Diesmal begrüßte Kulturamtsleiterin Kerstin Simon den neuen Alemannischen Literaturpreisträger Christoph Keller und die neugierigen Besucher an ungewöhnlichem Ort: Keller las im Langensteinstadion in Tiengen Ausschnitte aus seinem preisgekrönten Roman „Der Boden unter den Füßen“. Dazu ergänzte er weitere Passagen aus seinem Roman „Jeder Krüppel ein Superheld“ und Gedichte – etwa von Günther Eich oder Les Murray – „Dichter, die mir thematisch viel bedeuten“.
Sein preisgekrönter Roman trägt den Untertitel „Eine Fantasie“: Keller liest an diesem strahlenden Sommertag konzentriert und deutlich. Erst im Laufe seines Vortrages erahnt man den genaueren Inhalt: Sein Protagonist Lion ist Brückenbauingenieur und hat mit seinem Bruder Leon eine Brücke gebaut, die kurz nach der Eröffnung einstürzt. Neun Menschen und ein Hund finden den Tod.
Lion beschließt daraufhin, keine Brücken mehr zu bauen und zieht sich immer mehr ins Private, in seinen Garten zurück. Dieser Garten ist ein verwunschener Ort und wird bei Keller zu einer paradiesischen Utopie. Dort erlebt Lion intensiv die Wunder der Natur, bewundert das Wachstum der Bäume und Pflanzen und begegnet zahlreichen Menschen: etwa einem neunjährigen Jungen mit rotem Luftballon oder dem Gärtner Sarhat (einem geflüchteten Kurden), auch andere Personen und Dinge tauchen auf, die sich mit ihm unterhalten oder die ihn einfach nur beschäftigen.
Man bewundert Kellers kraftvolle lyrische Sprache. Die Verknüpfungen der Textpassagen bleiben zunächst oft rätselhaft. Doch allmählich verweben sich die Texte, Bruchstellen und Spiegelungen zum großen Ganzen. Keller schreibt eine hoffnungsvolle Utopie über die heilsamen Kräfte der Natur gegen die menschliche Zerstörungswut, gegen einstürzende Brücken oder – nicht wörtlich erwähnt – Pandemien, die die Welt in Atem halten. Und man ahnt seinen ungeheuren Optimismus, den er dagegen setzt. Auf jeden Fall wurde der Wunsch wach, mehr über das Buch zu erfahren. Am Büchertisch konnte man seine Literatur erwerben und vom Autor signieren lassen. In einer Feierstunde wurde ihm am Sonntag der durch Corona mehrfach verzögerte Alemannische Literaturpreis verliehen.