Die Gastronomie ist geschlossen, es gibt keine großen Veranstaltungen. Wichtige Geschäftszweige liegen brach. Getränkehändler leiden stark unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Viele Getränke bleiben im Lager, das Haltbarkeitsdatum läuft ab. Ein großer Teil der Ware geht als Leergut an die Hersteller zurück. Die Folgen: Erhebliche Umsatzeinbußen, Kurzarbeit und Entlassungen. Wir haben mit zwei regionalen Getränkehändlern über die Situation gesprochen.

Getränkeland Wagner Tiengen:

Getränke-Betriebswirt Maximilian Wagner, Sohn des Geschäftsführers Joachim Wagner, schildert in einem Telefonat, wie sich die Lage zugespitzt hat: „Seit November ist es Monat für Monat heikler geworden. Wir haben schon für das Weihnachtsgeschäft eingekauft. In der Hoffnung, dass wieder einiges gelockert wird.“ Der Wunsch hat sich bekanntlich nicht erfüllt.

Leere Regale im Lager des Getränkelands Wagner.
Leere Regale im Lager des Getränkelands Wagner. | Bild: Rolf Sprenger

Über 18.000 Liter Bier gehen zurück

Einige der Waren des Waldshut-Tiengener Getränkehändlers seien schon im März abgelaufen. Wagner spricht von 600 Bierfässern und 40 Paletten mit anti-alkoholischen Getränken, die als Leergut zurückgehen. „Das sind über 18.000 Liter Bier“, sagt Wagner. Im April kommen nun nach seiner Beschreibung 50 Paletten dazu.

Das könnte Sie auch interessieren

Wie ein Lotteriespiel

Die Kalkulation gleicht einem Lotteriespiel. Wagner: „Wir haben das Lager nicht zum Ausverkauf an den Einzelhandel frei gegeben, nicht komplett aufgelöst. In der Hoffnung, dass die Lokale wieder öffnen dürfen. Leider ist es anders gekommen.“ Wenn die Gastronomie öffnet, darf aber nichts fehlen.

Mineralwasser weniger problematisch

Das Problem: Mit dem Fassbier könne kein Konsument etwas anfangen. Zudem könne man Ware, die einen Monat vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) liegen, schon nicht mehr zum gleichen Preis an die Endkunden verkaufen. Weniger problematisch ist beim Mineralwasser und bei Spirituosen, die mehrere Jahre haltbar sind.

Wenn die Brauereien entgegen kommen

Mitarbeiter dürfen abgelaufene Getränke mit nach Hause nehmen. „Aber leider geht ein Großteil als Leergut zurück“, beschreibt Wagner. Wenn man Glück habe, kämen die Hersteller, vor allem die Brauereien, den Händlern entgegen. Aber auf einem großen Teil bleibe man sitzen.

Einzelhandel macht alles nicht wett

Normalerweise beliefere Wagner 700 Veranstaltungen im Jahr. Seit nunmehr einem Jahr hat sich die Zahl auf rund 50 dezimiert. Nur noch Geburtstage und andere Familienfeiern werden beliefert. Wagner rechnet vor: „Wir haben eine Umsatzeinbuße von 99 Prozent im Veranstaltungsbereich.“ Bei der Belieferung der Gastronomie spricht er von 90 Prozent. Der Einzelhandel, der im Geschäft weniger als zehn Prozent ausmache, könne diese Einbußen bei Weitem nicht wett machen. Die gesamte Umsatzeinbuße beziffert Wagner mit rund 70 Prozent.

Ein Kontingent ist immer am Lager

Das Unternehmen war laut Wagner gezwungen, im Veranstaltungssektor Leute zu entlassen, der Großhandel befinde sich in Kurzarbeit. Zur Hauptsaison arbeiteten normal bis zu 55 Beschäftigte im Betrieb. Saisonarbeiter mitgerechnet. Aktuell sind es 37. „Wir versuchen, den Bestand gesund zu halten“, sagt Wagner. Und: Ein Grundstock an Getränken müsse gehalten werden, um lieferfähig zu bleiben, falls Lockerungen kommen.

Eine große Herausforderung

Wagner sieht den Getränkehandel allerdings vor einer großen Herausforderung, wenn alles wieder geöffnet wird. Brauereien füllten aktuell keine Fassware. „Wir versuchen, unsere Kunden zu sensibilisieren und Vorbereitungen zu treffen.“ Er rechnet mit einem Stau an Bestellungen.

Das könnte Sie auch interessieren

Gönner Getränke Lauchringen:

Nicht ganz so dramatisch ist die Lage laut Auskunft von Geschäftsführer Thomas Gönner in seinem Lauchringer Getränkehandel. Das Unternehmen beliefere hauptsächlich, zu rund 80 Prozent, Gastronomen und Hotelbetriebe. Dennoch spürt auch er die Folgen der Pandemie. „Es läuft 30 Prozent weniger als sonst“, sagt Gönner.

Die vollen Fässer auf dem Hof des Getränkehandels Gönner gehen wieder zurück an den Hersteller.
Die vollen Fässer auf dem Hof des Getränkehandels Gönner gehen wieder zurück an den Hersteller. | Bild: Rolf Sprenger

Fassbier ist nicht mehr zu gebrauchen

Fassbier laufe ab. Einige Brauereien seien kulant, andere nicht. Gönner habe bis jetzt viel Ware zurückgeben müssen. Man könne besonders das Fassbier nicht anderweitig verkaufen.

Auch bei Tamara Gönner und dem Getränkehandel ihres Vaters in Lauchringen ist die Lage nicht viel anders. Im Lager ist zurzeit viel Platz.
Auch bei Tamara Gönner und dem Getränkehandel ihres Vaters in Lauchringen ist die Lage nicht viel anders. Im Lager ist zurzeit viel Platz. | Bild: Rolf Sprenger

Haltbarkeitsdatum schreckt die Kunden ab

In Glas abgefüllte Getränke sind nicht das Problem. Sie seien bis zu zweieinhalb Jahre haltbar. Aber in den so genannten PET-Flaschen laufe das Getränk schneller ab. Gönner erklärt: „Die Getränke sind ja nicht kaputt, aber keiner will sie mehr, wenn sie über dem Datum sind.“

Auch Gönner ist in Kurzarbeit. Aber der Geschäftsführer sagt: „Die Frage ist, ob die Leute danach noch bei der Stange sind.“ Über die Umstellung auf Vollbetrieb sorgt er sich nicht: „Wir brauchen drei Tage Vorlauf, dann ist das Lager wieder voll.“