Irgendwann im Sommer 1904 machte der Fabrikantensohn und Fotoamateur Albert Rupp aus Wehr einen Tagesausflug nach Todtmoos. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und besonders seit der Eröffnung des Lungensanatoriums Wehrawald im Jahr 1901 war das Wallfahrtsdorf zu einer der feinsten Adressen des Kurbetriebs im Großherzogtum Baden aufgestiegen. Es galt als das „deutsche Davos“. Durch die seit 1901 dreimal täglich verkehrende Postkutsche war Todtmoos von Wehr aus gut zu erreichen und somit ein attraktives Ziel für Tagesausflüge.
Bereits 1904 gab es den Hirschsprung im Wehratal
Bei seiner Anfahrt im Sommer 1904 fotografierte Rupp zunächst den legendären Hirschsprung. Das 119 Jahre alte Foto lässt erahnen, wie die damaligen Postreisenden die schroffe Felsenlandschaft der Wehraschlucht erfahren haben mögen. Kein Wunder, dass der Todtmooser Hotelier Wirthle auf einer Werbepostkarte für sein Hotel und Kurhaus „Adler“ bereits die Anfahrt als Erlebnis pries: „Postfahrt nach der Eisenbahnstation Wehr durch die hochromantische Wehraschlucht, deren Großartigkeit von keinem Schwarzwaldthale erreicht wird.“

Angekommen in Todtmoos, musste sich Rupp, da seine Taschenkamera kein Weitwinkelobjektiv besaß, bei der Wahl seiner Perspektive für einen geeigneten Ausschnitt entscheiden. Der bekennende Protestant ließ die katholische Wallfahrtskirche mit ihren Ständen – bis auf ein kleines Stückchen – links liegen und konzentrierte sich auf das Zentrum des Ortes mit den attraktiven Hotels und Kureinrichtungen.
Charakteristische Türmchen des Hotels Adler
Das hoch aufragende Gebäude auf der linken Seite mit den beiden charakteristischen Türmchen und der dreifenstrigen Gaube war das Hotel und Kurhaus „Adler“. Ursprünglich handelte es sich um eine einfache Gastwirtschaft mit Zimmern für die Wallfahrer. Wirthle machte daraus ein „Hotel und Kurhaus 1. Ranges“ mit vier Stockwerken, in dem sogar Großherzog Friedrich I. von Baden zeitweise eine Suite gemietet hatte.

Erste Fitness-Maschinen waren um 1900 der „letzte Schrei“
Im Zentrum des Fotos befindet sich das Hotel- und Kurhaus mit dem „Luisenbad“, das über eine eigene Heizstation mit Schornstein verfügte. Diese Kureinrichtung befand sich auf der Höhe ihrer Zeit. Sie war nach Großherzogin Luise benannt worden und bot neben den damals üblichen Wasserkuren und anderen Anwendungen sogar ein „Medico-mechanisches Zander-Institut“. Der schwedische Arzt Dr. Gustav Zander hatte um 1870 eine apparategestützte Therapie entwickelt, die als Vorläufer heutiger Fitness-Kraftmaschinen gilt. Damals war das der letzte Schrei. Sogar Kaiser Wilhelm II. trainierte an Zander-Apparaten.
Hochgepriesene Terrainkuren – Laufen an der frischen Luft
Das Hotel war mit der Wasserheilanstalt „Luisenbad“ durch eine große gedeckte Wandelhalle verbunden, die in einen offenen gemauerten Gang mündete. Der leitende Arzt Dr. G. Hülsemann wies unter anderem die Patienten und Gäste in den Gebrauch der Kraftapparate ein und erklärte auch den Nutzen der hoch gepriesenen „Terrainkuren“, die nichts weiter als Bewegung an der frischen Todtmooser Luft waren. Die „Wandelhalle und Lesezimmer stehen Jedermann zur Verfügung, sofern derselbe etwas konsumiert.“ Zum Angebot des Kurbetriebs gehörten aber auch, wie es in einer Anzeige der Illustrierten Zeitung von 1898 hieß, „Lawn-Tennis und Croquet-Plätze“. Der Kurort verfügte somit über kurz geschnittene Rasenflächen für die seinerzeit sehr populären Sportarten Krocket und Rasentennis.
Gäste kamen aus St. Petersburg, Mailand, New York
Schaut man sich die alten Kurlisten an, die aus Imagegründen alljährlich veröffentlicht wurden, so findet man nicht nur Gäste und Patienten aus den deutschen Landen. Todtmoos war eine internationale Destination. Städtenamen wie Amsterdam, Bern, Genève, London, Mailand, New York, Paris, St. Petersburg, Wien und Zürich waren der Dorfbevölkerung geläufig.
Gut möglich, dass auch Albert Rupp die Kureinrichtungen genutzt hat und mit einigen der weitgereisten Gäste ins Gespräch kam. Er sprach ja fließend Englisch und Französisch. Zumindest hat er ein brillantes Foto von Todtmoos im Jahr 1904 hinterlassen. Wie die deutlich erkennbaren Fingerabdrücke beweisen, hat er es sogar in seinem kleinen Fotolabor selbst entwickelt.