Die Freude über die sanierte Fensterfront der Christuskirche hat für Pfarrer Joachim Kruse am Wochenende mehr als nur einen Kratzer abbekommen. Unbekannte haben mit Wucht einen Gegenstand in etwa drei Meter Höhe vom Kirchplatz aus ins Glas geschleudert. Zu sehen sind ein Loch und Sprünge in der Antikglas-Scheibe, die die historischen farbigen Glasmalereien schützt. Die Gemeinde hat Anzeige wegen Sachbeschädigung bei der Polizei gestellt. Es ist nicht die Erste, denn mit dem Gotteshaus wird nicht immer respektvoll umgegangen.
Joachim Kruse trifft nicht nur, dass materieller Schaden durch einen „fiesen Steinwurf“ entstanden ist. Der schmerzt aber auch, schließlich stecken Monate an Restaurierungsarbeit in den Fenstern, und auch Gemeindemitglieder haben dafür Geld gegeben. Es ist aber die Erfahrung an sich, dass die Kirche als Ort von Religion und Glauben für manche Zeitgenossen offenbar nicht viel bedeutet.
Solche Erfahrungen berühren das christliche Selbstverständnis der Gemeinde. Die Christuskirche gehört zu den wenigen „offenen Kirchen“ im Lande. Sie macht dies mit einem blauen Emblem an der Fassade sichtbar, vor allem aber durch täglich offene Türen zwischen 7 und 17 Uhr. Dieses Angebot nutzen Menschen zur stillen Einkehr, indem sie Platz nehmen und so Kruse eine Kerze anzünden oder sich in ein Buch eintragen. Offene Kirche setzt Vertrauen voraus in jene, die sie aufsuchen.
Gute Erfahrungen mit offener Kirche
Die Christuskirche besticht zwar durch bauliche Sachlichkeit, doch sie beherbergt auch liturgische Gegenstände von Wert im Altarraum. Kruse tröstet zwar, dass „im Großen und Ganzen gute Erfahrungen“ mit dem Angebot der offenen Kirche gemacht werden, dennoch machen negative Erlebnisse im Umgang mit kirchlichen Einrichtungen doch sehr nachdenklich, weil sie zeigen, dass die Hemmschwelle im Umgang mit Sakralem sinke.

Bei der Christuskirche setzt Joachim Kruse zwar grundsätzlich auf eine „Sozialkontrolle“ durch die Nachbarschaft rund um den Kirchplatz, der als öffentlicher Raum von vielen wahrgenommen wird und er hält auch guten Kontakt zu allen. Die Kirchengemeinde hat sich nach Einbrüchen in evangelische Kindergärten mit Schutzmaßnahmen beschäftigt, eine Überwachung des Kirchenraums aber wäre technisch wie finanziell aufwendig.
Treffen vor der Kirche
Häufig vor allem in der wärmeren Jahreszeit belagern junge Menschen in Gruppen den Eingangsbereich der Christuskirche. Manche lassen es bei ihren Treffen auch richtig krachen und drehen ihre Musik auf, ohne sich darum zu kümmern, dass sie mit dem Eingang zur Kirche einen besonderen Raum für sich in Anspruch nehmen. Kruse hat die Hotspots, zu denen er diesen Bereich mit zählt, auch schon als sachverständiges Mitglied in der Vergangenheit im Sozialausschuss zur Sprache gebracht.
Dem Jugendreferat ist dies durchaus bekannt. Außer dem Bereich an der Christuskirche gehören dazu im Stadtzentrum als Treffs für Cliquen der Karlplatz und zu später Stunde auch die Tiefgarage unter dem Rathaus. Dass jugendliche Treffpunkte in der Stadtmitte suchen und dabei auch die Stufen in die Kirche wählen, kritisiert der Pfarrer nicht, weil Aufenthaltsqualitäten fehlen. Aber Partymachen geht für ihn dort auch nicht. Er weiß vom Kirchenhausmeister, dass er schon mal junge Leute anspricht, wenn es zu hoch her geht und sich Störpotenzial entwickelt. Auch glaubt Kruse, dass die mobile Jugendarbeit mit der Rikscha, die ab und an vorbeikomme, etwas erreichen könnte.
Aufsuchende Jugendarbeit
Jugendreferent Andreas Kramer erklärt auf Anfrage, dass der Auftrag der Stadt fürs SAK in aufsuchender und akzeptierender Jugendarbeit bestehe. Das heißt, die Jugendlichen, die sich treffen, werden nicht kritisiert, sondern ein Vertrauensverhältnis mit ihnen aufgebaut. Diese Cliquen-orientierte Arbeit verteile sich im gesamten Stadtgebiet. Langfristig soll über eine Beziehungsbasis erreicht werden, dass Jugendliche sich möglichst in die bestehenden kommunalen Einrichtungen wie Jugendhäuser Tutti Kiesi, Karsau oder in Herten eingliedern.
Die mobile Jugendarbeit verstehe sich nicht „als Ordnungsdienst“ und sei nicht dazu da „aufzuräumen“ oder für Ruhe im öffentlichen Raum zu sorgen. Mit einem solchen Ansatz würde sich kein Kontakt und Vertrauen aufbauen lassen, um Werte wie Respekt zu vermitteln: „Manche Jugendliche müssen dies erst lernen.“ Für Ordnung zu sorgen, bleibt Sache der Polizei.