Der 1981 geschaffene Alemannische Literaturpreis der Stadt Waldshut-Tiengen, des SÜDKURIER Medienhauses und der Sparkasse Hochrhein interessiert gemeinhin nur die regionale Literaturszene.
Im Juni vor 20 Jahren dagegen tummelte sich im überfüllten Veranstaltungssaal in Waldshut eine größere Schar Fernseh-Journalisten. Der Grund: Der Preis des Jahres 2002 wurde Martin Walser verliehen, dessen damals noch nicht veröffentlichtes Buch „Tod eines Kritikers“ bereits hohe Wellen schlug.
Der heute 95 Jahre alte große deutsche Schriftsteller aus Überlingen-Nußdorf am Bodensee hatte in seinem Buch, das zuerst die Feuilletonisten zu lesen bekamen, den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki als Person wie auch als Symbol einer angeblich unredlichen Kulturszene angegriffen.
Worauf der „FAZ“-Mitherausgeber Frank Schirrmacher das Buch als „Dokument des Hasses“ bezeichnete und Walser „ein Spiel mit antisemitischen Klischees“ vorwarf. Das alles war erst eine Woche zuvor geschehen, was für einen überfüllten Saal der seit langem terminierten Preisverleihung an diesem ersten Juni-Wochenende 2002 sorgte.

Angesichts der Turbulenzen verzichtete Martin Walser auf eine Rede und diskutierte stattdessen mit Feuilleton-Journalisten von der Zürcher „Weltwoche“ und des SÜDKURIER. Sein Roman kritisiere die „Machtausübung im Literaturbetrieb“, sagte Walser. Sie suche sich willkürlich ihre Opfer, Schriftsteller könnten sich gegen ungerechtfertigte Kritik kaum wehren.
Sein Roman sei kein Mordversuch, sondern der Versuch, die jahrelange Kritik Reich-Ranickis an ihm zu verarbeiten. Ein Dokument des Hasses sei sein Buch nicht. „Ich kann aus Hass nicht schreiben“, so Martin Walser, der für seine Ausführungen viel Beifall erhielt.
Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wurde Martin Walser von Oberbürgermeister Martin Albers überreicht. Wobei sich Albers hinsichtlich der überwiegenden öffentlichen Kritik an Walsers Buch mit der Bemerkung aus der Affäre zog, „dass wir uns zu gegebener Zeit eine Meinung über das Werk bilden werden“.