Peter Sliwka

Unter anderem wegen gewerbsmäßigem Kokainhandel zwischen Sommer 2018 und August 2019 im deutschen Rheinfelden und drei Körperverletzungen in der Friedrichstraße hat das Landgericht Freiburg am Donnerstag einen 26-Jährigen aus Pratteln bei Basel zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Das Gericht hat die Einziehung von 35.800 Euro aus den Drogengeschäften angeordnet.

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Der Angeklagte hatte im Prozess im Rahmen einer Vereinbarung ein umfassendes Geständnis abgelegt. Ende 2018/Anfang 2019 hatte es einen deutlichen Anstieg von Drogen- und Körperverletzungsdelikten im Bereich der Friedrichstraße in Rheinfelden gegeben. Nachdem eine Zeugin mit guten Verbindungen zur Szene im Februar 2019 der Polizei wertvolle Tipps gegeben hatte, wurde die Ermittlungsgruppe „Holiday“ gegründet. Ihr gehörten zwei Schutzpolizisten des Polizeireviers Rheinfelden und Beamte der Kriminalpolizei in Lörrach an. Ihre Leitung übernahm ein Kriminalhauptkommissar des Polizeipräsidiums Freiburg.

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Die Ermittlungen erwiesen sich als ausgesprochen umfangreich. Es wurden Vertrauenspersonen und zwei verdeckte Ermittler eingesetzt. Ein Abschnitt der Friedrichstraße, in der sich damals die „König-“, die „Orient-“ und die „Sportbar“ befanden, wurde videoüberwacht. Zum Teil wurde in den Bars gefilmt, allerdings ohne Tonaufnahmen. Telefone wurden außerdem überwacht, Gespräche mitgehört und Chats mitgelesen. Der Mietwagen des 26-Jährigen wurde von den Ermittlern mit einer Innenraumüberwachung und einem GPS-Sender ausgerüstet.

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Ende August 2019 führte die Polizei in Rheinfelden eine Razzia aus. Neun Wohnungen und die drei oben genannten Bars wurden durchsucht, drei Männer wurden dabei vorläufig festgenommen. Der 26-Jährige wurde, weil in der Schweiz wohnhaft, im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens von Schweizer Kollegen am 27. August 2019 festgenommen und später nach Deutschland überstellt. Am Ende hatte die Ermittlungsgruppe mehr 60 Personen festgestellt, die gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen haben sollen.

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Der 26-Jährige aus der Schweiz ist nicht vorbestraft. Er war selbst nie drogenabhängig. Geldprobleme und das Automatenspielen hatten ihn, folgt man seiner Aussage, auf die schiefe Bahn gebracht. Damals war er verlobt mit einer Frau, die wiederum verwandt mit dem faktischen Betreiber der Bars in der Friedrichstraße war. Offiziell führten jedoch Strohmänner die Bars.

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Die Ermittlungen ergaben, durch das Geständnis des 26-Jährigen bestätigt, dass dieser Kokain in der Schweiz und in Frankreich durch die Vermittlung eines weiteren Mannes beschafft hatte, der damals in der Nähe der Friedrichstraße ein Zimmer bewohnte. Er hatte sich rechtzeitig ins Ausland absetzen können. Mit einem internationalen Haftbefehl gesucht, sei er am 1. Juni 2020 in England festgenommen worden, sagte ein Fahnder aus.

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Der Angeklagte schmuggelte Kokain über die alte Rheinbrücke in Rheinfelden nach Deutschland, stiftete einen Bekannten zu einer Kurierfahrt an. Er verkaufte über Monate Kokain an einen Bundeswehrsoldaten im Krankenstand, der seit einem Auslandseinsatz an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Dessen monatlicher Sold von 2400 Euro war für Kokain zum Eigenkonsum verwendet worden. 15 Kokainkunden des 26-Jährigen konnte die Polizei identifizieren. Dabei ging es jeweils um Mengen zwischen ein und zehn Gramm. Vertrauenspersonen und verdeckten Ermittlern verkaufte der 26-Jährige ebenfalls nichtsahndend Kokain. Zu einem kiloschweren Geschäft, wie angeboten, ist es aber nicht gekommen.

Freilassung gegen Kaution

Bereits am 24. August 2019 war der 26-Jährige mit einem Begleiter in Rheinfelden erstmals festgenommen worden. Er war observiert worden, wie er zu seinem Lieferanten in der Nähe der Friedrichstraße gegangen und mit einer ausgebeulten Hosentasche wieder herausgekommen war. Sein Mietwagen wurde daraufhin beim Hafen gestoppt. Auf dem Rücksitz lag ein Päckchen mit 218 Gramm Kokain. Gegen eine Kaution wurde der Haftbefehl gegen den 26-Jährigen außer Vollzug gesetzt. Das Geld für die Kaution musste er sich zusammenleihen. Unter anderem bei einem Pfarrer in Pratteln. Ihm hatte er vorgelogen, unverschuldet in Geldnot geraten zu sein und deshalb seine Miete nicht mehr zahlen zu können. Der Pfarrer half mit 800 Euro aus.

Drei Körperverletzungen

Der 26-Jährige hat auch gestanden, an drei Körperverletzungen beteiligt gewesen zu sein. Jedes Mal war je ein Mann von bis zu vier Männern vor den Bars in der Friedrichstraße zusammengeschlagen worden. Einer so heftig, dass ihm in einer Notoperation die Milz entfernt werden musste. Er soll 3000 Euro Schulden nicht an den kreditgebenden Barbetreiber zurückbezahlt haben. Für den Staatsanwalt eine klare Strafaktion. Ein 18-Jähriger wurde geschlagen, weil er mit seinem aufgemotzten BMW auf der Friedrichstraße auftauchte. Das soll dem Sohn des Barbetreibers nicht gefallen haben. „Der hatte diesen Teil der Straße als sein Königreich angesehen“, erklärte der Leiter der Ermittlungsgruppe.

Die Vereinbarung

Der Prozess dauerte dank einer Vereinbarung der Prozessbeteiligten satt sechs nur drei Tage. Dem 26-Jährigen war vom Gericht eine Strafe zwischen vier Jahren und zehn Monaten und fünf Jahren und sechs Monaten als Gegenleistung für ein umfassendes Geständnis zugesagt worden. Gegen das Urteil kann binnen einer Woche Revision eingelegt werden.