Im großen Stil wird auf der Schweizer Rheinseite an einer Neuausrichtung des Verkehrskonzepts für den Bereich Zurzibiet gearbeitet. Das hat auch Auswirkungen für die deutsche Nachbarschaft, denn in diesem Zuge werden nicht nur alle Verkehrswege und Verkehrsarten genau auf Herz und Nieren untersucht. Es geht auch um die Lösung aktueller Problemstellungen über das Kerngebiet hinaus. Im Fall des Knotenpunkts Waldshut-Tiengen/Koblenz heißt das unter anderem: Der Bau einer neuen Grenzbrücke wird in den nächsten Jahren in Angriff genommen. Zwei Standorte kommen infrage. Wie die Vorstellungen der Schweizer Seite aussehen, stellten Vertreter der Verkehrsabteilung des Kantons Aargau jetzt dem Gemeinderat vor.

Hintergrund der Untersuchung

„Wir schauen bei unserer Untersuchung weit in die Zukunft bis ins Jahr 2050 und versuchen, das Verkehrssystem fit für die Zukunft zu machen“, schilderte Mattias Niedermaier, Projektleiter bei der Verkehrsabteilung.

Klar absehbar sei gemäß aller bisherigen Untersuchungen, dass der Verkehr in dieser Zeit stark zunehmen werde, wobei die Schweizer Verkehrsplaner bewusst alle Verkehrsarten vom Last- über den motorisierten Individualverkehr bis zu Fußgängern und Radfahrern in ihre Betrachtung einbeziehen und für alle diese Arten auch Verbesserungsmöglichkeiten suchen.

Der Bereich Zurzibiet sei auch nur eines von drei Teilgebieten im Ost-Aargau, die derzeit analysiert werden. Der Blick gehe dabei aber immer über das Kerngebiet hinaus – auch über die Landesgrenze, was auch Oberbürgermeister Martin Gruner und der Vorsitzende des Regionalverbands Hochrhein-Bodensee, Sebastian Wilske, als wichtigen Aspekt würdigten. Denn die benachbarten Gemeinden auf deutscher Seite seien sehr eng in die bisherigen Gespräche eingebunden.

Rheinbrücke am Rande ihrer Lebensdauer angelangt

Konkret für Waldshut-Tiengen relevant ist ein Vorhaben, das schon jetzt drängt und in wenigen Jahren dringend gelöst sein sollte: Der Situation rund um die Waldshuter Grenzbrücke. „Hier eine tragfähige Lösung zu finden, gehört zu den wichtigen Zielen der Neukonzeption“, verdeutlicht Carlo Degelo, Leiter der Abteilung Verkehr des Kantons Aargau.

Dabei sei der Handlungsdruck gerade mit Blick auf die Brücke hoch: „Das Bauwerk hat das Ende seiner Lebensdauer erreicht.“ Erbaut wurde die Brücke 1932. Trotz grundlegender Sanierung vor etwa zehn Jahren laufe die Nutzungsdauer zwischen 2035 und 2040 aus, so Degelo weiter.

Eng mit diesem Problem verknüpft ist die künftige Handhabung bei der Zollabfertigung, was in die Untersuchungen der Schweizer Seite mit einfließt.

Neuer Brückenstandort: Zwei Optionen kommen infrage

Was die Brückenfrage betrifft, sei die Notwendigkeit eines Ersatzbauwerks seit Langem unstrittig, so Carlo Degelo. In den vergangenen Jahrzehnten habe es eine ganze Reihe von Ideen und Planvarianten für einen Brückenneubau gegeben, wobei sich das ins Auge gefasste Gebiet von Dogern bis zum Obi-Kreisel zwischen Waldshut und Tiengen erstreckt habe.

Die westlichen Varianten hätten schlecht abgeschnitten, halten die Straßenplaner fest. Abgesehen von Themen wie Flächenverbrauch und Konfliktpotenzial mit der geplanten A98 zeige sich insbesondere, dass der Ursprung des Verkehrs auf deutscher Seite vor allem von Nordosten her zu sehen sei.

Geprüft werden folglich vor allem zwei Varianten: Ein Neubau in direkter Nachbarschaft zur bestehenden Rheinbrücke und ein Neubau beim Obi-Kreisverkehr. „Wir sind insgesamt auf einem guten Weg“, versicherte Degelo. Noch seien aber vertiefende Analysen notwendig, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Die Umsetzung eines Neubauvorhabens sei somit bestenfalls ab 2030 zu erwarten, so der Abteilungsleiter.

Alte Rheinbrücke soll so lange wie möglich weiter genutzt werden

Dessen ungeachtet soll auch die bestehende Grenzbrücke nicht einfach abgerissen werden, sondern es komme sowohl eine Nutzung als reiner Fahrrad- und Fußgängerübergang in Betracht, als auch eine sogenannte Kombi-Nutzung, der auch den PKW-Verkehr mit einbezieht, wie Degelo auf Nachfrage von Philipp Studinger (CDU) verdeutlichte.

So oder so: Der Grenzübergang genieße aus Schweizer Sicht eine überregionale Bedeutung. Diese werde er auch in Zukunft behalten. Mehr als die Hälfte des Schwerlastverkehrs, der die Grenze in die Schweiz an dieser Stelle passiere, verlasse die Region nämlich wieder via Autobahn oder Kantonsstraßen.

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Vereinfachung der Zollabfertigung: Ein weiter Weg

Daher wäre in diesem Zuge eine Vereinfachung der beidseitigen Zollabfertigung zur Verhinderung von Verkehrsbehinderungen wichtig. In der Verkehrsplanung kommt dies auch vor. Es ergeben sich aber ungleich größere Hürden bei den Optimierungsbemühungen in diesem Bereich, die vor allem auf den Status der Schweiz als EU-Außengrenze zurückzuführen sind.

Es gelten unter anderem beidseits des Rheins unterschiedliche Gesetze betreffend Nachtfahrverbot für Lastwagen – was auf deutscher Seite dazu führe, dass abends regelmäßig große Mengen an Fahrzeugen aufstauen, die in den Morgenstunden losfahren. Die Zollbehörden beider Länder haben Vorgaben zu erfüllen, die nicht unbedingt mit verkehrstechnischen Optimierungen zu vereinbaren sind.

Was Veränderungen bei Zollabfertigung oder rechtlichen Verfahren anbelangt, gebe es die Schwierigkeit, dass diese nicht allein von Deutschland vorgenommen werden dürften, sondern alle EU-Staaten involviert sind, erklärt Sebastian Wilske seitens des Regionalverbands: „Daher können Jahre ins Land gehen, bis hier eine Verbesserung erfolgt.“

Das erwartet die Stadt von den Projektbeteiligten

„Es ist eine Besonderheit, dass die Schweizer Seite über den eigenen Tellerrand hinausschaut und uns in solch transparenter Weise mit ...
„Es ist eine Besonderheit, dass die Schweizer Seite über den eigenen Tellerrand hinausschaut und uns in solch transparenter Weise mit einbezieht.“Martin Gruner, Oberbürgermeister Waldshut-Tiengen | Bild: Fw

Jahre werden auch noch bis zu weiteren konkreten Maßnahmen auf kantonaler Seite ins Land gehen. Die nun vorgestellte Analyse ist nur der erste Schritt des Neukonzeptionsverfahrens, das Basis für weitere Maßnahmen sein soll. In einer Stellungnahme der Stadt, die auch alle anderen an den Gesprächen beteiligten Kommunen und Behörden auf deutscher Seite unterzeichnen sollen, werden die bisherigen Untersuchungen und Ansätze begrüßt.

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Der Gemeinderat unterstütze die Zielsetzung, die eine Verbesserung und Steigerung der Zuverlässigkeit der grenzüberschreitenden Mobilität auf allen Ebenen darstelle. Eine Einbindung der deutschen Kommunen bei den weiteren Verfahrensschritten wird ausdrücklich erbeten.

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Was den Bau einer neuen Rheinbrücke anbelangt, favorisiert die Doppelstadt eine gleichrangige Vertiefung der beiden Varianten am jetzigen Brückenstandort (Bereich Mitte) und am Obi-Kreisverkehr (Variante Ost).