Es war so einfach, obendrein noch spottbillig: Das Neun-Euro-Ticket. Eine Karte für den Nahverkehr in ganz Deutschland, zu einem außerordentlich günstigen Preis. Dass dies auf Dauer nicht finanzierbar ist, wissen die meisten. Aber warum sollte es nicht auch künftig ein Ticket geben, das für das komplette Nahverkehrsnetz in Deutschland gilt? Statt sich durch den Tarif-Dschungel der Verkehrsverbünde zu kämpfen?

Durch das Gebiet von drei Verbünden
Als Autor dieses Beitrags stelle ich mir die Frage immer wieder. Täglich pendle ich von Gottmadingen nach Waldshut. Es hat eine Weile gedauert, um das passende Fahrkartenangebot zu finden. Denn es ist nicht einfach. Die Bahnreise führt durch die Gebiete des Verkehrsverbunds Hegau-Bodensee (VHB) und Waldshuter Tarifverbunds (WTV). Und klar: Es geht überdies durch die Schweiz, durch das Gebiet des Kantons Schaffhausen, wo der Ostwindtarif (OTV) gilt.
Der einfache Baden-Württemberg-Tarif
Für die Strecke gibt es mehrere Optionen. Tatsächlich gibt es einen einfachen Tarif, den Baden-Württemberg-Tarif (bwtarif). Eine Monatskarte für die Strecke Gottmadingen-Waldshut kostet 226 Euro, 188,40 Euro im Abo. Der Nachteil: Nur am Start- und Zielort kann der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) genutzt werden, um vom jeweiligen Bahnhof etwa zum Arbeitsplatz, umgekehrt nach Hause zu kommen.
Oder zwei Tickets für drei Streckenabschnitte
Möchte man in den Verbundgebieten (am Start- oder Zielort) flexibel bleiben, muss man eine andere Option wählen. Mit einem Ticket ist das nicht mehr zu meistern. Für die Fahrt von Gottmadingen nach Waldshut bedeutet das: Ich kaufe eine Fahrkarte des VHB, eine Kombikarte, die die vier nötigen Schweizer Zonen beinhaltet, und eine Karte des WTV. Die Preise: 176 Euro für das Monatsticket für zwei Zonen im VHB und vier Ostwindzonen sowie 63,70 Euro für zwei Zonen im WTV. Die Monatskarte für alle WTV-Zonen kostet 73 Euro.

Zusammen kosten die Monatstickets dann 239,70 beziehungsweise 249 Euro. Würde man über den WTV hinaus ins Gebiet des Regioverkehrsverbunds Lörrach (RVL) pendeln, käme ein Aufschlag von 22 Euro für die angrenzende RVL-Zone hinzu. Die reicht bis Grenzach-Wyhlen. Nach Basel käme man mit dieser Kombination nicht mehr.
Trotzdem: Viel billiger als mit dem Auto fahren
Immerhin: Für die Reise von Gottmadingen nach Waldshut brauche ich nur zwei Monatstickets, wenn ich in Waldshut und Umgebung im ÖPNV flexibel sein möchte. Man sollte aber aufpassen, dass man dem Schaffner jeweils die richtige Karte zeigt. Aber in allen Fällen über 200 Euro – das ist schon ein Batzen, wohlgemerkt immer noch viel billiger als das Auto.

Was ist nun mit einer Nachfolgeregelung?
Warum ist es so teuer, wenn die Reise durch die Schweiz führt? Und: Ist eine einfache Karte, vergleichbar mit dem Neun-Euro-Ticket, nicht möglich? Gibt es Pläne, das zu ändern?
Das Landesverkehrsministerium schreibt auf SÜDKURIER-Nachfrage: „Grundsätzlich werden Tarife unter Berücksichtigung der Kosten der Verkehrsunternehmen in den Verbundgremien beschlossen und der Dienstleistung ÖPNV ein Wert beigemessen.“ Würden Tarifabsenkungen gewünscht, müssen den Verkehrsunternehmen ein Ausgleich der damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile gewährt werden.
In der Regel würden solche Tarifabsenkungen politisch gewünscht und durch die öffentliche Hand ausgeglichen. Aufgrund der knappen Haushaltsmittel sei das nicht überall möglich.
Das sind die Ergebnisse einer Marktforschung zum Neun-Euro-Ticket:
Eine einheitliche Lösung hängt von vielen Faktoren ab
Immerhin: Eine Nachfolgeregelung für das Neun-Euro-Ticket wird rege diskutiert. Dazu schreibt die Pressestelle des Ministeriums weiter: „Deren Ausgestaltung hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Zum Beispiel von den Anforderungen an rechtliche, finanzielle und organisatorische Rahmenbedingungen einer angestrebten einheitlichen (bundesweiten) Lösung.“
Wie lässt sich das in bestehende Tarifangebote integrieren?
Es stelle sich überdies die Frage, wie eine Nachfolgereglung in bestehende Tarifangebote integriert werden könne. „In Gesprächen vertritt das Land Baden-Württemberg die Position, dass die Lehren aus dem Neun-Euro-Ticket in eine Folgeregelung fließen müssen“, so die Landesbehörde. Dabei müsse die Grundfinanzierung für ein attraktives ÖPNV-Angebot gesichert sein. Zum anderen würden faire, soziale und einfache Tarife gebraucht. Dabei sei eine verlässliche, öffentliche Finanzierung notwendig, die nicht allein von den Ländern geleistet werden könne.
Die Verbünde haben fast für jeden ein Angebot
Ungeachtet dessen bieten die Verbünde günstige Tarife an – für alle Lebenssituationen. Schüler, Berufstätige, Familien, Urlauber finden das passende Angebot. „Wir bilden den Großteil der Fälle ab“, sagt WTV-Geschäftsführer Sebastian Nieselt im Telefongespräch mit dem SÜDKURIER, „aber jedes individuelles Bedürfnis abzufedern, ist schwierig.“
Lars Wagner, Sprecher des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), sagte kürzlich: „Ein komplizierter Tarif ist ein fairer Preis.“

Jenseits der Grenze in Erzingen gelten eben andere Tarife
Der WTV kooperiert mit dem RVL, es gibt ebenso günstige Angebote für Pendler in die Schweiz. Aber im Osten nach dem Grenzübertritt in Erzingen gelten eben andere Tarife. Nieselt: „In der Schweiz ist man in anderen Sphären unterwegs, da stecken andere Kosten dahinter.“
Das Gros der Kunden pendle innerhalb des Landkreises Waldshut, also im WTV-Gebiet, vielleicht noch ins Gebiet des RVL oder in die angrenzende Schweiz, im Kanton Aargau. Darüber hinaus? Vielleicht bin ich da ein seltener Fahrgast.