Die Städtepartnerschaft von Stühlingen mit Bellême in Frankreich hat 1980 ihren Anfang genommen. Gerne erinnert sich Günter Kurth, Ehrenbürger beider Städte und Gründungspräsident der Jumelage, an den Beginn der Freundschaft. Noch bevor die Partnerschaft offiziell wurde, flogen die Stühlinger mit drei kleinen Privatflugzeugen im April 1979 nach Frankreich. Starker Nebel machte einen Weiterflug unmöglich und die Gruppe musste eine Notlandung in Chartres hinlegen, nachdem die drei Piloten sich eine Zeit lang nur an den Telegrafenmasten und Eisenbahnschienen orientiert hatten.

Beim Wirt der Flughafenwirtschaft erfuhr die Gruppe zum ersten Mal die französische Gastfreundschaft. Rebstock-Wirt Roland Porten wurde von ihm als Kollege erkannt und erhielt die Schlüssel und damit Zugang zu allen Getränken, während der französische Wirt mit dem Fahrrad mit Hilfsmotor losfuhr, um Lebensmittel einzukaufen. Ein ebenfalls gestrandeter Schwede kam dazu, in der Rocktasche einen winzigen Hund dabei, der mit ihm bereits durch die ganze Welt gereist war. So verbrachte die Gruppe gemütlich einen halben Tag, bis der Weiterflug möglich war.
Vom Hass zur Freundschaft
Dem damaligen Bürgermeister Ernst Rees war es wichtig, dass eine echte Partnerschaft entsteht. Nicht nur Honoratioren, sondern auch die Bürger, Bauern und auch Vereine sollten Kontakt aufnehmen und diesen weiter pflegen können. Deshalb dauerte die „Verlobungszeit“ besonders lange. Zwischen der ersten schriftlichen Anfrage der Franzosen im Januar 1978 und dem Gemeinderatsbeschluss im Juni 1980 gab es genügend Treffen in beiden Ländern und vor allem Diskussionen, Befragungen und Meinungsbildungen in Stühlingen, um eine echte Partnerschaft zu ermöglichen.

Dass dieses Ziel gelungen ist, zeigen zahlreiche Beispiele aus der Jubiläumsschrift 2005 zum 25-jährigen Bestehen der Jumelage (Städtepartnerschaft). Beispielhaft sei hier die enge Freundschaft zwischen Günter Kurth und Gerard Huet, genannt. Beide Familien sind heute noch befreundet, regelmäßige Treffen und gemeinsam verbrachte Urlaube festigten dieses Band. „Sein Vater war lange in deutscher Gefangenschaft und hat da Schlimmes erfahren. Gerard Huet hat uns eingeladen auf seinen Hof. Was der Mann erlitten hat, was er erzählt hat“, Günter Kurth ist noch immer sehr bewegt bei dieser Erinnerung.

Beim ersten Treffen hatte Gerhard Huet Senior abgelehnt. Nachdem sein Sohn Gerard Huet über die entstehenden Beziehungen berichtet hatte, stimmte auch sein Vater zu, die Deutschen zu treffen. „Und dann hat er uns eine Flasche Calvados geschenkt, die haben wir heute noch“, freut sich Helga Kurth. Die erste der beiden Flaschen aus eigener Produktion wurde vom Ehepaar Kurth sparsam aufgebraucht und immer schluckweise in die fast leere Kaffeetasse gegeben, ausgeschwenkt und genossen, die zweite wird zur Erinnerung sorgsam gehütet.
Logo, Motto und Hymne
Als geeignete Werbeträger entwickelte das Partnerschaftskomitee 1980 drei Formate. Das Logo, kreiert von Helmut Heimburger, symbolisiert zwei ineinandergreifende Hände und erinnert an das Zitat von Antoine de Saint-Exupéry: „Dein Freund ist dazu da, um dich willkommen zu heißen.“ Es sollte bei allen Veröffentlichungen über partnerschaftliche Aktivitäten Verwendung finden und sämtliche Werbeträger zieren. Das Motto hatte der Gründungspräsident Günter Kurth formuliert: „Aus der Begegnung lernen. Das Machbare denken und das Denkbare machen.“

Die Hymne wurde vom Stühlinger Ehrenbürger Adolf Amann komponiert, dem damaligen Stadtkapellmeister, und beinhaltet Elemente beider Nationalhymnen. Sie ist bei der Gema registriert und wurde für weitere Städtepartnerschaften verwendet. Für den Text hatte Günter Kurth ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe abgeändert verwendet: „Vernunft fang an zu sprechen/sprießen und Hoffnung an zu blühn.“ Die französische Übersetzung stammt von Georges René Roy.
Geschenke, Briefe, roter Teppich
Zahlreiche Gastgeschenke in allen Preisklassen wurden in den vergangenen 41 Jahren von beiden Städten aus an die Freunde verteilt. Zu den ersten Geschenken von deutscher Seite gehörten eine Tanne und eine Kuckucksuhr. Die Uhr hängt noch immer im Sitzungssaal des Bellêmer Rathauses, die Tanne wurde beim Sportplatz eingepflanzt. Einen besonderen Empfang hatten bei einem der ersten Treffen die Stühlinger bereitet, als die Bellêmer mit Musik und rotem Teppich vom Bahnhof abgeholt wurden.
Zurück in die Zukunft

Die Hohenlupfenschule, damals gab es noch die Hauptschule, hatte die eigene Offset-Druckerei mit der Herstellung von Pfarrblättern und anderen Druckerzeugnissen finanziert. Günther Kurth hatte als Rektor der Hohenlupfenschule auch für die Partnerschaft gedruckt.

Zum fünfjährigen Bestehen der Partnerschaft hatten die Künstler Wolfgang Schwartz aus Ettlingen (1923 bis 2010) und Ferdi Posthuma De Boer aus den Niederlanden/Chapelle Souef bei Bellême (1930 bis 1995) Zeichnungen beider Städte angefertigt, die im Buch „Gesichter zweier Städte“ gesammelt wurden. Eine enge Brieffreundschaft zwischen Ferdi Posthuma De Boer und Günter Kurth mit 60 Briefen mündete in eine Ausstellung der künstlerisch verzierten Briefe, die nicht mehr Infos als die Postleitzahl erhielten und doch alle am gewünschten Ort angekommen waren.
Feier zum 40-Jährigen verschoben
Im Corona-Jahr 2020 war zu Pfingsten ein Austausch in Frankreich anlässlich der seit 40 Jahren bestehenden Freundschaft der beiden Städte in Bellême geplant gewesen. Wegen der Corona-Pandemie ist dies ausgefallen. Bürgermeister Joachim Burger hätte dort seinen ersten Besuch gemacht.

„Wir haben mit einem recht vollen Bus gerechnet, das Geschenk war bereits organisiert“, erklärt Margarethe Zolg, eine der drei Vorsitzenden des Stühlinger Partnerschaftskomitees, zusammen mit Monika Curtillat und Harald Kaufmann. Bereits die für Mai 2001 in Stühlingen geplante Feier anlässlich des 20-jährigen Bestehens musste wegen der in beiden Ländern verbreiteten Maul- und Klauenseuche ausfallen und wurde ein Jahr später nachgeholt.

Für 2022 wäre turnusgemäß eine deutsch-französische Fasnetfeier geplant, diese wurde schweren Herzens leider ebenfalls abgesagt. Wie es für 2023 aussieht, steht noch nicht fest. Bereits seit 1979 finden regelmäßige Schüleraustausche statt. Auch diese müssen während der Pandemie pausieren. Wie Rektor Manfred Schmider mitteilt, sind laut der Corona-Verordnung „Außerunterrichtliche und sonstige Veranstaltungen an den Schulen, mehrtägige außerunterrichtliche Veranstaltungen wie Schullandheimaufenthalte oder Studienreisen im Inland wieder zulässig. Mehrtägige Reisen ins Ausland und Schüleraustauschmaßnahmen sind hingegen weiterhin untersagt“.