Frau Lauber, wie sind Sie zur Musik gekommen und was bedeutet Ihnen die Musik?
Als Dorfkind habe ich früh mit der Blasmusik angefangen und bin ganz klassisch über die Blockflöte zur Klarinette gekommen, bevor ich mit etwa zehn Jahren mit dem Klavierspielen angefangen habe. In dieser Zeit habe ich dann auch mit dem Singen begonnen. Besonders von meinem Vater, der nebenberuflich Musiker ist, aber auch von meiner Mutter, wurde ich immer unterstützt und gefördert, sodass ich mit 13 Jahren meine ersten Lieder geschrieben habe. Die Musik war also schon immer ein Teil meines Lebens, der sich stetig weiterentwickelt hat. Ich bin also eher durch einen laufenden Prozess als durch eine einzige bewusste Entscheidung zur Musik gekommen. Die Musik war für mich immer schon ein Sprachrohr und ein Weg, über Dinge sprechen zu können. Musik bietet noch mal andere Potenziale und Chancen, kommunizieren zu können, als es die Sprache allein tut.
Studieren Sie dann auch Musik?
Das hatte ich mir lange überlegt. Aber ich war auch ohne ein Studium schon stark mit der Musik verbunden und kann seit etwa zwei Jahren auch davon leben, sodass mir das nicht (mehr) zwingend nötig vorkam. Ich studiere jetzt stattdessen Soziologie, was hinsichtlich des Songwritings eine sehr gute Entscheidung gewesen ist. Denn dadurch lerne ich vieles dazu, mache Sachen anders, als ich sie früher gemacht habe und bekomme einen deutlicheren Blick für die dringlichen und gesellschaftsrelevanten Dinge in der Welt.
Sie haben zunächst eine Solo-Karriere gestartet. Wie ist diese verlaufen und wann und warum haben Sie sich entschieden, einen Partner dazu zu holen?
Ich war nach der Veröffentlichung meines Solo-Albums (Anmerkung der Redaktion: „Spreading The Love“, 2018) auf der Suche nach einem Schlagzeuger, den ich einen Monat nach dem Release des Albums mit Felix Birsner gefunden habe und der mich auch heute noch begleitet. Nach meiner Teilnahme bei einem Popkurs in Hamburg hat sich musikalisch bei mir noch mal viel getan und wir haben zusammen das Duo Willman gegründet, vom Englischen ins Deutsche gewechselt und den Stil angepasst. Man entwickelt sich auf seinem künstlerischen Weg einfach stetig weiter und findet mehr und mehr zu sich.
Worum geht es in Ihren Liedern des aktuellen Albums „100m2“ und welche Botschaft möchten Sie damit übermitteln?
Wir haben mit diesem Album eine neue Releasestrategie ausprobiert. Wir haben ab September 2020 jeden Monat einen Song veröffentlicht und das Album im August des letzten Jahres dann quasi abgeschlossen. Darin enthalten sind alle möglichen aktuellen Themen wie der Klimawandel, Rassismus oder Sexismus. Der Name des Albums verweist dabei einerseits darauf, dass wir die Lieder auf unseren 100 Quadratmetern, auf denen wir wohnen, geschrieben haben, und soll andererseits metaphorisch verdeutlichen, dass jeder Mensch nur ein bestimmtes Fenster, eine bestimmte Perspektive auf die Welt hat und daher manchmal nicht sehen kann, was darum herum passiert. So ähnlich ist auch unser Band-Name zustande gekommen: Will man oder will man nicht? Es geht also um eine aktive Veränderung, die jede und jeder Einzelne im Spielraum seiner individuellen und unterschiedlichen Kapazitäten umsetzen kann.
Was bedeutet Ihnen Ihre Auszeichnung beim deutschen Rock- und Pop-Preis?
Ehrlich gesagt haben wir gar nicht damit gerechnet, überhaupt zu gewinnen, geschweige denn in drei Kategorien. Ich bin sogar noch dagegen gewesen, uns zu bewerben, da ich dachte, dass das sowieso nicht von Erfolg gekrönt sein würde. Daher waren wir nach Bekanntgabe des Gewinns erstmal sprachlos. Gerade in der Corona-Zeit erhält man als Künstler viel weniger Feedback als sonst. Wir haben uns auch sehr geehrt gefühlt, gleich mit unserem ersten Album ausgezeichnet worden zu sein. Der Preis bedeutet uns also eine ganze Menge.
Jetzt haben Sie die Corona-Pandemie selbst ins Gespräch gebracht. Wie hat sich diese auf Ihr Leben und Ihre Tätigkeit als Künstlerin ausgewirkt?
Wir konnten in den Sommermonaten auftreten, als die Lage sich etwas entspannt hatte. Ansonsten haben wir die Zeit genutzt, um an unseren Songs zu arbeiten, die wir eben nach und nach veröffentlicht haben. Langweilig wurde uns also nie. Wir haben auch versucht, über die sozialen Medien weiterhin präsent zu sein. Aber ich würde lügen, wenn ich nicht zugeben würde, dass ich froh wäre, wenn diese Zeit vorbei ist.
Wie sieht Ihre musikalische Zukunft aus? Gibt es hierfür konkrete Pläne, von denen Sie erzählen dürfen?
Einige Konzerte sind tatsächlich in der Planung. Daneben verfolgen wir ein kleineres und ein größeres Projekt. Das kleinere bezieht sich auf unsere Ausschreibung in Kooperation mit dem Netzwerk Music BW Women, welches sich für eine gerechtere Musikbranche einsetzt. Das dazugehörige Förderprojekt nennt sich „Push your next release“. Dabei können sich drei sogenannte FINTA (das sind Frauen, inter-, non-binäre, trans- und agender-) Musiker mit Wohnsitz in Baden-Württemberg für ein Songproducing, eine Live-Session oder einen Recording-Day mit unserer Band Willman und dem Studio Session One bewerben, weil wir unsere Ressourcen teilen möchten. Solche musikalischen Aufnahmen, wie wir sie beispielsweise machen, sind ein Privileg und mit finanziellen Aufwendungen verbunden, die sich nicht jeder leisten kann. Das zweite Projekt besteht in einer Kampagne, die wir anlässlich der nationalen Aktionswoche Alkohol des Blauen Kreuzes vom 14. bis zum 22. Mai dieses Jahres starten möchten. Wir planen hierfür eine Tour durch einige Suchtkliniken in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz und einen Videodreh und möchten vor allem erreichen, dass über dieses leider oftmals stigmatisierte Thema gesprochen werden kann und es sichtbar gemacht wird. Dazu wollen wir auch über unsere Social-Media-Kanäle aufrufen.
Jetzt haben Sie bereits angedeutet, dass Sie sich für eine gerechtere Musikbranche einsetzen. Wie engagieren Sie sich konkret in diesem Bereich?
Music BW Women ist Teil von Music Women Germany, ein Netzwerk, welches versucht, durch Empowerment, Vernetzen und Workshops Gerechtigkeit innerhalb der Musikbranche zu fördern. Dazu gibt es regelmäßige Netzwerktreffen am ersten Montag des jeweiligen Monats über Zoom, sodass jeder von überall daran teilnehmen und sich direkt aktiv einbringen kann. Daneben veranstalten wir Workshops und Events und sind auch Ansprechpartner für Fragen in diesem Bereich. Diese Tätigkeiten sind ehrenamtlich.
Wenn Sie anderen Künstlern einen Tipp geben müssten, der ihnen dabei helfen soll, Ähnliches erreichen zu können wie Sie, wie würde dieser lauten?
Das wären, denke ich, mehrere Dinge. Einerseits darf man sich selbst nicht verlieren, denn innerhalb der Musikbranche gibt es viele unterschiedliche Meinungen. Man darf vor allem den negativen Kritiken nicht so viel Glauben schenken und sollte sich eher mit Menschen umgeben, die wertschätzen, was man tut. Andererseits ist es wichtig, sich zu vernetzen und mit anderen Musikern in Kontakt zu treten. Das hat gerade mir viel geholfen, sich mit Problemen nicht allein zu fühlen und sich austauschen zu können. Das ist sehr wichtig, um in der Branche Fuß fassen zu können.