Ende kommender Woche entscheiden die Grünen im Kreis Waldshut, mit welchem Direktkandidaten sie 2021 in den Bundestagswahlkampf ziehen. Zwei Kandidaten, Ulrich Martin Drescher (68) aus Kirchzarten und Jan-Lukas Schmitt (25) aus Waldshut, stellten sich nun dem Wehrer Ortsverband vor. Aufgrund der aktuell stark ansteigenden Infektionszahlen gingen die Wehrer Grünen dabei neue Wege und luden zum Austausch per Video-Chat. Auch wenn sich nicht alle Mitglieder auf diese digitale Form der Kandidatenvorstellung einlassen wollten, entwickelte sich doch eine muntere Frage-Antwort-Runde, bei der es nicht nur um die Bundespolitik ging, sondern auch um regionale Themen wie beispielsweise A98 und Wehratalbahn.
Insbesondere bei der Hochrheinautobahn deutet sich eine neue grüne Sichtweise an: Strebten die Grünen im Kreis bislang eher Ortsumfahrungen mit dem Ausbau einer Bundesstraße an, wollten sich beide Kandidaten nun nicht mehr grundsätzlich gegen eine Autobahn stellen. „Ich würde eine A98 nicht verhindern, auch wenn sie nicht meine Wunschlösung ist“, meinte Jan-Lukas Schmitt, denn wichtig sei, dass der Hochrhein gut angebunden sei. Wie Schmitt hält es auch Ulrich Martin Drescher allerdings zunächst für notwendig, Verkehr zu vermeiden und möglichst auf die Schiene zu verlegen. Die Diskussion um die A98 sei „ein Abwägungsprozess“, so Drescher, wenn die Autobahn komme, gehe es darum, sie „einigermaßen umweltverträglich“ auszubauen.
Unterstützung für Wehratalbahn-Pläne
Einig waren sich die beiden Bewerber auch beim zweiten Verkehrsprojekt, das Wehr betrifft: Sowohl Drescher als auch Schmitt unterstützen die Pläne der Reaktivierung der Wehratalbahn – auch wenn beide einräumten, sich noch nicht konkret mit den Plänen befasst zu haben. Die Wiederinbetriebnahme stillgelegter Bahnstrecke könnten ein wichtige Teile der Verkehrswende werden. „Wir müssen stärker auf einen Mix der Verkehrsmittel setzen“, so Ulrich Martin Drescher, der dabei auch die Bedeutung gemeinschaftlicher Mobilitätsformen – wie Bürgerbus und Carsharing – betont. Jan-Lukas Schmitt sieht auch in der stärkeren digitalen Vernetzung der Mobiltätsangebote eine Möglichkeit, den Verkehr zu reduzieren.
Bei der Bundestagswahl im Herbst 2021 rechnen sich die Grünen durchaus Chancen aus, das Direktmandat im Wahlkreis zu gewinnen. „Ich erhebe ganz klar einen Führungsanspruch“ , so Ulrich Martin Drescher, der 2017 mit 11,9 Prozent das beste Erststimmenergebnis der Grünen im Kreis erzielte. Mit einem guten Ergebnis bei der Landtagswahl im März im Rücken könnten die Grünen auch bei der Bundestagswahl im September stärkste Partei werden, so Drescher. „Wir haben die Themen in der Hand“. Inbesondere den Klimaschutz will Drescher in den Fokus seiner Arbeit stellen. Mit „einem grünen Wirtschaftswunder“ soll das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens doch noch erreicht werden. Auch Schmitt sieht in der Klimakrise die aktuell wichtigste Aufgabe: „Ich gehöre zur ersten Generation, die die Klimaveränderung spürt und zur letzten Generation, die sie aufhalten kann“, so Schmitt.
Beide Bewerber streben übrigens neben der Direktkandidatur im Wahlkreis Waldshut auch einen Listenplatz auf der Landesliste der Grünen an. Drescher will sich um einen der südbadischen Spitzenplätze – möglichst unter den ersten zehn – bewerben. Auch Jan-Lukas Schmitt will über sich über die Grüne Jugend einen Platz auf der Landesliste sichern – vermutlich auf Platz 20. Bis Rang 15 werden den Bewerbern Chancen eingeräumt, ein Bundestagsmandat zu erringen. Bei einem guten Wahlergebnis auch mehr.
Die Bewerber
Mit Ulrich Martin Drescher aus Kirchzarten bewirbt sich der Direktkandidat der Bundestagswahl 2017 erneut um einen Sitz im Bundestag. Der 68-Jährige hat sich als Moderator und Organsiationsberater einen Namen gemacht. Er ist Gründer des Lobbyverband UnternehmensGrün zur Förderung umweltgerechten Wirtschaftens, außerdem wirkt er bei zahlreichen Verbänden und Unternehmen mit, so ist er beispielsweise Aufsichtsrat bei den „Stromrebellen“ der Elektrizitätswerke Schönau.
Auch sein Mitbewerber Jan-Lukas Schmitt (25) aus Waldshut-Tiengen hat einen wirtschaftpolitischen Schwerpunkt: Nach seinem Studium des Wirtschaftsjournalismus volontierte er bei der Wirtschaftwoche und schreibt dort als Freier Mitarbeiter – nach eigener Aussage – „am liebsten über Geldanlagethemen sowie die Aktien- und Finanzmärkte“. Schmitt ist bei der Jugendorganisation „Grüne Jugend“ aktiv.
Die Entscheidung, wer Direktkandidat im Wahlkreis Waldshut wird, entscheidet sich bei der Nominierungsversammlung am Freitag, 6. November in Bonndorf.