich mittlerweile offenbar erheblisch geändert. Wurde in früheren Jahren gerade in Baden-Württemberg teils massiver Widerstand gegen projektierte Windmühlen organisiert, ist aus den betroffenen Orten zumindest bislang eher Gegenteiliges zu hören.
So hat der Gemeinderat Grafenhausen bereits Anfang Februar Ja zur Windkraft gesagt und will entsprechende Flächen ausweisen. Positive Signale kommen zudem aus dem Ratsgremium Malsburg-Marzell. Diese Gemeinde liegt am dichtesten zu den geplanten Windkraftstandorten am Blauen. Dies scheint ein bundesweiter Trend zu sein. Denn eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Fachagentur Windenergie an Land brachte 2021 folgendes Ergebnis: 80 Prozent der Deutschen halten die Nutzung der Windenergie für wichtig oder sehr wichtig. Das sagte sogar 78 Prozent der Befragten, die in direkter Nähe einer oder mehrerer Windanlagen wohnen.
So läuft das Verfahren
Forst-BW schreibt aus und verpachtet die Flächen im Rahmen des Angebotsverfahrens an Investoren, informiert Jonas Esterl, Pressesprecher im Ministerium Ländlicher Raum. Diese sind dann selber für das weitere Verfahren zuständig, das heißt, der Pächter nimmt das Genehmigungsverfahren auf.
Das Pachtverhältnis hat Ausstiegsklauseln
Investor und Land schließen einen Gestattungsvertrag. Diesen Vertrag benötigt der Projektentwickler, für seine Planungssicherheit und die Einleitung der Genehmigungsverfahren. Das Genehmigungsverfahren läuft bei den jeweiligen Landratsämtern. der Gestattungsvertrag enthalte auch Kündigungsgründe, so Esterl, zum Beispiel bei einer Bau-Ablehnung durch die Genehmigungsbehörde. Der Investor pachtet also nicht die Katze im Sack.
Wie hoch sind die Genehmigungschancen auf den Flächen?
„Die Flächen sind bereits im Vorfeld anhand eines Kriterienkatalogs durch die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg vorgeprüft“, teilt Esterl mit, „zusätzlich werden die Flächen noch einem internen Prüfverfahren von Forst-BW unterworfen.“ Somit seien erste grundlegende Hindernisse und Restriktionen abgeprüft. Natürlich gebe es aber im Genehmigungsverfahrens noch weitere, vertiefte Untersuchungen etwa natur- und artenschutzrechtlicher Art, die die Chance auf Realisierung noch ändern könnten. Esterl: „Eine Wahrscheinlichkeitsprognose ist deshalb zum jetzigen Zeitpunkt schwierig.“
So lange dauert es, bis ein Windrad steht
Wann sich die ersten Windräder auf besagten Flächen drehen, sei schwierig zu beurteilen, so der Ministeriumssprecher. Im Durchschnitt benötigt ein Verfahren von der Standortfindung über die Verpachtung bis zu Umsetzung und Bau der Windräder gegenwärtig in Baden-Württemberg etwa drei bis sieben Jahre.
Soviel Windräder können auf den Fläche gebaut werden
Im Bereich Malsburg-Marzell sind es rund 200 Hektar Fläche, im Bereich Grafenhausen/Bonndorf sind es 240 Hektar. Eine genaue Aussage über die Anzahl der Windräder sei aktuell nicht möglich. Dies hänge von der endgültigen Gestaltung des Windparks und den zu berücksichtigenden Gutachten ab. Allerdings hat Forst-BW einen etwaigen Richtwert: Auf der landesweit insgesamt 2900 Hektar großen Perspektivfläche hält Forst-BW die Realisierung von 130 Anlagen für möglich. Somit wird in der Entwicklungsphase mit ausreichendem Spielräumen von 20 bis 22 Hektar pro Anlage ausgegangen. Das wären demnach um die zehn Anlagen auf beiden Flächen.
Großes Interesse an erster Tranche
Es sind 134 Angebote auf die sieben Standorte der ersten Tranche abgegeben worden. Das Interesse ist hoch und entsprach den Erwartungen, so Esterl. Allein für die Fläche am Blauen wurden zwölf Angebote von Windkraftinvestoren abgegeben.
Wann gibt es dazu eine Entscheidung?
Derzeit läuft laut Ministerium der Auswertungsprozess der ersten Tranche. Der wird aufgrund der hohen Angebotszahl voraussichtlich bis Anfang März dauern. Danach werden die Firmen informiert und es folgt die jeweilige Vertragsverhandlung mit dem zukünftigen Vertragspartner. Die jeweiligen Gemeinden bekommen ebenfalls Info über den Ausgang des Verfahrens.
Wie ist das weitere Verfahren bei Bonndorf-Grafenhausen
Diese Fläche gehört zur zweiten Tranche. Am 1. Februar 2022 wurde diese ausgeschrieben. Die Vorlage eines Angebotes soll dann innerhalb von acht Wochen erfolgen. Abhängig von der Zahl der Rückmeldungen könne die Entscheidung bis zum Sommer 2022 dauern, so Esterl.
Wird es weitere Tranchen geben?
Zukünftig soll die Ausschreibung verstetigt werden, sodass auch einzelne Standorte im Staatswald Baden-Württemberg durch Forst-BW kontinuierlich ausgeschrieben werden, sobald geeignete potenzielle Windkraftflächen vom Staatsforstbetrieb identifiziert sind.
Es gibt Geld für betroffene Gemeinden
Eine finanzielle Beteiligung der Gemeinden ist für das Land Bedingung, so Esterl. Sie soll Teil des entsprechenden Konzepts sein, das die Interessenten vorlegen. Betroffene Gemeinden können gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG, §6) eine Beteiligung von 0,2 Cent pro Kilowattstunde erhalten. Als betroffen gilt eine Gemeinde, wenn ihr Gemeindegebiet sich zumindest teilweise innerhalb eines 2500-Meter-Radius um die Anlage befindet. Zudem muss die Anlage eine installierte Leistung von mehr als 750 Kilowatt haben.