Ist es Zeit für einen Richtungswechsel beim B 317-Knoten Schopfheim-Mitte? Seit mehr als 20 Jahren ruhen die Hoffnungen auf einem kreuzungsfreien Umbau („Ohr“), um Schopfheims Unfallschwerpunkt Nummer eins zu entschärfen. Doch es gibt Zweifel, dass dieses „Ohr“ je kommt. Wäre stattdessen ein Kreisel sinnvoller – auch weil viel leichter zu verwirklichen? Die Stadtverwaltung ist für die Idee offen. Das Regierungspräsidium Freiburg jedoch tritt auf die Bremse.

Er ist in der Verkehrsstatistik Jahr für Jahr Unfallschwerpunkt Nummer eins – der Knoten Schopfheim-Mitte. Daran hat auch die innenliegende Einfädelfahrbahn nichts geändert, die 2014 geschaffen wurde, um das Linksabbiegen aus der Stadt in Richtung Zell eine Spur leichter machen soll. Mehr noch: Nicht wenige empfinden das Einbiegen jetzt je nach Verkehrslage sogar noch stressiger. Nicht nur die Fahrzeuge von Zell und Abbieger aus Richtung Lörrach sind zu beachten. Auch das Einfädeln auf die ganz rechte Spur kann nach dem Auffahren auf den 160 Meter langen Extrastreifen je nach Verkehrsaufkommen die Nerven strapazieren.

Schweres Versäumnis

Dass es ein schweres Versäumnis war, nicht gleich beim Bau der Innenstadt-Umfahrung kreuzungsfreie Anschlussstellen einzuplanen, zeigte sich bald nach der Fertigstellung in den 1990er Jahren. 1999 wurde ein nachträglicher Umbau der Anschlüsse Schopfheim-West/Maulburg, Mitte und Ost (Eichen) in die Flächennutzungsplanung aufgenommen. Heute, 23 Jahre später, ist zwar das „Ohr“ Maulburg gebaut. Für das „Ohr“ Eichen indes soll erst 2023/24 das Planfeststellungsverfahren beginnen. Und für das „Ohr“ Schopfheim-Mitte ist gar nichts in Aussicht – nicht einmal ein vager Zeithorizont. Das hat Gründe: Für den Bau solcher Anschlüsse braucht es Platz. Doch daran mangelt es hier. Dazu kommen ungünstige Bedingungen durch den Hang auf der Südseite der Bundesstraße.

Der Wiechser Bernd Bellm ist fest davon überzeugt: „Das Ohr wird nie kommen.“ Die Probleme hatte er vorausgesehen – lange bevor der Anschluss gebaut war. Bereits bei der Straßenplanung Ende der 1970er Jahre forderte er in einem von der Stadt eingerichteten „Verkehrsausschuss“ Kreuzungsfreiheit. Gehör fand er nicht. Bellm ist aber kritischer Wegbegleiter geblieben. Beispiele: Auf seine Warnungen hin wurden gefährliche, scharfkantige Leitplanken auf der Brücke, die hier über die B 317 führt, durch abgerundete ersetzt. Auch setzte er sich für den Austausch maroder Holzgeländer ein. Aktuell weist er wiederholt auf eine immer tiefer werdende Schadstelle im Belag hin, in die Wasser eindringe und das ganze Bauwerk gefährden könnte.

Während er davon erzählt, jault der Motor eines unter der Brücke durchfahrenden Autos auf. Der Fahrer will von der Einfädelspur rechts hinüber wechseln. Weil das Spurende naht und ein Auto auf der Hauptfahrspur nicht Platz macht, gibt er kräftig Gas.

Stresssituationen beim Einfädeln

Solche Szenen kennt Bellm zuhauf. Oder das Gegenteil: Dass Fahrzeuge eine Vollbremsung hinlegen. Bellm hatte auch das prognostiziert. Als er von den Überlegungen für eine innenliegende Einfädelspur hörte, warnte er Behörden und Politikern eindringlich. Der mittlerweile pensionierte Mathematik- und Physiklehrer argumentiert dabei stets mit Zahlen und Logik. „Daher mache mich oft unbeliebt“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Er rechnete in einer Excel-Datei den Straßenplanern vor, weshalb eine Linkseinfädelspur mit 160 Metern problematisch sei. Für das Szenario, wonach Fahrzeuge aus Richtung Lörrach mit 75 km/h unterwegs sind und ein Fahrzeug sich auf der Einfädelspur befindet, müsse zwangsläufig entweder der Einfädler „überwild beschleunigen“, was „eine Umweltschweinerei ist“. Oder aber aus Lörrach kommende Fahrzeuge müssten fast immer bremsen. Damit sei absehbar, „dass immer wieder Stresssituationen entstehen“, schrieb er damals.

Aktuell könnten dies seiner Meinung nach durch eine bessere Beschilderung zumindest etwas reduziert werden. Gerade für Ortsunkundige sei es nicht leicht, auf Anhieb zu erfassen, dass hier das Reissverschlussverfahren angesagt sei. Auf Dauer brauche es eine richtige Lösung – das könne nur ein Kreisel sein. Ein „Ohr“ habe hier keine Chance: Zu steiles Gefälle, zu enge Kurvenradien, Rückstauprobleme – und dann ist da die Betonmauer auf der südlichen Fahrbahnseite östlich der Brücke, die hier einer Auffahrspur im Wege stehe. „Klar, man kann sie abreißen. Oder einen Tunnel bauen.“ Das aber würde extrem hohe Kosten verursachen. Für Bellm ist klar: „Die einzig sinnvolle Lösung ist ein Kreisel.“ Darauf weist er unermüdlich hin. Zeitweise schrieb er den Behörden nach jedem Unfall eine Mail. „Ein Kreisverkehr wäre hier platztechnisch denkbar, wesentlich billiger – und vor allem auf jeden Fall sicherer.“

Natürlich weiß Bellm, was ein Kreisel auch nach sich ziehen würde: Stau zu Hauptverkehrszeiten. Allerdings seien zumindest die Autos aus Richtung Lörrach durch den Kreisel in Steinen „vorsortiert“. Vor allem aber: „Ein Ohr wird es hier auch in 20 Jahren nicht geben.“ Wer sich dafür einsetze, kämpfe in seinen Augen „für die falsche Sache.“

Doch wie sehen die Stadt und die Straßenbehörde diese Idee? Die Stadtverwaltung äußert sich auf Anfrage nicht abgeneigt. Weil sich beim Anschluss nichts bewege, kämen für die Stadt mittlerweile „alle Varianten infrage, welche zu einer Verbesserung der Verkehrssicherheit führen.“ Wegen der topographisch sehr schwierigen Verhältnisse und der damit verbundenen hohen Kosten für einen Vollausbau mittels „Ohren“, könne sich die Stadtverwaltung „durchaus vorstellen, dass eine andere Lösung schneller realisierbar ist. Dies obliegt jedoch dem Straßenbaulastträger, also dem Bund.“

Die Straßenplaner beim Regierungspräsidium Freiburg aber winken ab. „Diese Leistungsfähigkeit wird am besten durch kreuzungsfreie Knotenpunkte gewährleistet, bei denen der Verkehr aus allen Richtungen ohne Behinderungen fließen kann.“ Ein gutes Beispiel dafür sei das „Ohr“ bei Maulburg. Indes habe sich in Steinen gezeigt, dass der Kreisel in verkehrsstarken Zeiten an die Grenzen der Leistungsfähigkeit komme und der Verkehr auf der B 317 stark behindert werde. „An dieser Stelle laufen die Planungen für einen kreuzungsfreien Knotenpunkt. Entsprechend ist ein Kreisverkehr am Knoten Schopfheim-Mitte keine Alternative.“