Es war auch in Südbaden mitten in der Nacht, als das Erdbeben in der Südosttürkei und in Syrien alles erschütterte. Die Katastrophe, die in der Region im östlichen Mittelmeer Stand Donnerstag mehr als 16.000 Menschen das Leben kostete und Tausende weitere obdachlos machte – sie lässt auch hier keinen kalt.

Bereits am Montag laufen Sammelaktionen an

Vor allem unter den Türken und türkischstämmigen Deutschen hierzulande erwachte sofort die Solidarität, der sich schnell viele Südbadener anschlossen. In Rheinfelden und Schopfheim liefen noch am Montag großangelegte Sammelaktionen an, koordiniert in den beiden Moscheen und von vielen Freiwilligen.

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Dienstagabend, Belchenstraße Schopfheim, Gewerbegebiet. Hier, in der „Hanf-Union“, ist die Türkisch-Islamische Gemeinde e.V. untergebracht, die hier unter dem Dach der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) die Moschee beziehungsweise den Gebetsraum der türkischstämmigen Muslime in der Stadt unterhält.

„Du kannst gleich mit anpacken“, sagt Cihan Arslan aus dem Vorstand des Vereins. Er wuchtet gemeinsam mit Erol Cam, Kemal Göktas, Emrah Can und Ahmed Ak aus dem Verein große Kartons ins Innere. Drinnen werden die Kisten von weiteren Helferinnen und Helfern in Empfang genommen.

Im Rheinfelder Gewerbegebiet Schafmatt sammeln Helfer gespendete Waren und bereiten sie zum Weitertransport vor.
Im Rheinfelder Gewerbegebiet Schafmatt sammeln Helfer gespendete Waren und bereiten sie zum Weitertransport vor. | Bild: Stefan Ammann

„Einfach hier draufstellen“, sagt eine Frau. Die Damen packen die Kartons aus, sortieren und beschriften den Inhalt und packen die Hilfsgüter aus der ganzen Region dann wieder ein. Jeder Karton muss einzeln geöffnet und der Inhalt genau erfasst werden für die Frachtpapiere. Damit wird unnötige Bürokratie an den vielen Grenzen auf dem Balkan vermieden, denn die Fracht wird dringend gebraucht.

Lkws in drei Tagen im Katastrophengebiet

Mehr als 200 Kartons sind seit Montag hier schon angekommen, gesichtet und dann per Transporter nach Rheinfelden gebracht worden. Dort organisiert der Schwesterverein Türkisch Islamische Gemeinde zu Rheinfelden rund um die Alperenler-Moschee den Weitertransport per Lkw in Richtung Türkei. „Ein erster Lkw ist am Montag schon abgefahren“, erzählt Cihan Arslan. „Wenn er durchfahren kann, ist er in drei Tagen im Katastrophengebiet.“

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Innerhalb weniger Stunden ist die Hilfe in den beiden Moscheevereinen in Schopfheim und Rheinfelden am Montag angelaufen. Kein Wunder, denn die Solidarität mit den Betroffenen in dem riesigen, vom Erdbeben heimgesuchten Gebiet um die Großstädte Gaziantep, Iskenderun, Diyarbakir und Sanliurfa ist groß. „Zehn Provinzstädte sind betroffen“, sagt Erol Cam am Montag in einer Pause zwischen zwei Fuhren. „Alles Großstädte.“

Jeder kennt Betroffene

Einige der Gemeindemitglieder haben Verwandte dort. Jeder kennt Betroffene. Und einige ihrer Freunde, erzählen die Männer in einer kurzen Pause, bei Tee, mit ernsten Gesichtern, trauern um Angehörige. Und so packen sie Karton um Karton mit Hilfsgütern, vor allem warmen Kleidern, denn der Winter ist zurzeit das größte Problem für die vielen obdachlos gewordenen Menschen und Familien im Erdbebengebiet. Aber auch andere dringend gebrauchte Spenden wie Babynahrung, Hygieneartikel und mehr sollen möglichst schnell auf die Reise geschickt werden.

Ansturm der Hilfe kann kaum bewältigt werden

„Wir mussten die Annahme inzwischen stoppen“, berichtet Cihan Arslan. Die zwischenzeitlich mehr als 20 Helfer in den Räumen des Vereins in Schopfheim konnten den Ansturm kaum noch bewältigen. „Es ist enorm“, sagt Arslan. „Es kam so viel, von Türken, von Deutschen, von allen. Es ist schön, so viel Solidarität zu sehen. Jetzt sind wir fast ein bisschen überfordert. Wir müssen erstmal alles rüber kriegen.“ Mit „rüber“ meint Cihan Arslan: nach Rheinfelden, in die Römerstraße. Draußen vor dem langgezogenen Bau der Hanf-Union hält gerade ein weißer Transporter, die Männer wuchten die Kisten hinein. Dann geht es über den Dinkelberg.

Paletten mit Babynahrung, Windeln, Decken, Kleidern und Hygieneartikeln stehen auf dem Parkplatz.
Paletten mit Babynahrung, Windeln, Decken, Kleidern und Hygieneartikeln stehen auf dem Parkplatz. | Bild: Stefan Ammann

Mittwochvormittag, Römerstraße Rheinfelden, Gewerbegebiet Schafmatt. Auf einem Parkplatz herrscht reger Betrieb. Autos und Transporter bringen Hilfsgüter. Dutzende Freiwillige helfen beim Ausladen. Sie packen die gespendeten Wren auf Paletten und wickeln sie in Folie ein. Hier lässt sie die große Solidarität förmlich mit Händen greifen.

„Mehr als 100 Freiwillige da – aus allen Nationen“

Vor dem Gebäude türmen sich unzählige Kisten mit Babynahrung, Windeln, Decken, Kleidern, Hygieneartikeln und vielen weiteren Dingen des täglichen Bedarfs. Momentan herrsche gerade Annahmestopp, bis die Waren abgeholt sind, sagt eine Freiwillige. Drei Lkw seien bereits von Rheinfelden aus gestartet. Vier weitere sollen noch am gleichen Tag folgen. „Gestern waren mehr als 100 Freiwillige da – aus allen Nationen. Alle wollen helfen: Türken, Kurden, Deutsche, Rumänen, Albaner“, sagt ein Helfer: „Wir sind alle da. Jeder kann mithelfen.“

Auch viele Firmen spenden

Koordiniert wird die Hilfsaktion über Social-Media-Kanäle. Viele Freiwillige sind einfach auch spontan gekommen. Aufgerufen hat unter anderem die Türkisch-Islamische Gemeinde Rheinfelden. Die Alperenler Moschee liegt ebenfalls im Gewerbegebiet Schafmatt, gleich in unmittelbarer Nachbarschaft. Manche Gemeindemitglieder haben auch hier Familie in den Katastrophengebieten. Firmen aus der Region helfen bei der Koordination und spenden ebenfalls. So hat beispielsweise ein Baumarkt Kisten gespendet; ein anderes Unternehmen die Folie, um die Hilfsgüter einzupacken.

Wie lange die Hilfsaktion aufrecht erhalten werden muss, ist unklar – genauso wie das Schicksal von noch vielen Vermissten im Katastrophengebiet.