Rheinfelden Woher kommt der Name Grabbestei? Dazu gibt es eine jüngere und eine ältere Geschichte. Beide haben ihren eigenen Reiz, aber auch ihren Schwachpunkt. Die jüngere Theorie stammt aus der Hertener Fasnacht – insbesondere von der Grabbe-Clique. Die vertritt die Erklärung, ihr Name sei – genauso wie der Name des Felsvorsprungs – abgeleitet von den Rabenvögeln, die auf dem Rabenfels nisteten. Auf Alemannisch heißen Raben bekanntermaßen Grabbe.
Die ersten Hertener Narren und zukünftigen Grabbe fühlten sich in der Nachkriegszeit noch nicht diesem Brauchtum verpflichtet. Der Spaß stand im Vordergrund. So kreierte eine Gruppe aus zehn phantasievollen Frauen immer neue Motive und sie reihten sich zunächst als Indianer oder Rattenfänger in die Hertener Fasnacht ein. Mit ihrem Grabbe-Sujet landeten sie schließlich einen Volltreffer, denn der Grabbestei hatte schon vorher Kultstatus. Abgeseilte junge Männer bewiesen ihren Mut und Geschick beim Abholzen der Felsnase, auf der man an Fasnacht eine Flagge hisste. Ab 1964 drücken die Grabben dann der Hertener Fasnacht ihren Stempel auf. Sie bereicherten die närrischen Tage mit einem Dorfprominenten als Dorfgrabb in ihrem Nest und mit dem Hertener Narrenmarsch „Am Grabbestai“ auf dem Notenblatt.
Ein Wermutstropfen kullert trotzdem in die Narrensuppe. Denn es gibt Zweifel an dieser Erklärung. So stellte der altgedienten Hertener Jäger und Förster Bernhard Tröndle, der den größten Teil seines Lebens im Hertener Wald zugebracht hat, fest: „Ein auffällig gehäuftes Vorkommen von Grabbe am Grabbestei habe ich in all den Jahrzehnten nicht beobachten können. Eigentlich weiß jeder Hertener, wo man sie in Schwärmen sehen kann. Auf den Feldern im Tal, wo es auch hohe Bäume mit guter Rundumsicht als Übernachtungsmöglichkeit für den Rabenschwarm gibt.“
Die zweite Erklärung führt noch weiter zurück in die Ortsgeschichte bis in den Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648), als Herten noch zu Vorderösterreich gehörte. Im Jahr 1634 belagerten die Schweden die Stadt Rheinfelden auf der anderen Seite des Rheins. Die Stadt musste nach 21¦Wochen kapitulieren und wurde geplündert. Die Schweden hinterließen auch im Umland eine Spur der Verwüstung. Die Belagerer holten aus den umliegenden Ortschaften brutal alles, was ihren Bauch füllte und woran sie sonst Gefallen hatten – egal, ob im protestantischen Grenzach oder bei den kaisertreuen, katholischen Hertener. Die Dörfer um Rheinfelden mussten die Truppe ernähren, auch wenn sie selbst nichts hatten.
Aus dieser Zeit gibt es eine Legende, über die sich die aus Herten stammende Lehrerin Rosa Mehlin besondere Gedanken machte. In der Festschrift zur Einführung der neuen Volksschule Herten aus dem Jahr 1963 – also noch vor der Gründung der Grabben-Clique – schrieb sie einige Texte „Rund um den Grabbestei“. Im Text „Der Sturz vom Felsen“ wird die Sage erzählt, dass schwedische Soldaten das Weiherhaus, Sitz des Dorfvogts, ausräuberten und das Vieh schlachteten. Als ein Offizier gar über die Frau des Vogts herfiel, erstach der Vogt den Schweden. Der flüchtende Vogt rettete sich, indem er an dem Felsen schnell in eine Mulde schlüpfte. Der ihn verfolgende, ortsunkundige Reiter konnte nicht mehr abbremsen und stürzte mit seinem Pferd in den Abgrund.
Weiter schreibt Rosa Mehlin: „Lange wurde im Weiherhuus das verrostete Schwert des verunglückten Reiters aufbewahrt. Holzhauer hatten es im Walde gefunden, senkrecht unter dem Grabbestei.“ Es sei deshalb möglich, dass der vorstehende Felsen ursprünglich Rappenstein hieß und im Laufe der Zeit aus dem Rappen ein Grappen wurde, weil sich das im Alemannischen leichter aussprechen lasse. Aus einem schwarzen Pferd (Rappe) wurde also ein schwarzer Vogel (Grabbe).
Vermutlich aufgrund dieser Erkenntnisse trug 1965 das Landesvermessungsamt für den markanten Felsen zusätzlich den Begriff Rappenfels ein. Im Degerfeldener und im Hertener Wald konnte man bis vor ein paar Jahren noch Wegweiser mit der Aufschrift Rappenfels sehen. Der Schwachpunkt der Geschichte: Eine Legende mag einen wahren Kern haben, sie ist wissenschaftlich aber nur indirekt verwertbar. Hingegen ist es schon häufig vorgekommen, dass aus Legenden Namensgebungen erfolgt sind.