Herr Gantert, die Gemeinde Ühlingen-Birkendorf wird 50 Jahre alt. Welche Herausforderungen haben Sie in den zwölf Jahren als Bürgermeister gemeistert?

Da fallen mir zunächst die großen Themen ein: Die Flüchtlingswelle 2015/2016, die Corona-Pandemie, auf die dann sehr schnell der Ukraine-Krieg, mit erneut vielen Geflüchteten und der Energiekrise, folgte. Neben diesen weltumspannenden Herausforderungen seien die Hausarztversorgung und der immer mehr überbordende Bürokratismus ebenfalls genannt. Es ließen sich zahlreiche weitere Themen, die weniger im öffentlichen Fokus stehen, benennen.

Welche Fortschritte oder Entwicklungen in der Gesamtgemeinde können Sie als besonders erfolgreich hervorheben?

Wir haben sehr stark in die Infrastruktur investiert und damit Werte erhalten und neu geschaffen. Beispielhaft möchte ich den Breitbandausbau in allen Ortsteilen und Weilern, die Investitionen in die Wasser- und Abwasserinfrastruktur und in Schulen und Kindergärten hervorheben. Sowohl baulich als auch inhaltlich haben wir uns da sehr positiv entwickelt. Gleichzeitig haben wir unsere Verschuldung auf nahezu Null reduziert. Das ist eine sehr positive Entwicklung, die uns die notwendige Kraft für jetzt anstehende Aufgaben gibt.

Welche Rolle spielen die Bürger in Entscheidungsprozessen?

Bürgerbeteiligung geschieht bei uns auf unterschiedlichen Wegen: Durch die starken Ortschaftsräte in unseren Ortsteilen haben wir automatisch einen ständigen Austausch mit aktiven Mitbürgerinnen und Mitbürgern vor Ort. Hinzukommen die jährlichen Bürgerversammlungen in allen Ortseilen sowie auch meine Bürgersprechstunden in den Ortsteilen. Mir ist es wichtig, dass ich persönlich stets ansprechbar und erreichbar bin.

Welche Projekte oder Initiativen planen Sie für die nächsten Jahre, um die Lebensqualität in den aacht Ortsteilen weiter zu verbessern?

Gemeinsam mit dem Gemeinderat und der Verwaltung haben wir uns für die kommenden Jahre ein weiterhin straffes Programm vorgenommen. Dabei steht der Erhalt unserer Infrastruktur im Vordergrund. Wenn wir Straßen, Wasser- und Abwasserleitungen und die zahlreichen Gebäude im Schuss halten wollen, wird das viele Ressourcen binden. Neben diesem Erhalt des Bestandes möchten wir den Kindergarten in Birkendorf und die Kinderkrippe in Ühlingen ausbauen. Wir werden Baugebiete erschließen, sowohl für Wohnen als auch für Gewerbe. Auch möchten wir die Abwasserbeseitigung investieren. Hier steht insbesondere der Anschluss des Ortsteils Brenden an den relativ neuen Sammler von Berau zur Kläranlage Klettgau-West im Fokus, der wiederum die Umnutzung der Kläranlage Brenden ermöglicht. All das müssen wir auch vor dem Hintergrund knapper werdender Geldmittel sehen. Noch ist es deshalb offen, wie und wann wir das umsetzen können, was wir uns vorgenommen haben.

Thema Nachhaltigkeit: Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um die Gemeinde umweltfreundlicher und nachhaltiger zu gestalten?

Nachhaltigkeit ist wichtig. Das ist bei uns keine Modeerscheinung, sondern war bei uns schon vor meiner Zeit stets ein zentraler Aspekt. Um es in aller Kürze stichwortartig auf den Punkt zu bringen: Wenn wir bauen, bauen wir in der Regel aus Holz. Wir beheizen unsere Gemeindegebäude mit regenerativer Energie. Überall dort, wo es sich wirtschaftlich darstellen lässt, setzen wir auf PV-Anlagen. Auch bieten wir in Zusammenarbeit mit der Energieagentur Südwest kostenlose Energieberatung an. Den Waldumbau unseres mehr als 1000 Hektar großen Gemeindewaldes treiben wir aktiv voran.

Wie stellen Sie sicher, dass die unterschiedlichen Bedürfnisse der acht Ortsteile bei der Gemeindepolitik berücksichtigt werden?

Als Flächengemeinde sind wir natürlich mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Alleine schon aufgrund der Entfernungen zwischen den Ortsteilen. Aber genau das macht auch eine große Stärke und den besonderen Reiz aus: Wir sind sehr vielfältig aufgestellt und dürfen uns über großes bürgerschaftliches Engagement freuen. Mir hilft, dass ich viel in allen Ortsteilen unterwegs und somit nah dran bin. Zudem werden wir als Verwaltung durch die Ortschaftsräte sehr gut beraten. Die Mitglieder des Gemeinderates kommen – auch nach Abschaffung der unechten Teilortswahl vor einigen Jahren – aus allen Ortsteilen. Somit ist die ausgewogene Berücksichtigung der Bedürfnisse unserer Ortsteile grundsätzlich gut sichergestellt.

Welche besonderen Veranstaltungen oder Aktivitäten sind im Rahmen des 50-jährigen Jubiläums geplant?

Das Jubiläumsprogramm erstreckt sich über das ganze Jahr und über alle Ortsteile. Auf die besonderen Veranstaltungen, die mit dem Magier Chris Hill im März in Untermettigen starten, freue ich mich selbst sehr. Für den Herbst ist eine Ausstellung im Rathaus in Arbeit. Eine Wanderung und eine E-Bike Tour durch unsere Ortsteile werden ebenfalls im Herbst angeboten. Uns ist wichtig: Die Vielfalt unserer Ortsteile soll sich auch in diesem Jubiläumsprogramm wieder finden.

Welche Angebote gibt es für die Jugend in der Gemeinde, und wie wird die nächste Generation in die Gemeinschaft eingebunden?

Den Hauptteil der Jugendarbeit in unserer Gemeinde übernehmen die gut 100 Vereine und Gruppierungen in den Ortsteilen. Ob Kultur, Sport, Blaulichtorganisationen, alle zusammen bieten ein sehr vielseitiges Angebot, das Kinder und Jugendliche aus allen Ortsteilen zusammenbringt. Außerhalb der Vereine haben wir stets ein offenes Ohr für Jugendräume in ihrer vielfältigen und in der Regel selbstorganisierten Form. Junge Menschen brauchen einfach diese Treffpunkte. Unser jährliches Gemeinde-Sommerferienprogramm ist seit 2017 eine Erfolgsgeschichte.

Was tun Sie, um die wirtschaftliche Entwicklung in der Gemeinde zu fördern und neue Unternehmen anzuziehen?

Wir sind zwar kein großer Industriestandort und wollen es auch nicht sein, aber wir dürfen uns über ein breit aufgestelltes Gewerbe freuen. Von Handwerk über Gastronomie bis hin zu innovativen Unternehmen haben wir alles an Bord. Derzeit arbeiten wir an der Erweiterung unseres Gewerbegebietes. Zahlreiche Anfragen liegen uns vor und zeigen, dass der Standort Ühlingen-Birkendorf seine Vorzüge hat.

Was bedeutet Ihnen persönlich das 50-jährige Bestehen der Gesamtgemeinde, und welche Erinnerungen oder Erfahrungen verbinden Sie damit?

Das 50-jährige Bestehen der Gemeinde ist ein schöner Anlass auf Geleistetes und Errungenschaften zurückzublicken. In 50 Jahren ist einiges geschehen. Ich hatte das große Glück, dass ich mein Amt in einer sehr gut aufgestellten Gemeinde übernehmen durfte. Die „wilden Zeiten“ waren da schon vorbei.

Was hat Sie als Horheimer dazu bewogen, Bürgermeister von Ühlingen-Birkendorf mit 8 Ortsteilen zu werden?

Für mich war immer wichtig, dass ich nur in einer Gemeinde Bürgermeister sein möchte, in der ich mich wohlfühle, bei der ich den Eindruck habe, dass ich zu den Leuten und die Leute zu mir passen. Das war und ist in Ühlingen-Birkendorf der Fall. Deshalb damals die Bewerbung um das Amt, das mir nach wie vor große Freude macht.

Fragen: Ursula Ortlieb