Susann Duygu-D'Souza

Noch heute erinnern sich viele Waldshuter-Tiengener an den Morgen des 18. Oktober 1980: Bereits um 6 Uhr morgens rückten die Bagger einer hiesigen Abbruchfirma an, um das Waldshuter Waldschloss abzureißen und so Platz für den Bau eines neuen Landratsamtes zu schaffen. Noch zwei Tage zuvor gab es eine der bis dahin größten Demonstrationen in Waldshut mit rund 150 Teilnehmern, die sich für den Erhalt des Waldschlosses einsetzten. Einen Tag später, am 17. Oktober 1980, entschied sich der damalige Landrat Bernhard Wütz, noch einmal im Kreistag über den Erhalt des Waldschlosses abstimmen zu lassen. Doch trotz aller Proteste entschieden sich die Kreisräte für den Abbruch des Gebäudes und damit für das Landratsamt mit Sitz in Waldshut. Keine 24 Stunden später war das Waldschloss Vergangenheit.

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Bernhard Wütz erinnert sich: „Ich habe erst im Januar 1980 die Stelle als Landrat angetreten. Der eigentliche Beschluss für den Abbruch des Waldschosses fiel bereits Ende der 70er Jahre.“ Hintergrund war, dass es ein neues Gebäude für das Landratsamt geben sollte, das damals auf mehrere Standorte aufgeteilt war. Wütz weiter: „Es gab bis dahin viele Planungen, unter anderem darüber, das Landratsamt in Tien­gen an der Wutach anzusiedeln oder das Gebäude des Waldschlosses in den Neubau des Landratsamtes zu integrieren.

Dieser Ausriss zeigt das Waldshuter Waldschloss kurz vor dem Abriss 1980. Das ehemalige Brauereigebäude, das auch als Schule genutzt ...
Dieser Ausriss zeigt das Waldshuter Waldschloss kurz vor dem Abriss 1980. Das ehemalige Brauereigebäude, das auch als Schule genutzt wurde, wurde am Morgen des 18. Oktober 1980 abgerissen. | Bild: Achriv

Viele Waldshuter wollten Waldschloss behalten

Es habe viel Widerstand aus der Bevölkerung gegeben, das Waldschloss abzureißen, weshalb Wütz die Kreisräte final am 17. Oktober 1980 noch einmal abstimmen ließ. „Im Hintergrund hatte ich damals natürlich schon mit der Abbruchfirma Kontakt, das war aber damals streng geheim. Für mich stand fest, dass das Waldschloss in der Nacht auf Samstag abgerissen wird – unter der Voraussetzung, dass der Kreistag sich für einen Abriss entscheidet – was ja der Fall gewesen ist.“ Es sei im Vorfeld schon zu Haus-Besetzungen gekommen und um das zu verhindern, habe Wütz bereits alles in die Wege geleitet. „Ich kam ja damals aus Stuttgart, wo ich beim Innenministerium gearbeitet hatte. Ich kannte solche Situationen bereits und wollte verhindern, dass es eben zu noch mehr Aufstand in der Bevölkerung gekommen wäre, denn die Entscheidung stand ja nun mal fest, auch wenn ich die Proteste verstanden habe.“

Das Waldshuter Waldschloss, ein ehemaliges Brauereigebäude, das auch als Schule genutzt wurde, wurde am Morgen des 18. Oktober 1980 ...
Das Waldshuter Waldschloss, ein ehemaliges Brauereigebäude, das auch als Schule genutzt wurde, wurde am Morgen des 18. Oktober 1980 abgerissen. | Bild: Archiv

Bernhard Wütz: „Ich selbst hätte mir damals vorstellen können, das alte Waldschloss in den Neubau des Landratsamtes zu integrieren. Ich war aber froh, dass sich die Kreisräte für den Standort in Waldshut entschieden haben. Denn erst wenige Jahre zuvor gab es ja die Gemeindereform, als Waldshut und Tiengen zu einer Stadt zusammengelegt wurden. Es hätte doch die Gemüter der Waldshuter sehr bewegt, wenn die größte Behörde nach Tiengen an die Wutach gezogen wäre, was ja auch zur Debatte stand“, sagt Alt-Landrat Bernhard Wütz.

Dass der Kreis Ende der 70er Jahre ein neues Verwaltungsgebäude benötigt, ist laut Wütz allen klar gewesen. „Damals war das Landratsamt auf zwölf Gebäude aufgeteilt gewesen, wobei sich das Hauptgebäude bei der heutigen Staatsanwaltschaft befand. Es war wichtig, dass es zentral gelegen ist und so groß, dass alle Abteilungen dort Platz finden. Deshalb hielt ich die Entscheidung für ein zentrales Gebäude für absolut richtig, auch wenn ich selbst eine Lösung unter Einbeziehung des Waldschlosses favorisiert hätte. Aber die Planungen dafür waren eben auch schon abgeschlossen.“ Hätte sich der Kreistag damals umentschieden und den Standort nach Tiengen versetzt, wären etliche Gelder verloren gewesen, einschließlich der 1,2 Millionen DM, die der Kreis in den Kauf des Waldschloss-Grundstückes 1977 investiert hatte.“

Bernhard Wütz, der von 1980 bis 2006 Landrat des Kreises Waldshut war, sagt noch heute: „Das Landratsamt war für damalige Verhältnisse ein schöner Bau, das seinen Zweck erfüllt hat. Auch wenn die Waldschloss-Alternative vielleicht noch schöner gewesen wäre.“

Heute, 36 Jahre nach Fertigstellung des Landratsamtes, ist bekannt, dass das Gebäude für rund sechs Millionen Euro saniert werden muss, weil die Fassade bröckelt. An der Gebäudehülle sind es vor allem die schweren Betonstege unter den Fensterfassaden, die sich durch Wassereintritt langsam zersetzen, auch wenn sie vor Jahren schon saniert wurden. Zudem muss auch das Dach erneuert werden. Bis 2023 soll das Verwaltungsgebäude über dem Ochsenbuckel ein neues Gesicht erhalten, einschließlich Farbkonzept. Weil in den vergangenen Jahren immer mehr Sonderbehörden im Landratsamt integriert wurden, wie beispielsweise das Gesundheits- und Forstamt, wächst die Zahl der Köpfe und immer mehr Platz wird benötigt, weshalb ein Neubau geplant ist. Der Neubau soll die über die Stadt verteilten Standorte ersetzen.