Rheinfelden/Schweiz Es war warm im Rheinfelder Bahnhofsaal – und es wurde teilweise hitzig diskutiert: 275 der 7646 Stimmberechtigten nahmen an der Rheinfelder Einwohnergemeinde-Versammlung teil. Bei der vorangegangenen Versammlung im vergangenen Dezember waren es 152 Personen. Das Thema, das wohl die meisten Leute anlockte, war die Initiative „Für mehr bezahlbaren Wohnraum“, hinter der die vier Ortsparteien SP, GLP, Mitte und Grüne stehen. „Der Stadtrat sorgt dafür, dass bis 2040 ausreichend bezahlbarer Wohnraum, bezogen auf die spezifische Einkommensstruktur, geschaffen wird“, verlangt das Volksbegehren.

„Das Initiativkomitee zitiert viele Studien, die alle einen Nachteil haben. Sie beziehen sich nicht auf Rheinfelden“, sagte Franco Mazzi eingangs. Der Stadtammann konnte am Mittwochabend eine Grundlagenanalyse zum Wohnungsmarkt in Rheinfelden präsentieren, welche Fahrländer Partner Raumentwicklung im Auftrag des Stadtrats erstellt hat und die erst seit Anfang Juni 2025 vorliegt. Daraus geht unter anderem hervor, dass Rheinfelden über einen relativ hohen Anteil an vergünstigten Wohnungen verfügt. Konkret sind es 4,7¦Prozent gemeinnützige Mietwohnungen sowie zehn Prozent vergünstigte Wohnungen. Weiter wies Mazzi darauf hin, dass die Marktmieten in Rheinfelden im Durchschnitt unter jenen der Region liegen. So sind in Möhlin beispielsweise 4,5-Zimmer-Mietwohnungen im Schnitt 13¦Prozent teurer als in Rheinfelden, in Zeiningen sind es gar 16¦Prozent und in Magden zehn Prozent. Rheinfelden sei hingegen bei Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern teurer. „Da 4,5-Zimmer-Altbauwohnungen im unteren Preissegment für rund 1377¦Franken zu haben sind, ist anzunehmen, dass die meisten Haushalte in Rheinfelden eine Wohnung im angemessenen Preissegment finden können“, sagte Mazzi.

Der Stadtrat erkenne das Bedürfnis, den Wohnungsmix zu überprüfen sowie Möglichkeiten einer Lenkung des Wohnraumangebots auszuloten an, erklärte Stadträtin Claudia Rohrer. Die Erarbeitung einer strategischen Wohnraumpolitik sei bereits Legislaturziel des Stadtrats. Die Initiative schieße hingegen über das Ziel hinaus. „Die Forderungen führen zu einem enormen administrativen und damit finanziellen Aufwand“, sagte Rohrer. Die Initiative berge ein großes Konfliktpotential, mit finanziellen Risiken für die Stadt. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Investoren Rheinfelden meiden und weniger in Wohnraum investieren. Konkret stelle die Initiative – falls sie angenommen würde – zum Beispiel die geplante Überbauung der freien Flächen rund um den Bahnhofsaal und den damit zusammenhängenden vergünstigten Kauf des Saals durch die Gemeinde infrage, da dort noch keine Baubewilligung vorliege. Der Stadtrat lehnt die Initiative deshalb ab. Er unterbreitete einen Gegenvorschlag, mit dem er beauftragt wird, im Rahmen der laufenden Gesamtrevision der Nutzungsplanung Anreize für die Schaffung von günstigem Wohnraum zu prüfen und der Gemeindeversammlung mit der Beschlussfassung zur Nutzungsplanung Bericht zu erstatten.

„Das war eine tolle Präsentation. Ich danke dem Stadtrat dafür“, sagte Tom Steiner, SP-Präsident und Mitglied des Initiativkomitees, zur vorgestellten Grundlagenanalyse. „Der Immobilienmarkt funktioniert aber nicht. Wir brauchen eine aktive Boden- und Immobilienpolitik, nicht nur ein passives Anreizsystem“, so Steiner. Anders sieht es Benjamin Steiger, designierter Stadtrat: „Bezahlbarer Wohnraum ist wichtig. Wir wissen aber nicht, was mit dieser Initiative auf uns zukommt, die Auswirkungen sind offen. Diese Initiative wäre ein Blankocheck.“ Er sprach sich deshalb dagegen aus. In eine ähnliche Richtung argumentierte Joël Lässer, ebenfalls kommender Stadtrat.

Ganz anderer Meinung ist der ehemalige Rheinfelder Bauverwalter Christian Singer: „Es ist schon viel versprochen worden. Es braucht offenbar Druck, damit etwas läuft“, plädierte er für die Initiative. Béa Bieber, Mitglied des Initiativkomitees von der GLP, betonte: „Die Initiative will gestalten, nicht blockieren. Gute Absichten brauchen einen verbindlichen Rahmen.“ Max Hänggi von der Mitte dankte dem Stadtrat ebenfalls für die Präsentation der Grundlagenanalyse, er zeigte sich aber enttäuscht, dass dies erst an der Gemeindeversammlung geschah.

Christoph von Büren, Präsident der FDP, warnte, wenn die Initiative angenommen werde, gelte sie ab sofort und würde zu einer Rechtsunsicherheit führen. SVP-Präsident Dimitri Papadopoulos ging einen Schritt weiter und sagte: „Das ist keine ernsthafte Politik, sondern billiger Populismus.“ Dem widersprach Kathrin Frey, Präsidentin der Grünen: 758 Personen hätten die Initiative unterschrieben. „Vier von sechs Ortsparteien stehen dahinter.“ Das Anliegen sei auf großes Interesse gestoßen.

Nach eingehender Diskussion folgten die Abstimmungen. In einer direkten Gegenüberstellung obsiegte der Gegenvorschlag des Stadtrats mit 165¦Stimmen über die Volksinitiative, die 72¦Stimmen erhielt. In der anschließenden Hauptabstimmung genehmigte die Versammlung den Gegenvorschlag des Stadtrats mit großer Mehrheit. Damit ist die Initiative vom Tisch, das Anliegen aber dennoch nicht.