- Mai 2010: Die drei Waldshut-Tiengener Architekten Gerold Müller, Michael Duffner und Ernesto Preiser vom Netzwerk Architektur + Management haben sich mit dem leerstehenden Rheinschloss befasst und stellen der Stadtverwaltung ihre Vision eines ab Straßenniveau mindestens siebenstöckigen neuen Turmgebäudes für Wohn- und Geschäftsnutzung vor. Eine Sanierung des Objekts aus dem Jahr 1900 halten sie von der Bausubstanz her nicht mehr für machbar. Oberbürgermeister Martin Albers, Bürgermeister Manfred Beck (beide inzwischen im Ruhestand) und Stadtplanerin Margit Ulrich (heute bei der Stadt Bad Säckingen) äußern sich positiv zu den Überlegungen. Ein potenzieller Investor für ein neues Rheinschloss ist zu dieser Zeit nicht in Sicht.
- September 2010: Der SÜDKURIER berichtet darüber, dass der bisherige Besitzer, der Waldshuter Rechtsanwalt Werner Gerspacher, das Objekt für über 500.000 Euro verkauft hat. Neuer Eigentümer wurde Bruno Stärk aus Waldshut-Tiengen. Der damals 55-jährige Handwerksmeister und Zeitarbeit-Unternehmer kündigt zunächst an, das Gebäude erhalten zu wollen.
- Dezember 2010: Der neue Eigentümer geht noch immer von einer Erhaltung aus, lässt aber auch einen möglichen Neubau offen. Laut einem Gemeinderatsbeschluss wäre ein Abriss des historischen Objekts zulässig.
- März 2011: Im Gemeinderat werden die Ergebnisse eines ersten Architekten-Wettbewerbs zum Rheinschloss vorgestellt. Die Jury bestand aus Eigentümer Bruno Stärk, OB Martin Albers und dem Architektur-Professor Andreas Theilig aus Stuttgart. Als „herausragender Entwurf“ wurde die Arbeit der Architektengemeinschaft Mössinger-Flender aus dem Kreis Waldshut präsentiert. Das Konzept sieht ein schlankes Hochhaus vor, über Straßenniveau fast doppelt so hoch wie das bestehende Gebäude, unter anderem mit Wohnungen, Büros, Gastronomie, Kindertagesstätte und Freizeiteinrichtungen. Die Planer sehen auch eine direkte Verbindung zum angrenzenden Rhein. Im Gemeinderat findet das Konzept lobende Worte, stößt aber wegen seiner Dimensionen auch auf teils heftige Kritik. Die Kosten werden vom Investor mit 15 bis 20 Millionen Euro veranschlagt.
- Mai 2011: Inhaber Bruno Stärk erklärt, dass er den von der Jury bevorzugten Entwurf im Moment nicht weiter verfolgen werde. Der Investor verweist unter anderem darauf, dass von Seiten der Stadt die maximal mögliche Höhe des Gebäudes unklar sei. Einen neuen Architekten-Wettbewerb werde es nicht geben.
- Juli 2013: Der Rheinschloss-Besitzer erklärt, dass nun doch ein zweiter Architektenwettbewerb in Vorbereitung sei. Sechs Büros würden zur Teilnahme eingeladen. Zur Realisierung nannte Stärk bereits einen Zeitplan: Spätestens zum 6. Dezember 2015 werde das neue Rheinschloss stehen.
- November 2013: Beim zweiten Architekten-Wettbewerb, mit 30.000 Euro von der Stadt bezuschusst, hat die Jury unter fünf Teilnehmern den Entwurf des Stuttgarter Büros Haas/Cook/Zemmerich ausgewählt. OB Albers zeigt sich von dem Konzept begeistert, das acht Stockwerke über und vier Geschosse am Hang unter dem Niveau der B 34 vorsieht. Neben Wohn- und Gewerbenutzung, zum Beispiel eine „Sky-Lounge“ mit Panoramablick, gehören auch eine Aussichtsplattform und eine Schiffsanlegestelle zum Entwurf.
- Dezember 2013: Um den neuen Rheinschloss-Entwurf entwickelt sich ein Urheberrechts-Konflikt, in den auch die Architektenkammer eingeschaltet wird. Die Gewinner des ersten Wettbewerbs erklären, der neue Siegerentwurf beruhe „unverkennbar“ auf ihrem Konzept. Der aus Waldshut-Tiengen stammende Architekt Martin Haas vom Stuttgarter Büro Haas/Cook-Zemmerich weist den Vorwurf zurück.
- Juni 2014: Im Gemeinderat Waldshut-Tiengen wird die Entwurfsplanung des Büros Cook/Haas/Zemmrich mit Beifall aufgenommen. Einstimmig folgte das Gremium dem Beschlussvorschlag von OB Albers, gegen das Konzept keine Einwände zu erheben.
- Mai 2015: Die Kostenschätzungen für das neue Rheinschloss liegen laut Investor nun bei 30 Millionen Euro. Stärk erklärt, mit einem Baubeginn sei in etwa einem Jahr zu rechnen. Voraussetzung für einen Start sei jedoch, dass 65 Prozent der 53 geplanten Wohn- und Geschäftseinheiten fest vermietet oder verkauft sein müssten.
- Januar 2016: Investor Stärk setzt den Rotstift an und verabschiedet sich vom Entwurf des Büros Haas/Cook/Zemmerich. Der Geschäftsmann will die Nutzfläche um mehr als zwei Drittel verkleinern. Stärk erklärt: „Tatsächlich sind das Risiko und der gigantische Aufwand für die gesamten Entstehungskosten derzeit nicht abzusehen.“ Einen Termin für die Realisierung eines reduzierten Entwurfs nennt Stärk seinerzeit auf Anfrage nicht.
- Januar 2020: Nachdem mehrere Jahre kein Projektfortschritt erkennbar war, liegt mittlerweile der vorhabenbezogene Bebauungsplan vor, den der Investor erstellen lassen muss. Bei einem Treffen mit Vertretern der Verwaltung im Stadtbauamt hat Bruno Stärk das Planwerk präsentiert. Einzelheiten zum aktuellen Rheinschloss-Projekt nennt der Gebäudebesitzer auf Anfrage nicht. In einem nächsten Schritt soll sich der Stadtentwicklungsausschuss des Gemeinderats mit dem Vorhaben befassen.
- April 2021: Investor Bruno Stärk bestätigt auf Anfrage, dass er das Neubauprojekt nicht weiter verfolgt. Statt Abriss des Rheinschlosses ist nun eine Sanierung geplant. Dabei sollen elf Mietwohnungen und ein Parkdeck entstehen. Ein entsprechender Bauantrag liegt der Stadt bereits vor.
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Rheinschloss Waldshut: Zehn Jahre Planungen und kein Ende
