Vor dem Amtsgericht Lörrach wurden jüngst zwei Männer und eine Frau zu Geldstrafen verurteilt, weil sie vor zwei Jahren Polizeibeamte beleidigt, tätlich angegriffen sowie Widerstand geleistet haben sollen. Strafrichter Alex Frick stellte in seiner Urteilsbegründung fest, dass die bislang unbescholtenen Beschuldigten grundlos ausgeflippt seien.
Der Vorfall ereignete sich bereits vor zwei Jahren, am 23. Februar 2020 in der Rheinfelder Innenstadt. An diesem Tag fand die Kinderfasnacht statt, an der auch die Beschuldigten mit ihren Kindern teilnahmen. „Es war ein schöner Nachmittag“, erinnerte sich einer der angeklagten Männer, der gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinem Cousin vor Gericht stand. Am späteren Nachmittag habe man die Kinder in die Obhut der Großmutter gegeben und sei gemeinsam noch etwas trinken gegangen. „Ein paar Bierchen“, so der Geschäftsführer eines Schnellrestaurants in der Schweiz, der zum Tatzeitpunkt 1,5 Promille Alkohol im Blut hatte.
Nach dem Kneipenbesuch habe die Gruppe eigentlich etwas essen wollen, sei dann aber noch in eine weitere Gaststätte eingekehrt. Dort kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei Gruppen, an der die Angeklagten gar nicht direkt beteiligt waren.
Mehrere Passanten riefen daraufhin die Polizei, die mit zwei Streifen anrückte. Nach Aussage der beteiligten Beamten war diese Auseinandersetzung schon beendet und die Polizisten im Abrücken begriffen, als der Hauptangeklagte pöbelnd auf weitere Gäste zugegangen sei.
Platzverweis ignoriert
Ihm wurde ein förmlicher Platzverweis erteilt, an den er sich jedoch nicht gehalten haben soll. „Er kam mit erhobenen Armen auf die Kollegen zu und rief: Kommt doch her“, sagte einer der Polizisten aus. Zwei Beamte hätten daraufhin Pfefferspray gezückt und den Angeklagten aufgefordert, nicht näher zu kommen.
Als dieser dem nicht folgte, hätten sie das Spray eingesetzt. Daraufhin sei der 38-Jährige auf einen weiteren Polizisten los und habe diesem, so die Staatsanwaltschaft, mit der Faust ins Gesicht schlagen wollen. Dies misslang, stattdessen schlug der Polizist zu. Es kam zu einem Gerangel, in dessen Verlauf sich der Beamte einen Kapselriss am Daumen zuzog. „Er hat sich an meine Schutzweste geklammert“, so der Polizist. Nur mit größter Mühe habe er ihn zu Boden gebracht und saß dann auf seinem Rücken.
Der mitangeklagte Cousin des Angeklagten hatte sich mit seiner Frau schon einige Meter von der Kneipe entfernt. Als er sah, wie sein Cousin auf dem Bauch lag, sei sein Beschützerinstinkt geweckt worden. Denn der 38-Jährige hatte eine OP hinter sich, aufgrund derer er immer noch Medikamente nehmen muss.
Laut Aussage zweier Beamten soll der 35-jährige Cousin dem Polizisten mit gestrecktem Bein in den Rücken gesprungen sein. Dieser hatte nach eigenen Angaben von dem Tritt nichts gespürt; wohl auch, weil er eine Schutzweste und eine dicke Jacke getragen hatte. „Das sah übel gefährlich aus“, sagte eine Polizistin aus. Daran konnte der Angeklagte sich jedoch nicht erinnern.
Auch die Frau greift ins Geschehen ein
„Ich wollte die Person von meinem Cousin runterholen.“ Dass es sich dabei um einen Polizisten gehandelt habe, will er in dem Getümmel – die Innenstadt war zu diesem Zeitpunkt stark bevölkert – nicht gesehen haben. Daraufhin wurde auch er zu Boden gebracht, was wiederum seine Frau auf den Plan rief. Sie soll an dem Polizisten gezerrt und nach dessen Schlagstock gegriffen haben.
Die 33-Jährige behauptete, dass ihr Mann mit dem Schlagstock auf den Kopf geschlagen worden sei: „Ich wollte nur verhindern, dass er weitere Schläge auf den Kopf bekommt.“ Der beteiligte Beamte bestritt dies. „Ich habe den Einsatz des Schlagstocks nur angedroht und ihn dafür in der Hand gehalten.“
Während des Vorfalls und auch später auf der Fahrt ins Revier soll es zu mehreren Beleidigungen gekommen sein. Diese räumten die Angeklagten auch ein, ebenso den Widerstand. „Ich habe mich ungerecht behandelt gefühlt, weil ausgerechnet ich kontrolliert wurde“, so der 38-Jährige. Durch den Platzverweis habe er sich provoziert gefühlt. Zum Tatzeitpunkt hatte der Mann 1,2 Promille Alkohol im Blut.
Der Alkohol in Verbindung mit dem Pfefferspray sowie dem Faustschlag ins Gesicht durch den Beamten ließ den Verteidiger zu dem Schluss kommen, dass sein Mandant eher benommen „rumgefuchtelt“ habe und den Polizisten nicht gezielt habe schlagen wollen. Beide Männer beteuerten vor Gericht, dass sie nicht gewaltaffin seien und ihnen der Vorfall sehr leidtue.
„Ich bereue das zutiefst, das wird mir nicht mehr passieren.“Angeklagter
Der Vater eines Kindes, der seit seinem 16. Lebensjahr in der Chemiebranche tätig ist, hat ebenso wie die Mitbeschuldigten keine Vorstrafen. Den Beamten hatte er bereits kurz nach dem Vorfall ein Schmerzensgeld gezahlt.
Auch Freiheitsstrafe wäre möglich gewesen
Die Staatsanwaltschaft forderte Geldstrafen für die Angeklagten, auch Freiheitsstrafen wären möglich gewesen. Für den Haupttäter forderte sie 150 Tagessätze à 50 Euro, für seinen Cousin 120 Tagessätze à 60 Euro. „Sie wollten helfen, haben sich aber total daneben benommen“, so der Staatsanwalt. Für die 33-Jährige forderte er 90 Tagessätze à 30 Euro. Er erinnerte an die Vorfälle in Rheinland-Pfalz, wo am Montag zwei Polizisten während einer Kontrolle erschossen worden waren. Harmlose Situationen könnten plötzlich eskalieren. Allerdings sah er bei den Angeklagten „aufrichtige Reue“.
Der Verteidiger des 38-Jährigen plädierte auf 90 Tagessätze à 50 Euro für seinen Mandanten, da der gezielte Faustschlag gegen den Beamten zu bezweifeln sei.
Richter Alex Frick verhängte für den 38-Jährigen 130 Tagessätze à 50 Euro, für seinen Cousin 100 Tagessätze. Dessen Frau muss 30 Tagessätze à 30 Euro bezahlen. „Sie sind grundlos ausgeflippt“, so Frick. „Es ist ein schwerer Job, den die Beamten jeden Tag machen.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.