Es waren emotionsgeladene Momente vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen. Mit tränenerstickter Stimme entschuldigte sich ein 40 Jahre alter Angeklagte beim 80 Jahre alten Opfer seiner Tat. Ein von ihm in der Untersuchungshaft handschriftlich verfasstes mehrseitiges Entschuldigungsschreiben nahm die Frau nach kurzem Zögern an.

Ihre Schilderung der Geschehnisse im August vergangenen Jahres musste sie nach wenigen Sätzen abbrechen. Zu sehr nimmt sie das noch immer mit. Für den geständigen Angeklagten gab es ein Happy-End. Für seinen Botengang nach einem Telefonbetrug erhielt er eine zur Bewährung ausgesetzte zweijährige Haftstrafe. Mit seiner Familie durfte er das Gericht als freier Mann verlassen.

In der Freiheit aber warten die alten Probleme auf ihn. Ein Berg voll Schulden muss abgetragen werden, weshalb ihm Amtsrichterin Maria Goj zur Auflage machte, eine Schuldnerberatung aufzusuchen. Gut möglich ist, dass der Mann von den gleichen Leuten in die Schuldenfalle getrieben wurde, die ihn später zum kriminellen Kurier und damit zum Bandenmitglied machten.

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Doch der Reihe nach: Der Angeklagte kam 1998 aus Moldawien nach Deutschland, lernte rasch Deutsch, ließ sich zunächst zum Autolackierer ausbilden und erfüllte sich 2018 den Traum der Selbstständigkeit. Im Schwarzwald-Baar-Keis gründete er eine Transportfirma, die rasch wuchs. 17 Fahrer hatte er in besten Zeiten beschäftigt, die mit 17 gemieteten Fahrzeugen unterwegs waren. Auch privat ging es aufwärts. Im Internet lernte er seine Frau kennen, mit der bereits drei Monate später zusammenzog. Heute hat das Paar zwei Kinder im Alter von vier und zwei Jahren.

Im Urlaub kommt die Wende

Die Wende eingeläutet wurde bei einem Türkeiurlaub. Dabei lernte er einen Mann kennen, der sich als Investor ausgab. Die beiden tauschten schließlich ihre Telefonnummern aus. Als er wieder zu Hause war, habe er „seltsame Anrufe aus allen möglichen Ländern“ erhalten, sagte der Angeklagte vor Gericht. Die habe er zunächst alle ignoriert. Dann aber habe ihn eine Anruferin mit Detailkenntnissen über sein Leben überrascht. Die vermeintliche Verkäuferin einer Rentenversicherung erlangte sein Vertrauen. Er überwies ihr zunächst 350 Euro, aus denen binnen weniger Tage 800 Euro wurden.

Davon beeindruckt, nahm er einen Kredit über 80.000 Euro auf und vertraute der Frau das Geld zum Aktienkauf an. Als es nicht möglich war, einen Teil der Summe zurückzubekommen, erstattete er Anzeige. Das aber machte es nicht besser. Jetzt meldete sich ein vermeintlicher Rechtsanwalt aus London, der Hilfe bei der Rücküberweisung des Geldes anbot. Dafür verlangte er zehn Prozent der Summe. Daneben hagelte es nun E-Mails mit angeblichen amerikanischen Steuerforderungen.

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Um all diese Forderungen bedienen zu können, besorgte sich der Mann bei seinen Freunden 60.000 Euro. Als dann die Transportaufträge zurückgingen, musste er schließlich im Februar vergangenen Jahres Insolvenz anmelden. Im Mai fand er eine Anstellung als Transportfahrer; die Gläubiger aber erhöhten den Druck auf ihn. Da fiel ihm in seiner Verzweiflung der Urlaubsbekannte aus der Türkei an. Und so schnappte die Falle zu. Der bot ihm kein Geld, dafür aber die Möglichkeit, durch Kurierdienste Geld zu verdienen.

Bank der 80-Jährigen wird misstrauisch

Der erste Auftrag Mitte August wurde vom Auftraggeber abgebrochen, weil die Übergabe nicht mehr sicher schien. Der zweite Auftrag führte den Angeklagten dann Ende August zu einer 80 Jahre alten Frau im Nordwesten des Kreises Waldshut. Dahin wurde er von einer türkisch sprechenden Frau gelotst, die er zuvor aufnehmen musste. Da die Hausbank der Frau Verdacht schöpfte, scheiterte die Geldübergabe. Statt des Geldes fanden sich lediglich Papierschnitzel in der Tüte. Und statt der Frau wartete die Polizei auf den Angeklagten. Die Frau wurde später noch am Telefon massiv bedroht. Sie werde die Nacht nicht überleben, sei ihr gesagt worden, schilderte sie als Zeugin.

Das fordert der Staatsanwalt

Staatsanwalt Martin Fleiner hob in seinem Plädoyer darauf ab, dass das ausgeklügelte System des Telefonbetrugs aus dem Ausland nur funktioniert, wenn Kuriere die Beute holen. Dem Angeklagten habe klar sein müssen, dass er sich da auf die kriminelle Bahn begebe. Er habe sich somit des versuchten gewerbsmäßigen Bandenbetrugs schuldig gemacht. Vom Urteil müsse auch eine Abschreckung ausgehen, weswegen er für eine zweieinhalbjährige Freiheitsstrafe plädierte, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

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Das sagt die Verteidigerin

Verteidigerin Anette Scharfenberg zeichnete hingegen das Bild eines reuigen Täters mit einer positiven Sozialprognose. Sein früherer Arbeitgeber habe zugesichert, ihn nach Haftentlassung wieder einzustellen. Auch erinnerte sie daran, dass der Angeklagte selbst Opfer eines Betrugs wurde, der ihn letztlich in die Insolvenz und Überschuldung getrieben habe. Dies, das von Reue getragene Geständnis und die Entschuldigung beim Opfer seien Gründe, für eine Bewährungsstrafe zu plädieren.

Dem folgte das Gericht schließlich und blieb mit zwei Jahren Haft an der Obergrenze dessen, was noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann.