Das Sisslerfeld wird im Kanton Aargau als Segen und Fluch zugleich angesehen. Segen, weil es die größte zusammenhängende und noch unüberbaute Industriefläche der Nordwestschweiz ist. Sie gilt als Industrieperle und liegt geografisch wie strategisch günstig; rundherum haben die Life-Science-Giganten Novartis, DSM, Syngenta und BASF-Werke. Fluch ist es, weil es bis jetzt nicht gelungen ist, die divergierenden Interessen der verschiedenen Akteure unter einen Hut zu bringen und das Gebiet weiterzuentwickeln.
Bislang. Denn nun kommt Bewegung ins Sisslerfeld. Ein wichtiger Schritt war eine gemeinsame Testplanung. Ein weiterer soll ein „strategischer Landkauf“ des Kantons sein. Er will im Sisslerfeld mehrere Grundstücke kaufen. Für die 67500 Quadratmeter ist er bereit, 21,5 Millionen Franken zu zahlen. 7 weitere Millionen sollen in die Arealentwicklung investiert werden. Vom Kauf verspricht sich der Kanton unter anderem eine Stärkung der Steuerkraft.
Das Projekt habe Pilotcharakter, sagte Finanzdirektor Markus Dieth im Mai beim Start der Anhörung. Deshalb lancierte der Regierungsrat „eine breite politische Diskussion“ zur Frage, ob der Kanton die Entwicklung von Arealen mit strategischen Landkäufen aktiv fördern soll oder nicht.
Die Grünen wollen Gärten statt Firmen
Die Antworten der Parteien liegen vor – und decken das ganze Spektrum von „sicher nicht“ bis „aber sicher“ ab. Den radikalsten Vorschlag machen die Grünen. Sie sind für den Kauf – wollen das Land aber danach nicht für die Industrie nutzen. „Die fruchtbaren Böden sollen als Land für den Anbau von Lebensmitteln genutzt werden“, schreibt die Partei und schlägt vor, das Land für Gärten/Familiengärten und als Fläche für die Forschung im Bereich Biolandbau (FiBL) zu nutzen. „Wir wollen keine neuen Produktionsstätten für Produkte, die wir nicht brauchen, mit Personal, das wir nicht haben und die Verkehr verursachen, den wir nicht wollen“, hält die Partei fest.
Gar nichts von einem Kauf wissen will die SVP. Der Kanton habe weder als Immobilien- noch als Landhändler aufzutreten, sondern sich auf die Kernaufgaben zu konzentrieren – „und diese so effizient und ressourcenoptimiert wie möglich durchzuführen“. Zudem sei es nicht Aufgabe des Kantons, die Erschließung zu Lasten der Steuerzahler vorzunehmen, „nur weil die Grundeigentümer selbst kein Interesse daran zeigen“. Die SVP warnt vor einer Besserstellung einiger Grundeigentümer.
FDP sieht es als Ausnahme, SP will Baurechtslösung
Ein „Ja, aber“ kommt von der FDP. Die Partei begrüßt den Landkauf mit Blick auf die dadurch beschleunigten Abläufe für die Ansiedlung von wertschöpfungsstarken Unternehmen. Gleichzeitig mahnen die Liberalen, dass dieser Kauf eine Ausnahme bleiben muss; die FDP stellt sich explizit gegen einen Paradigmenwechsel. Gleichzeitig zeigt sich die FDP erstaunt, dass die Anhörung erst jetzt durchgeführt wird – zu einem Zeitpunkt, als das Landgeschäft bereits vertragsreif ist. „Ein früherer Einbezug von Parteien und Parlament wäre angemessen, ansonsten kann der Regierungsrat das Geschäft gleich in eigener Kompetenz und Verantwortung abwickeln“, schreiben die Liberalen mit einem leisen Unterton.
Nochmals eine andere Lösung schwebt der SP vor. Auch sie ist für den Kauf und spricht von einer Chance. Das Land soll dann aber nicht weiterverkauft werden, sondern im Besitz des Kantons bleiben und im Baurecht abgegeben werden. „Somit können im Rahmen des Baurechtsvertrags wichtige Anliegen wie beispielsweise Arbeitsplatzqualität, Anforderungen an eine ökologische und klimagerechte Bauweise berücksichtigt werden und der Kanton über die Art der Überbauung bestimmen“, schreibt die Partei – und regt die Schaffung einer Rechtsgrundlage an, damit Kanton und Gemeinden auch andernorts unbürokratisch Flächen und Schlüsselgebiete erwerben und im Baurecht abgeben können.
Die GLP stellt sich wie Die Mitte hinter den Landkauf – und dies ohne Kartoffel- oder Baurechtsforderungen. Die GLP sieht im Landkauf einen wichtigen Faktor zur nachhaltigen Stärkung des Wirtschaftsstandortes und damit der Steuerkraft. Die Partei wünscht sich, dass im Sisslerfeld nachhaltig agierende und innovative Firmen angesiedelt werden.
Die Mitte wiederum freut es, dass der Kanton mit dem Landkauf auf die Arealentwicklung direkt Einfluss nimmt – mit dem Ziel, dass möglichst bald baureifes Land zur Verfügung steht. Als Grundeigentümer habe der Kanton die Möglichkeit, die Entwicklung aktiv mitzugestalten.