Ein an Gemeinderäte, Vereinsvorsitzende und Amtsträger adressiertes Schreiben sorgt in Lauchringen für Wirbel und Empörung. Der zweiseitige Brief des anonymen Verfassers richtet sich gegen die regierenden Parteien, allen voran gegen die CDU und ihre lokalen und regionalen Vertreter, sowie gegen die aktuelle Corona-Politik. Das Makabere an dem Schreiben: Als Absender wird der 2016 verstorbene Alt-Bürgermeisters Bertold Schmidt genannt, der Gründungs- und Ehrenmitglied des CDU-Ortverbands Lauchringen war. Seine Hinterbliebenen verurteilen das Schreiben aufs Schärfste, wollen aber vorerst keine Anzeige erstatten. „Das wäre nicht im Sinne meines Vaters. Außerdem wollen wir dem Verfasser keine Plattform bieten“, erklärt Susanna Heim, Tochter von Bertold Schmidt, gegenüber dieser Zeitung.

Stattdessen werde die Familie des durch den Brief verunglimpften Alt-Bürgermeisters eine Stellungnahme im Mitteilungsblatt der Gemeinde veröffentlichen, kündigt Heim an. Darin heißt es: „Wir als Familie des Verstorbenen empfinden den Missbrauch des Namens Bertold Schmidt als pietäts- und respektlos. In dem Schreiben werden Worte und Gedanken verwendet, die der Verstorbene in einem Interview mit dem SÜDKURIER zum Ende seiner Amtszeit als Bürgermeister formuliert hatte. Nun werden sie von den anonymen Schreibern für ihre Zwecke instrumentalisiert und verfälscht.“

In dem Brief, der als Kopie der Redaktion vorliegt, leugnet der anonyme Verfasser die Existenz von Corona und listet vermeintliche Verfehlungen der CDU bei der Pandemie-Bekämpfung auf. „Die heutige CDU ist nicht mehr meine CDU und ich distanziere mich vollumfänglich von ihr“, schreibt der falsche Bertold Schmidt und geht mit lokalen Parteivertretern wie Felix Schreiner und Lauchringens Bürgermeister Thomas Schäuble hart ins Gericht. Susanna Heim betont gegenüber dieser Zeitung, dass ihr Vater zu den im Brief genannten Politikern ein gutes Verhältnis gehabt habe. „Erst recht zu seinem Nachfolger Thomas Schäuble.“

Ortsvorsitzender Felix Schreiner, Bertold Schmidt als Gründungsmitglied der Lauchringer CDU und Altbürgermeister sowie der frühere ...
Ortsvorsitzender Felix Schreiner, Bertold Schmidt als Gründungsmitglied der Lauchringer CDU und Altbürgermeister sowie der frühere Ministerpräsident Erwin Teufel (von links) beim 50. Jubiläum des CDU-Ortsverbands Lauchringen in der Gemeindehalle Oberlauchringen im Jahr 2013. (Archivbild) | Bild: Büro Felix Schreiner

Dieser äußert sich in einer Stellungnahme zu dem Schreiben: „Es bestürzt mich, dass es Menschen gibt, die vor nichts mehr zurück schrecken. Ein solches Handeln ist nicht nur strafbar, sondern insbesondere für die Familie des Verstorbenen tief verletzend.“ Schäuble weiter: „Es ist erschreckend und beängstigend, dass es Personen gibt, die um ihre Meinung kundtun zu können jede Form von Anstand verloren haben. Ich kann nur hoffen, dass der Verfasser einsehen wird, dass hier eine rote Linie weit überschritten wurde.“

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Im Gespräch mit dieser Zeitung stellt Susanna Heim klar, dass der Inhalt des Schreibens in keinster Weise der Haltung ihres verstorbenen Vaters entspreche. „Mein Vater wäre der Erste gewesen, der sich gegen Corona hätte impfen lassen“, ist sie überzeugt. „Er war ein absoluter Anhänger der Forschung“, fügt sie hinzu. Für sie und ihre Familie, darunter ihre 90-jährige Mutter, stelle der Brief eine Grenzverletzung dar.

Der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth (1937-2016).
Der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth (1937-2016). | Bild: Archiv

Mit deutlichen Worten hat auch Felix Schreiner auf den Brief reagiert, in dem der CDU-Bundestagsabgeordnete und Kandidat für die kommende Bundestagswahl namentlich angegriffen wird. „Der Wahlkampf nimmt eine neue Form der unseriösen Auseinandersetzung an. Statt sich mit Sachargumenten und offenem Visier auseinanderzusetzen, wird anonym mit Dreck geworfen. Dabei den großen Christdemokraten und verdienten Ehrenbürger der Gemeinde Lauchringen, Bertold Schmidt, zu missbrauchen, ist an Pietätlosigkeit und schlechtem Stil nicht zu überbieten. Wir erwarten, dass sich der Verfasser bekennt und bei der Familie Schmidt entschuldigt“, so der Abgeordnete.

Schreiner selbst ist einer der Empfänger des Schreibens, wie er auf Nachfrage dieser Zeitung mitteilt. Etwa 20 Rückmeldungen von weiteren Adressaten habe der CDU-Politiker erhalten. „Ich schätze, dass insgesamt über 100 im Umlauf sind“, fügt er hinzu. Schreiner zufolge wurden die Briefe mit der Post versendet. Die Umschläge seien frankiert gewesen und die Empfängeradresse sei am Computer getippt worden. Ein Absender war nicht angegeben. Im Briefkopf selbst ist „Bertold Schmidt, Küssaburgstraße 10, 79787 Lauchringen“ zu lesen. An dieser Adresse befindet sich der Friedhof von Unterlauchringen. Bertold Schmidt wurde nach seinem Tod im Alter von 81 Jahren jedoch auf dem Friedhof von Oberlauchringen beigesetzt, wie seine Tochter bestätigt.

Der verstorbene Alt-Bürgermeister Bertold Schmidt an seinem 70. Geburtstag. (Archivbild)
Der verstorbene Alt-Bürgermeister Bertold Schmidt an seinem 70. Geburtstag. (Archivbild) | Bild: Michael Neubert

Diese Unstimmigkeit und ein Fehler in der Unterschrift, mit der der anonyme Brief endet – Bertold Schmidt schrieb sich ohne H im Vornamen –, könnten Susanna Heim zufolge möglicherweise daraufhin hindeuten, dass der Verfasser nicht zwangsläufig aus Lauchringen stammen muss. „So ein genauer Kenner der Gemeinde kann er nicht sein. Die Adresslisten der Empfänger kann jeder auf der Webseite der Gemeinde einsehen“, fügt sie hinzu. Wer genau hinter dem Schreiben steckt, dazu möchte sie keine Mutmaßungen anstellen, wie sie gegenüber dieser Zeitung erklärt.

Bei der Polizei sind bis Montagvormittag keine Anzeigen gegen unbekannt eingegangen, wie Sprecher Thomas Batzel auf Nachfrage mitteilt. „Wir müssten prüfen, ob es sich um einen Straftatbestand handelt“, sagt er auf die Frage, ob die Polizei Ermittlungen im Fall des anonymen Briefes aufnehmen wird. Dazu müsste mindestens einer der Empfänger das Schreiben der Polizei weiterleiten. Auch bei der Staatsanwaltschaft ist bislang Strafanzeige erstattet worden. Aufgrund der Anfrage dieser Zeitung und des dadurch bekannt geworden Sachverhalts habe die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen einen Prüfvorgang eingeleitet, wie Staatsanwalt Michael Blozik mitteilt.

Felix Schreiner will rechtliche Schritte prüfen lassen, wie er auf Nachfrage sagt. Denn der unbekannte Verfasser beabsichtige offenbar, „mir politisch zu schaden“. Gleichwohl sehe er sich weniger in der Rolle des Leidtragenden als die Hinterbliebenen des früheren Bürgermeisters. Der Abgeordnete habe daher in einem persönlichen Gespräch mit der Familie Schmidt sein Bedauern und seine Betroffenheit über den Vorfall zum Ausdruck gebracht. „Es macht mich einfach nur traurig, dass Bertold Schmidt für solch durchsichtige Wahlkampfmanöver missbraucht wird“, erklärt er.

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