Die Albtalstraße soll angeblich die einsamste ruhigste Straße Deutschlands sein. Mancherorts im Internet wird das behauptet. Vonwegen. Richtig ist zwar, dass seit der Sperrung 2015 kein motorisierter Verkehr mehr herrscht. Aber Verkehr herrscht dort allemal – und das in vielfältiger Form. Ein bisschen was hat die Albtalstraße zeitweise von einer Partymeile, so beschreibt es uns ein regelmäßger Wanderer auf dem gesperrten Teilstück.

In einem Tunnel ist eine Lounge mit Polstermöbel eingerichtet, berichtet der Görwihler,. An einer schönen Aussichtsstelle steht das Inventar einer Gartenwirtschaft und schicke Graffities zieren mittlerweile die Tunnelwände.

Eine Party-Lounge in Tunnel 3 mit Grillstelle und Graffitikunst – hier wird wohl gerne mal gefeiert
Eine Party-Lounge in Tunnel 3 mit Grillstelle und Graffitikunst – hier wird wohl gerne mal gefeiert | Bild: privat

Selber will unser Wanderer nicht genannt werden, denn die Begehung der Strecke sei ja rechtswidrig, grinst er. Doch Bilder will er gerne zeigen.

Zum sonntäglichen Spaziergang durchs gesperrte Albtal

An Sonn- und Feiertagen trifft man zum nachmittäglichen Spaziergang allerlei Bekannte aus Görwihl, Tiefenstein, Buch, Unteralpfen oder auch Albbruck, berichtet uns der 63-jährige Mann.

Obgleich die L 154 – so die offizielle Bezeichnung – bekanntlich wegen eines Felssturzes seit acht Jahren dicht ist. Bis heute gibt es gegen diese Sperrung – aber vor allem weil nichts vorwärts geht – regelmäßig Proteste von Bürgern aus Anwohnergemeinden.

„Mein Ziel ist, dass wir die Albtalstraße wieder aufmachen können“ – Verkehrsminister Winfried Hermann bei seinem ...
„Mein Ziel ist, dass wir die Albtalstraße wieder aufmachen können“ – Verkehrsminister Winfried Hermann bei seinem Besuch im Albtal 2017 | Bild: Marijan Murat

Dabei versprach Landesverkehrsminister Winfried Hermann bei seinem Besuch im Albtal im August 2017: „Mein Ziel ist, dass wir die Albtalstraße wieder aufmachen können.“ Bislang ist sie aber zu.

Mit mehreren Verteidigungswällen gegen „Eindringlinge“ ist die L154 gesichert (Barrikade bei Tiefenstein). Dabei geht es ...
Mit mehreren Verteidigungswällen gegen „Eindringlinge“ ist die L154 gesichert (Barrikade bei Tiefenstein). Dabei geht es doch nur um eine gesperrte Straße und keinen geheimen Hochsicherheitstrakt. | Bild: privat

Viele bezeichnen die Endlos-Story als „behördliches Armutszeugnis“. Nicht zuletzt aus diesem Unmut heraus werden die amtlichen Absperrungen bei Hohenfels und Tiefenstein auch immer wieder mal „etwas gelüftet“. Wer dahinter steckt, weiß man nicht. Aber die Schlupflöcher werden gerne von vielen genutzt.

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Liebevoll geschmückt ist der Tisch auf der Albtalstraße mit Tischdecke, Windlichtern und Plastik-Blumen.
Liebevoll geschmückt ist der Tisch auf der Albtalstraße mit Tischdecke, Windlichtern und Plastik-Blumen. | Bild: privat

Straßencafé mit geschmücktem Tisch und Kinderstuhl

Auch unser Görwihler ist selber oft dort unterwegs, denn die Strecke sei gut zu laufen und biete viele wild-romantische Ausblicke ins Albtal. Wer sich ein Vesper mitbringt, könne zwischen Tunnel 4 und Tunnel 5 eine gemütliche Pause einlegen. Denn dort stehe auf der Straße, schon von weitem sichtbar, ein bestuhltes Ensemble wie in einer Gartenwirtschaft.

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Café-Ecke auf der Albtalstraße Video: privat

„Hier hat jemand seine ausrangierten Gartenmöbel bereitgestellt,“ vermutet unser Spaziergänger. Aber die Stühle seien alle noch in Schuss und durchaus nutzbar.

Liebevoll geschmückt ist der Tisch auf der Albtalstraße mit Tischdecke, Windlichtern und Plastik-Blumen.
Liebevoll geschmückt ist der Tisch auf der Albtalstraße mit Tischdecke, Windlichtern und Plastik-Blumen. | Bild: privat

„Und eine liebevolle Hand hat auch den Tisch dekoriert mit Tischdecke, Blumenvasen, haltbaren Kunststoffblümli, Laternen – richtig nett,“ beschreibt der 63-Jährige, „und ein Kinderstuhl steht auch parat.“

Sogar an einen Kinderstuhl wurde gedacht.
Sogar an einen Kinderstuhl wurde gedacht. | Bild: privat

Party in der Sessel-Lounge in Tunnel 3

Auf der Strecke sei mittlerweile nicht nur wochenends, sondern auch unter der Woche Betrieb, gerade von Freizeitsportlern werde die Strecke genutzt, berichtet der Görwihler. Als er kürzlich nachmittags unterwegs war, habe er sechs Radfahrer und einen Jogger getroffen.

Gerne wird die gesperrte Albtalstrecke auch von Radlern genutzt.
Gerne wird die gesperrte Albtalstrecke auch von Radlern genutzt. | Bild: privat

„Aber was zu späterer Stunden an Partys abgeht, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis“, schmunzelt er. Jedenfalls sehe die Lounge in Tunnel 3 recht gemütlich aus.

Kronleuchter an der Decke sorgen wohl auch zu späterer Stunde für gedämpfte Beleuchtung.
Kronleuchter an der Decke sorgen wohl auch zu späterer Stunde für gedämpfte Beleuchtung. | Bild: privat

Dafür sorge schon ein fettes Sofa, gepolsterte Sitzmöglichkeiten und zwei historisch anmutende Leuchter an der Decke. Die, so berichtet uns der Görwihler, könnten mit einem Seilzug heruntergelassen und mit Leuchtmittel versehen werden. Raffiniert. An mehreren Stellen fänden sich auch Metallschalen – eventuell für das nötige Grillgut, vermutet der Mann.

Für wen ist der Thron? Und der Besen? Übrigens: der Boden auf der Feiermeile war besenrein. Offensichtlich denkt das Party-Volk auch an ...
Für wen ist der Thron? Und der Besen? Übrigens: der Boden auf der Feiermeile war besenrein. Offensichtlich denkt das Party-Volk auch an Fußgänger und Radler. | Bild: privat

Kurios: Für Passanten liegt in der Tunnel-Lounge auch ein Gästebuch mit Kuli griffbereit, in das sich schon viele eingetragen haben.

Straßensperrung zur Förderung der Kunst? Jetzt nutzen Graffitikünstler die Wände in den Albtaltunneln.
Straßensperrung zur Förderung der Kunst? Jetzt nutzen Graffitikünstler die Wände in den Albtaltunneln. | Bild: privat

Straße wächst zu: Bald ein Biotop?

Offensichtlich war die Staatsmacht schon lange nicht mehr vor Ort. Denn von den Seiten bahnen sich Kriechgewächse ihren Weg Richtung Straßenmitte.

Von den Seiten her holt sich die Natur die Straße zurück. Wenn es so weiter wächst, darf sich die Albtalstraße vermutlich bald Biotop ...
Von den Seiten her holt sich die Natur die Straße zurück. Wenn es so weiter wächst, darf sich die Albtalstraße vermutlich bald Biotop nennen. | Bild: privat

„Ich vermute, die lassen das zuwachsen. Dann kann der Naturschutz irgendwann sagen: Die Straße bleibt zu, denn sie ist jetzt ein Biotop.“

Seit 2015 gesperrt

Das Teilstück der L 154 von Hohenfels bis Tiefenstein wurde am 26. Mai 2015 gesperrt. Grund war ein Felsblock, der den Hang herabrutsche und am Rand der Straße liegen blieb. Geologische Untersuchungen ergaben weiteres Gefahrenpotenzial. Kompliziert wurde es bei der Wahl der Sicherungsmaßnahmen. Der Naturschutz fordert naturverträgliche Felssicherung, was die Sache nicht einfacher macht. Mittlerweile ist man bei Kostenschätzungen von 27 Millionen Euro für die Sanierung eines 2,5 Kilometer langen Straßenstückes. Optimistische Perspektive: Sanierungsbeginn 2026, Öffnung frühestens 2028.

In der Party-Lounge liegt auch ein Gästebuch mit Kuli bereit. Viele haben sich schon verewigt.
In der Party-Lounge liegt auch ein Gästebuch mit Kuli bereit. Viele haben sich schon verewigt. | Bild: privat

Verletzungsgefahr: Hohe Absperrgitter

Mittlerweile hat der Fußgänger- und Radverkehr das Teilstück, wenn auch illegal, wiederbelebt. Für eine zeitweise Sperrung habe es durchaus Verständnis gegeben, berichtet unser Mann aus Görwihl, aber nicht für diesen Dauerzustand, und schon gar nicht für diese Absperrgitter, oben drauf bestückt mit großen scharfen Dornen. „Das sieht eher aus wie Guantanamo“, sagt der 63-Jährige.

Wie in Guantanamo, meint ein Passant (Barrikade bei Hohenfels). Warum das Landratsamt für die Sperrung solche verletzungsgefährdende ...
Wie in Guantanamo, meint ein Passant (Barrikade bei Hohenfels). Warum das Landratsamt für die Sperrung solche verletzungsgefährdende Verbauungen aufstellt, sei nicht nachvollziehbar. | Bild: privat

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