„Was kommen kann, weiß keiner.“ Nie war das Zitat aus Henrik Ibsens Drama „Peer Gynt“ über dem Bartresen im Foyer des Burghofs Lörrach treffender für die ungewissen Perspektiven dieser schwierigen Zeit. Zwar spielen die Theater dies- und jenseits des Rheins weiter, doch die Situation bleibt dynamisch und angespannt. Es kann sich täglich etwas ändern, die Spielplangestaltung ist von Unsicherheit geprägt. Ständig gibt es Absagen auch von Seiten der Künstler.
Aus dem Kultur- und Veranstaltungszentrum Burghof hört man, dass die Silvestershow „Motionhouse“ verschoben werden muss. Die britische Tanzcompagnie kann nicht anreisen, da sie auf dem Rückweg nach England in Quarantäne müsste und ihre Tournee nicht fortsetzen könnte. Was über die Bühne gehen kann, ist der beliebte Burghofslam „Frohe Reimnachten“. Dieser Dichterwettstreit im Format des klassischen Poetry Slam, der das Genre der gesprochenen Sprache reflektiert, hat am Tag vor Heiligabend Tradition: eine moderne Literaturarena, in der wortgewandte junge Spoken Word-Landesmeister mit selbst geschriebenen Geschichten und Lautgedichten antreten. Obwohl die traditionelle Produktion „Stimmen im Advent“ mit Gesang und ausgewählten Texten heuer erneut ausfällt, bietet das Lörracher Gastspielhaus als letzte Adventsveranstaltung einen Auftritt des Vokaltrios „White Raven“, das irische Lieder zur Weihnachtszeit und englische Carols im Repertoire hat.
Im Gloria-Theater Bad Säckingen reiht sich in der Vorweihnachtszeit mit Kindermusical, klassischem Ballett und A-Cappella-Comedy eine Veranstaltung an die Nächste. Zwischen den Jahren verbreiten die Golden Voices of Gospel pure Emotion; an Weihnachten, Silvester und erstmals auch an Neujahr setzen die Betreiber auf die hauseigene Musicalproduktion „Tommy Tailors Traumfabrik“, die bisher aufwändigste und teuerste Investition der Gloria-Firmengeschichte.
Über die Feiertage will das Ensemble in dem Fantasy-Musical die Besucher den Corona-Alltag vergessen lassen mit einer Reise in Traumwelten – allerdings vor reduziertem Publikum auf 300 statt 600 Plätzen. Das Haus, das von der Pandemie hart getroffen und ein ganzes Jahr geschlossen war, hält den Spielbetrieb auch unter den verschärften Bedingungen mit 50 Prozent Kapazität weiter aufrecht. „Wir ziehen es durch“, sagt Intendant und Musicalkomponist Jochen Frank Schmidt über die Show, die in dieser Saison bisher 14 Mal aufgeführt wurde. „Die Schauspieler sind total glücklich, dass sie spielen können“. Aber auch das Gloria spürt die Zurückhaltung des Publikums, was den Kartenverkauf angeht: „Die Leute warten ab. Aber wir können ja nicht in die Glaskugel schauen“, so der Musicalmacher. „Wenn Corona nicht wäre, wären wir jeden Tag restlos ausverkauft.“
Beim Hochrhein Schauspiel in Waldshut-Tiengen bleibt der Vorhang zu. Die Amateurbühne mit professionellem Anspruch hat zwar frische Stücke in der Pipeline („da ist für jeden etwas dabei!“) und wollte die letztes Jahr geplante Komödie „Mordstheater“ wieder aufnehmen. Aber das ist, so Regisseur Daniel Leers, Corona bedingt wieder untergegangen. Die ausgesetzte Probenarbeit wird erst im Januar wieder aufgenommen, doch der Krimi bleibt als Nummer eins auf dem Spielplan mit vorgesehenen Aufführungen im Frühjahr.
Zurzeit arbeitet Leers an kleinen Ein-Personen-Stücken. „Endlich Schluss“ von Peter Turrini, ein Soloprogramm für den in Bad Säckingen lebenden österreichischen Darsteller David Miller, wird aktuell geprobt und ist schon weit fortgeschritten in der szenischen Umsetzung. Bei dem Stück „Schwester von...“ der niederländischen Autorin Lot Vekemans, gespielt von Leers Schwester Désirée Leers, ist man noch an den „Tisch- und Textarbeiten.“ Das für Silvester terminierte „Diner for 22 One“ mit drei Spielern ist ebenso „ins Corona-Loch gerutscht“ wie das zwischen den Jahren geplante Kabarettprogramm mit Volkmar Staub, einem Freund des Hauses.
Blick auf Schweizer Seite
Hier verdirbt Corona zwar nicht die Spielfreude, dämpft aber die Erwartungen. Die Kaiserbühne im Amtshaus in Kaiserstuhl kann im Moment den Spielplan beibehalten, ist wieder zurück in den eigenen Räumlichkeiten, dem gemütlichen und komfortablen Theatergewölbe, was die Kosten reduziert, wie Betriebsleiterin Claudia Meierhofer mitteilt.

Leider stagniere der Vorverkauf selbst für das Lustspiel „Die Weinprobe“, eine Eigenproduktion, und Tickets würden zurückgegeben. Zwar dürfen in der Schweiz die Häuser voll belegt werden mit 3G-Regelung und Maskenpflicht, aber ein ausverkaufter Saal sei „illusorisch“, so Meierhofer. Die Wiederaufnahme der Komödie um Wein, Weib und jede Menge amouröse Turbulenzen in der Regie von Theaterleiter Peter Niklaus Steiner läuft noch bis Silvester.
Das Kurtheater in Baden hat im Dezember Musiktheater, Tanz, Konzerte und Kindertheater zu bieten. Die Hausproduktion „Kurgast“ – Aufzeichnungen einer Kur in Baden von Hermann Hesse – wird in diesem Jahr nur noch am heutigen Samstag gespielt, soll aber im Februar wieder aufgenommen werden. Im Theatersaal sieht man Mitte Dezember „Danse macabre“, eine Mischung aus Zirkus, Tanz und Theater in der Choreografie des Bühnenkünstlers und tragischen Humoristen Martin Zimmermann, dem „Buster Keaton der Schweiz“, der kürzlich den Grand Prix für Darstellende Kunst erhalten hat. Das Märlitheater Zürich gastiert am zweiten Weihnachtsfeiertag mit „Frau Holle“, einem Dialektmärchen nach den Gebrüdern Grimm. Die Korken knallen lässt das Theaterhaus bei der Silvestersause mit dem Entertainer Christian Jott Jenny, im „Nebenjob“ Gemeindepräsident von St. Moritz, samt Orchester und illustren Gästen wie Parodisten und Bauchsängern. Katja Stier, für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, spricht von zwei Dritteln Belegung und einem zurückhaltenderen Vorverkauf als in früheren Jahren.
Aus der Kultschüür im schweizerischen Laufenburg, wo das Theater Wiwa sein Domizil hat, erfährt man Ähnliches. Betriebsleiter Martin Willi geht davon aus, dass alles so bleibt, wenn er auch auf bessere Zeiten hofft. Denn die Auslastung betrage zurzeit nur 50 Prozent. Willi macht verschiedene Gründe dafür aus: das Testen, die Masken und Verunsicherung. So kommen längst nicht so viele Besucher wie erhofft zu dem spannenden Kriminalstück „Gefährliches Wochenende“ mit neun Darstellern vom Theater Wiwa.

Noch drei Vorstellungen von diesem rätselhaften Thriller um eine bedrohte Krimiautorin stehen bis 18. Dezember an. Wer noch ein Weihnachtsgeschenk für die „lieben Kleinen“ ab sieben Jahren sucht, kann bei den beiden CDs mit Kinderhörspielen in Schweizer Dialekt zugreifen, an denen 20 Sprecher vom Ensemble Wiwa und der Theatergruppe Magden beteiligt sind.
Auch die Basler Klein- und Privattheater bedienen trotz Pandemie das Bedürfnis nach Unterhaltung. Etwa das Fauteuil, „Europas schönstes Kleinkunsttheater“, das bis Jahresende den Dauerbrenner „Soldat Läppli“ um einen schweizerischen Schwejk auf die Bühne bringt. Mit einer „Pop-up-Theaterwoche“ und acht Stücken an sechs Tagen zwischen Weihnachten und Silvester meldet sich die Förnbacher Theater Company zurück.

Allen Widrigkeiten zum Trotz hat sich Theaterleiter Helmut Förnbacher entschlossen, in der letzten Dezemberwoche im Forum Royal, einem schönen ehemaligen Kinosaal, ein „Best of“ seiner aktuellen Produktionen zu spielen – von Goethes „Faust“ über moderne Gesellschaftskomödien und Ehedramen bis zum Dürrenmatt-Kriminalstück „Der Richter und sein Henker“. Im Häbse-Theater gibt es einiges zu lachen, auch wenn die Situation in Basels größtem Kleintheater alles andere als lustig ist. Denn selbst bei der mit Publikumslieblingen besetzten, hausgemachten Kultkomödie „E sältsams Paar“ um eine Männer-WG, die bis Silvester für Amüsement sorgt, bleiben an den Theater-Tischchen noch Plätze frei.