Was wäre eine Stadt ohne die zahllosen helfen Hände vor und hinter den Kulissen, ohne das große bürgerschaftliche Engagement, ohne das tatkräftige gesellschaftliche Miteinander der Menschen, die hier leben? Im Fall von Waldshut-Tiengen vermag man das gar nicht vorzustellen, denn Gemeinsinn und Ehrenamt sind Aspekte, sind hier Tugenden, die ein festes Fundament besitzen. Und davon profitiert die Stadt – gerade in einer Phase des anhaltenden Ausnahmezustands – erheblich.
Grund genug also, den Aspekt der Gemeinschaft in den Fokus des ersten städtischen Neujahrsempfangs nach Corona zu stellen: „Es ist das Fortleben einer schönen Tradition, die uns sehr gefehlt hat“, betonte Oberbürgermeister Philipp Frank, Gastgeber und Moderator der Veranstaltung in der Tiengener Stadthalle. Und allein der große Zuspruch an Besuchern unterstrich dies. Etwa 700 waren mit von der Partie.
Vieles geschafft, aber Pläne gehen nicht aus

Freilich haben die Jahre der Corona-Pandemie auch eine Reihe von personellen Veränderungen mit sich gebracht. Stellvertretend dafür steht nicht zuletzt Petra Dorfmeister, die nach dem plötzlichen Tod von Joachim Baumert vergangenen Sommer zur neuen Ersten Beigeordneten gewählt wurde und seither im städtischen Bauwesen den Ton angibt.
„Meine ersten Monate waren geprägt von Bergen von Arbeit, vielen Gesprächen, aber auch einem unheimlich guten Miteinander und viel Unterstützung aus der Stadtverwaltung“, bilanzierte Dorfmeister.
Die Arbeit dürfte ihr angesichts einer ganzen Reihe von laufenden und geplanten Projekten auch auf absehbare Zeit nicht ausgehen, wie Philipp Frank darstellte. Allerdings soll es maßvoller zugehen als in früheren Jahren, so das deutliche Credo der Baubürgermeisterin: „Wir müssen dranbleiben, die Projekte aufgleisen, die wir uns vorgenommen haben und das abarbeiten, was läuft. Aber immer mit Blick auf unsere personellen und finanziellen Möglichkeiten.“
Zwischen Corona- und Flüchtlingshilfe

Deutlich zum Tragen kam die Bereitschaft der Menschen zum Einsatz für die Allgemeinheit vor allem bei den Krisen der vergangenen drei Jahre. Der schnelle Aufbau einer Impf- und Testinfrastruktur wäre in der Stadt vermutlich ebenso unmöglich gewesen wie die tatkräftige und unbürokratische Unterstützung von Flüchtlingen aus der Ukraine seit vergangenem Frühjahr, wie Philipp Frank darstellte.
Mit Wisam Haswali, 2015 selbst als Flüchtling aus Syrien angekommen, und dem Mediziner und Chefkoordinator der Impfaktionen im Landkreis, Olaf Boettcher, gaben hier zwei Männer Einblicke in ihre Arbeit, die von Beginn an in Sachen Corona an vorderster Front gekämpft haben.
Ihm sei es ein Bedürfnis gewesen den Menschen, die ihn vor wenigen Jahren hier aufgenommen und ihm einen Neustart ermöglicht hätten, etwas zurückzugeben, betonte Haswali. Boettcher hingegen zeigte sich durchaus beeindruckt, wie zügig es gelungen sei, den immensen Personalbedarf zu decken: „Vor allem habe ich es nie erlebt, dass verschiedenste Stellen so eng und zielorientiert zusammengearbeitet haben.“
Das sehen auch Elena Korocencev und Silke Padova, städtische Jugendreferentin und Ehrenamtskoordinatorin so, die nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs quasi über Nacht bürgerschaftliche Hilfe für die bald darauf ankommenden Flüchtlinge auf die Beine stellten.
„Die Hilfsbereitschaft war überwältigend“, sagt Korocencev, selbst gebürtige Ukrainerin, heute. Padova verbindet ihren Dank auch mit dem Appell: „Es hat sich wieder einmal gezeigt wie wichtig Friedensarbeit ist.“ Diese komme in vielerlei Form daher und betreffe den gegenseitigen Umgang miteinander ebenso wie Klimaschutz.

Dass die Stadt auch in dieser Hinsicht die Zeichen der Zeit erkannt hat, zeigte Klimamanager Nikolai Müller. Denn immerhin verfolgt die Stadt ja auch das ambitionierte Ziel, bis 2040 klimaneutral zu sein.
Gewerbe: Große Herausforderungen bewältigt, aber Perspektiven ungewiss

Von allen Krisen der vergangenen Jahre direkt betroffen, waren und sind die Gewerbetreibenden, Händler und Gastronomen in der Stadt, wie auch die Vertreter der Gewerbevereine Nikola Kögel (Aktionsgemeinschaft Tiengen), Volker Seipp (Werbe- und Förderungskreis Waldshut) und Harald Ebi (IG Schmittenau) darstellten.
Die Herausforderungen kamen in Form von Beschränkungen, Lockdown, Veränderung im Kundenverhalten, stärkere Konkurrenz aus dem Internet, schilderte Kögel. Längst nicht jeder Unternehmer oder Verein habe die Folgen gut weggesteckt – und wie es weitergeht, sei in vielen Bereichen noch nicht geklärt. Aber auch hier: „Niemand war darauf vorbereitet, aber wir haben schnell gelernt, dass es nur zusammen geht“, so Seipp.
Umso größer sei nun aber der Wunsch nach ruhigeren Zeiten – und einer Beseitigung von ortsspezifischen Problemen wie der Verkehrsbelastung, so Ebi, der einmal mehr für eine schnelle Lösung, etwa durch den Bau einer zweiten Rheinbrücke am Obi-Kreisel plädierte.
Brücken nach Europa sind stabil

Aber andererseits lautete die gute Nachricht am Ende des Abends, dass alle Krisen der vergangenen Jahre und die politischen Erschütterungen zumindest in einem Bereich keinen nennenswerten Schaden angerichtet haben: Im Verhältnis zu den Partnerstädten.
Wie die beiden Vorsitzenden des Freundeskreis Blois – Waldshut-Tiengen – Lewes, Markus Schmitt und Elvira Hansmann darstellten, gibt es dieses Jahr sogar ordentlich Grund zu feiern, denn die Partnerschaft mit Blois jährt sich bereits zum 60., die mit Lewes zum 50. Mal. Gefeiert werde das ganze Jahr über, kündigte Hansmann an. Ein offizielles Festwochenende sei aber um Fronleichnam im Juni geplant.

Aber abgesehen von allem anderen stand natürlich auch bei dieser Neuauflage des Neujahrsempfangs der gesellige Aspekt im Vordergrund, der Austausch und das Treffen der Engagierten in Stadt und Region und all jenen, die es noch werden wollen. Entsprechend Gelegenheit bot sich im Anschluss an das offizielle Programm bei einem opulenten Büffet der Stadt.