Drei Monate waren die Grenzen zwischen Deutschland und der Schweiz wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Doch welche Auswirkungen hatte das und was bedeutete dies konkret für die Menschen, die grenznah wohnen? Bei einem digitalen Bürgerdialog konnten Deutsche und Schweizer Bürger vom Hochrhein ihre Erfahrungen mit der Grenzschließung austauschen und diese auch an Politiker beider Länder weitergeben.
Wie es den Menschen mit den geschlossenen Grenzen ging, aber auch, welche neuen grenzüberschreitenden Ideen entstanden seien, wollten die Politiker von den Bürgern wissen. In Kleingruppen diskutierten die Teilnehmer des ersten digitalen Bürgerdialogs darüber.
Viele Maßnahmen waren schwer nachzuvollziehen
Axel Zimmermann präsentierte die Ergebnisse aus seiner Gruppe. Er selbst habe als ursprünglicher Berliner einen Rückfall in alte Zeiten erlebt. Unverständlich sei für ihn, dass die Grenzen zu den Niederlanden geöffnet waren, zur Schweiz jedoch nicht. „Viele Maßnahmen der Grenzschließungen wie die Trennung der Familien, waren schwer nachzuvollziehen“, so Zimmermann. Tino Brütsch aus dem Schweizer Laufenburg habe einen Riesen-Umweg zur Arbeit nach Schaffhausen fahren müssen und war statt 45 Minuten, dann zweieinhalb Stunden unterwegs.
Patrick Höhni hat mit seiner Gruppe diskutiert, auf was im Falle einer erneuten Grenzschließung geachtet werden solle. „Wir sehen die Grenzschließung als letzte Möglichkeit, denn Viren sind nicht grenzgebunden“, so Höhni. Seine Gruppe schlug einen Grenzkorridor vor, sodass das Nachbarland bis zu einer gewissen Abtrennung doch noch betreten werden könne. „Da Familien getrennt wurden, sind auch psychische Schäden entstanden“, so Höhni.

Fehlende Informationen
Martin Lützelschwab ärgerte sich hingegen über die Informationspolitik. „Information ist das A und O“. Vieles sei unverständlich, etwa, wenn er zwar vom Schweizer Rheinfelden nach Zürich, jedoch nicht mehr ins Badische Rheinfelden fahren durfte. „Da fehlte die nachvollziehbare Begründung“, so Lützelschwab.
Grenzschließung als Albtraum
Brigitte Weber und ihre Gruppe erlebten die Grenzschließung als „surreal, unvorstellbar und wie ein Albtraum“. Den Rhein würden sie als verbindendes Element sehen, der mit der Grenzschließung zu einem trennenden Element wurde. Für manche Schweizer Familien sei die Grenzschließung auch zu einer großen finanziellen Belastung geworden, da sie nicht mehr im günstigeren Deutschland hätten einkaufen können, so Weber. Viele kleine Geschäfte ohne Schweizer Kunden hätten Insolvenz anmelden müssen. Auch viele Produkte aus dem Nachbarland habe man vermisst. „Ich persönlich habe ja den Fenchel-Tee aus dem Migros vermisst“, erzählt Weber im Video-Chat.
Auch ihre Gruppe schlug Maßnahmen für eine mögliche erneute Grenzschließung vor: Diese sollten vor allem auf beiden Seiten des Rheins synchron laufen, die Corona-App sollte zudem in beiden Ländern funktionieren. Ein weitere Vorschlag der Bürger war eine Grenzregion-App mit allen wichtigen Informationen.
Keine Werbung für Europa
„Ich würde mir wünschen, dass Grenzschließungen zwischen solch modernen Ländern wie Deutschland und der Schweiz nie wieder nötig sind, dass man sich nicht mehr abschotten muss“, sagte Teilnehmer Jan Kobza. Auch Tino Brütsch empfand die Grenzschließung ernüchternd für ein Zusammenwachsen von Europa. „Das war keine Werbung dafür, dass ich als Schweizer Bürger Lust hätte der EU beizutreten“, so Brütsch.
Auch sei Timo Brütsch beschämt darüber, dass man das Elsass in der Krise nicht schon viel früher unterstützt habe.

Abschluss-Statements von den Politikern
Gisela Erler, Baden-Württembergische Staatsrätin, sprach sich ebenfalls gegen die Grenzschließung aus: „An diesen Grenzen darf es so etwas in einer Pandemie nicht mehr geben.“ Eine Grenzschließung sei nicht die Antwort auf die Krise, sie schlug eher ein Grundkonzept vor, das etwa Tracking-Programme enthalte.
Marion Damann, Landrätin des Landkreises Lörrach und Präsidentin der Hochrhein-Komission: „Wir haben das Bewussstsein offener Grenzen und wir müssen noch mehr unsere Gemeinsamkeiten in den Vordergrudn stellen und dafür sorgen, dass nie mehr eine Grenzschließung kommt“. Und: „Wir waren nicht vorbereitet auf die Pandemie, hatten keine Erfahrungswerte, doch nun sind wir schlauer.“ Es brauche ein einheitliches Infektionskonzept beider Länder und die Grundsätze müssten übereinstimmen. Auch die Politiker vor Ort sollten künftig bei den Gesprächen in Berlin beteiligt werden und eine Stimme bekommen, so Damann.
Der Schweizer Generalkonsul Ernst Steinmann habe eine große Betroffenheit der Bürger, aber auch Solidarität gespürt. Und für ihn sei es von großer Bedeutung, dass die Bürger zeitnah die wichtigen Informationen bekommen würden.
Vincenza Trivigno, die Aargauer Staatsschreiberin sagte: „Die Grenzschließung hat uns vor Augen geführt, dass wir eigentlich gar keine Grenze mehr haben, im Alltag ist sie nicht mehr da“. Dies sei eine große Errungenschaft und habe auch etwas Gutes, dass man dies jetzt wieder mehr schätze.
Was passiert mit den Vorschlägen der Bürger?
Im ersten Online-Bürgerdialog kamen viele praktische Hinweise für eine Umsetzung zusammen, auch zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, wie etwa eine Grenzregion-App. All dies werde einfließen in die Telefonschalten mit Bundesvertretern. Das Wissen soll gebündelt an Ministerien in Berlin und die Departements in Bern weitergegeben werden.