„Die Lage ist ernst“ – die Einschätzung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann ist ebenso kurz wie ungeschönt. Denn nachdem zwei Tage in Folge die Grenzwerte bei der Hospitalisierung und der Belegung der Intensivbetten überschritten wurde, tritt in Baden-Württemberg am Mittwoch, 17. November, die sogenannte Alarmstufe in Kraft.
Das hat vor allem für Ungeimpfte drastische Auswirkungen, denn in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens gilt damit die 2-G-Regelung und ein negativer Corona-Test genügt folglich nicht mehr, um Zugang zu erhalten. Für andere Aktivitäten tritt derweil die 3-G-Regelung in Kraft. Doch wo gilt was – und wie gehen Geschäftsleute und Veranstalter mit der Verschärfung um?
3-G beim Shoppen: Einzelhandel befürchtet erneut katastrophales Weihnachtsgeschäft
Wer sich unter Bedingungen der Alarmstufe auf Shopping-Tour begeben will, muss nachweisen, dass er geimpft, genesen, oder getestet ist. Hier genügt allerdings ein Schnelltest. Ausgenommen sind Geschäfte der Grundversorgung, Märkte im Freien sowie Abhol- und Lieferangebote.

Was dies für den Einzelhandel bedeute, macht Elisabeth Vogt, Vorsitzende des Gewerbevereins Bad Säckingen, klar: „Der Einzelhandel ist durch die Corona-Lockdowns stark geschädigt worden, steigende Internet-Käufe und geschlossene Landesgrenzen haben dies noch viel schlimmer gemacht.“ Sie gehe davon aus, dass die Internetkäufe wieder ansteigen werden, und wie Kunden wieder für die heimischen Geschäfte gewonnen werden sollten, sei derzeit nicht absehbar.
„Die Vorweihnachtszeit ist mit die wichtigste Zeit für den Handel. Ganz klar ist, dass die 3-G-Regel vor allem die Personen ohne Impfschutz vom Besuch des Geschäfts abhalten wird, wenn dieser sich vermeiden lässt“, so Vogt. Zudem steige der Aufwand für die Einzelhändler: „Jeden Kunden zu kontrollieren, ist ein sehr großer Aufwand, der fast nicht stemmbar ist.“
Vogt zeigt Verständnis für die Bemühungen, Menschen zum Impfen zu bewegen, und appelliert an alle, die geimpft werden dürfen, dies auch zu tun – auch zum Schutz für Mitmenschen. Zugleich verweist sie aber auch auf die Einschätzung des Robert-Koch-Instituts, wonach er Einzelhandel kein Treiber der Pandemie sei.
Dies hebt auch Thomas Wartner, Vorsitzender des Waldshuter Werbe- und Förderungskreises (W und F), hervor, der zugleich einräumt, dass die Lage immer schwieriger werde: „Zum einen herrscht Verwirrung, was die Kunden wieder von der Innenstadt abhalten wird. Die Ungeipmften werden noch weniger in die Stadt kommen. Auf der anderen Seite gibt es auch die Kunden, die zwar geimpft sind, aber trotzdem Angst haben und deshalb der Stadt fern bleiben.“ Das seien überaus bedenkliche Aussichten auf das Weihnachtsgeschäft, das schon im vergangenen Jahr aufgrund des Lockdowns ab Anfang Dezember für den Handel „eine Katastrophe“ gewesen sei und bis zu 50 Prozent Umsatzeinbußen gebracht habe. Für Thomas Wartner steht fest: „Verheerende Aussichten, wenn man sich eine attraktive und lebendige Innenstadt wünscht.“
Dem schließt sich auch Zara Tiefert-Reckermann, Vorsitzende der Tiengener Aktionsgemeinschaft, an: Nachdem überall Hygienekonzepte entwickelt und umgesetzt worden, die Einkaufen zu einem sicheren Erlebnis machten, seien erneute Verschärfungen gerade für den Einzelhandel nur schwer nachvollziehbar, sagt sie. Ganz abgesehen davon sei nicht klar, wie diese gestemmt werden sollten.
Nikola Kögel, Geschäftsführerin der Tiengener Aktionsgemeinschaft, geht sogar noch weiter: „Ich bin mittlerweile verzweifelt, weil es für uns Händler schwer ist, das alles umzusetzen. Irgendwann werden die Läden und Städte dann so leer sein, dass wir auch keine Kontrollen mehr brauchen.“ Es seu das zweite Weihnachtsgeschäft, das unter erschwerten Bedingungen stattfinden müsse, und die sorgen nehmen zu, „weil auch die Reserven langsam aufgebraucht sind“, betont die Buchhändlerin.
Wie will man dem Kundenrückgang entgegenwirken?
Der Gewerbeverein Bad Säckingen versuche, bei allen Veranstaltungen den Impfbus in die Stadt zu holen, um so die Impfbereitschaft zu fördern. Gemeinsam mit den Mitgliedsbetrieben des Gewerbevereins konnte ein Adventskalender geschaffen werden, der mit vielen Angeboten einen Anreiz zum Einkaufen in der Stadt schaffen soll. Beim Weihnachtsgewinnspiel zusammen mit dem SÜDKURIER winken viele schöne Preise, die man über Rubbellose beim Einkaufen gewinnen kann. Auch dies werde ein Anreiz sein, in Bad Säckingen einzukaufen. Gemeinsam mit der IHK prüfen der Gewerbeverein in der Aktionsgruppe Standorthelden, wie er bestimmte Kundengruppen speziell bewerben könne. Das Tourismus- und Kulturamt plant einen Weihnachtsmarkt, der auch wieder viel Frequenz in die Innenstadt bringen soll.
Um die Innenstädte lebendig zu halten, haben sich in Waldshut-Tiengen alle drei Gewerbevereine zusammen geschlossen und die Willkommens-Kampagne ins Leben gerufen. „Außerdem gibt es die Lebkuchenaktion und bisher auch noch den Weihnachtsmarkt, den wir in guter Voraussicht mit einem separaten Gastronomie-Teil auf dem Viehmarktplatz geplant haben. Jetzt werden wir sehen, wo das jetzt hingeht“, sagt Thomas Wartner vom W und F.
Und was gilt für Weihnachtsmärkte?
Pascal Murmann, Pressesprecher des Sozialministeriums, erklärt auf Anfrage des SÜDKURIER: „Auf Weihnachtsmärkten gilt in der Alarmstufe die 2-G-Regelung für Verkaufsstände, die Lebensmittel zum sofortigen Verzehr vor Ort anbieten.“ Für den reinen Warenverkauf gebe es keine Einschränkungen. Das heißt: Auch nicht-geimpfte Personen können auf dem Weihnachtsmarkt Waren einkaufen, nicht aber zum Beispiel Glühwein trinken.
Kommt die Maskenpflicht an Schulen zurück?
Pascal Murmann vom Sozialministerium informiert, dass in der Alarmstufe tatsächlich vorgesehen ist, die Maskenpflicht im Unterricht wieder einzuführen.

Was gilt für Veranstaltungen und Kultur?
Bei Veranstaltungen, wie Konzerten oder Theateraufführungen, gilt in der Alarmstufe 2-G – sowohl für den Innen- als auch den Außenbereich. „Es dürfen also nur noch Geimpfte und Genesene teilnehmen“, erklärt Murmann.

Jochen-Frank Schmidt, Geschäftsführer des Gloria-Theaters Bad Säckingen, sagt dazu: „Die gute Nachricht ist, wir können das Theater weiterhin voll besetzen.“ Große Veränderungen bringe die Alarmstufe für das Theater ohnehin nicht, denn im Gloria gilt schon seit Längerm 2-G: „Eine große Mehrheit unserer Gäste hatte sich dies gewünscht, weshalb wir sie direkt eingeführt haben, und wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht.“ Dass nun trotzdem wieder Maskenpflicht gilt, sei ein Wermutstropfen. Die kommenden Veranstaltungen seien zwar gut gebucht, die Nachfrage lasse aber trotzdem Pandemie-bedingt zu Wünschen übrig, so Schmidt. „Unser großer Vorteil ist, dass insbesondere das neue Musical bei denen, die es bereits gesehen haben, außerordentlich gut ankam und begeisterte Zuschauer sind einfach die beste Werbung,“ so der Theater-Intendant. Das Musical „Tommy Tailors Traumfabrik“ geht nun in die Verlängerung.
Was gilt für den Restaurantbesuch?
Dazu erklärt Pascal Murmann vom Sozialministerium: „Beim Kneipen- und Restaurantbesuch oder dem Aufenthalt in Spielhallen und Imbissen gilt im Innenbereich ebenfalls die 2-G-Regelung. Im Freien bleibt es bei 3-G.“ Es sei aber ein PCR-Test notwendig.

Welche Regeln gelten für Freizeitbetriebe?
Der Besuch von Freizeitparks, Sportstätten, Bäder und Saunen sind nun nur noch mit 2 G möglich. Franc Morshuis, Geschäftsführer des Thermalbads Aqualon in Bad Säckingen, betont, dass für therapeutische Dienstleistungen diese Regelung nicht gelte, für das Thermalbad und und die Sauna allerdings schon. Etwa zehn Prozent der bisherigen Besucher seien nicht geimpft und hätten sich bisher mit PCR-Tests ausgewiesen. Nun erwarte Morshuis einen leichten Rückgang der Besucherzahlen.
„Ich hoffe, dass sich immer mehr Menschen impfen lassen und uns weiterhin besuchen“, sagt er. In der Regel kämen nun die umsatzstärksten Monate des Bades, wie der Betrieb in diesem Jahr noch laufen werde sei also schwer einzuschätzen. Trotz der Regelungen kämen aber weiterhin viele Schweizer Kunden. Das Testzentrum vor dem Auqalon bleibe zwar weiterhin täglich geöffnet, habe aber mit der neuen Regelung für die Besucher des Bads keinen Nutzen mehr.
Was gilt für private Treffen?
Mit der Alarmstufe darf sich ein Haushalt mit einer weiteren Person treffen. Bei dieser Kontaktbeschränkung werden allerdings folgende Personen nicht mitgezählt: Geimpfte und Genesene sowie alle bis einschließlich 17 Jahre, sowie Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Paare, die nicht zusammen leben, zählen als ein Haushalt.
Was ändert sich im Sport?
Beim Vereinssport, im Fitness-Studio oder sonstigen sportlichen Tätigkeiten gilt laut Pascal Murmann vom Sozialministerium in geschlossenen Räumen 2-G. Im Freien gilt 3-G mit PCR-Test-Pflicht. Auch beim Joggen in der Freizeit gelten die oben genannten Kontaktbeschränkungen.
Ausnahmen all dieser Regelungen gelten für alle unter 18 Jahren sowie für alle, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können.