Susann Duygu-D'Souza

Die Liebe zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben von Konrad Sieber. Zum einen ist da die Liebe zu Gott und den Menschen, weshalb sich der heute 67-Jährige vor 40 Jahren entschied, als katholischer Seelsorger zu arbeiten. Zum anderen ist da auch die Liebe zu seiner Frau und seinen drei Töchtern. Dass Konrad Sieber Familie haben wollte, war auch der Grund, weshalb er weder Pfarrer noch Priester geworden ist, sondern eben Seelsorger.

Konrad Sieber hat in seinen 40 Jahren als Seelsorger auch jede Menge Gottesdienste abgehalten wie hier in der katholischen ...
Konrad Sieber hat in seinen 40 Jahren als Seelsorger auch jede Menge Gottesdienste abgehalten wie hier in der katholischen Liebfrauenkirche in Waldshut. | Bild: Duygu-D'Souza, Susann

In Kürze ist damit aber Schluss, denn zum 1. September 2023 geht Konrad Sieber, der in Untermettingen lebt, in den Ruhestand. Und in den vier Jahrzehnten hat Sieber so einiges erlebt und es gab einige Situationen, in denen er sein großes Herz brauchte – vor allem in seinen 36 Jahren als Gefängnisseelsorger.

Auch schwierige Fälle gehören dazu

Doch gerade die Arbeit in der Justizvollzugsanstalt (JVA) ist für Konrad Sieber ein wichtiger Bestandteil seiner Arbeit. Leicht falle es ihm nicht immer, wenn er weiß, dass er einem Mörder gegenüber sitzt. „Aber Gott liebt alle Menschen gleich und jeder ist ein Kind Gottes“, sagt er. „Bevor ich Gespräche im Gefängnis habe, will ich gar nicht wissen, weshalb ein Mensch dort ist.“ Oft seien es aber die Gefangenen selbst, die mit ihm über ihre Taten sprechen wollen. „Wir haben Schweigepflicht, weshalb die Insassen mir viel im Vertrauen erzählen.“

Nur bei einem Fall hätte der Seelsorger das Gespräch an seinen evangelischen Kollegen in der JVA Waldshut abgegeben.

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„Ich habe eine Beerdigung geplant und mit den Angehörigen gesprochen.“ Dabei kam heraus, dass die Dame, die beerdigt werden sollte, umgebracht wurde und der Täter in Waldshut in Untersuchungshaft saß. Es hätte einen Interessenskonflikt gegeben, aber der Täter hat ein Gespräch mit einem Seelsorger nicht angefragt.“

„Gefängnisseelsorge kann etwas bewirken“

Dass die Gefängnisseelsorge bei einem Insassen tatsächlich etwas bewirken kann, davon ist Konrad Sieber überzeugt. „Nicht bei jedem, aber ich hatte einmal Kontakt zu einem Insassen, der seine Freundin getötet hatte. Der Mann wollte sich dann umbringen, hat es sogar versucht, wurde aber von seinem Zellengenossen davon abgehalten.“

Als der Mann dann in ein anderes Gefängnis verlegt wurde, habe ich ihn weiterhin besucht. Er zeigte sich sehr einsichtig und hat unter seiner Tat gelitten.“ Als der Mann dann nach elf Jahren zum ersten Mal für einen Weihnachtsbesuch das Gefängnis verlassen durfte, übernachtete er bei Konrad Sieber. Angst vor ihm hatte Sieber nicht, allerdings hatte seine Frau Bedenken.

„Die Gefahr ist da“

Generell habe Konrad Sieber bei seinen Gefängnisbesuchen keine Angst vor Übergriffen. „Natürlich ist die Gefahr da, aber wenn man sich an die Vorschriften hält, zum Beispiel nie allein mit einem Insassen zu sein, ist es doch recht sicher. Auch, weil die Seelsorger ja kommen, um Gutes zu tun.“

Besonders wichtig ist für Konrad Sieber, dass man den Beruf als Seelsorger mit seinem Herzen ausübt. „Man muss die Anliegen der Menschen ernst nehmen, ihnen zuhören, sich Zeit nehmen und die Menschen wertschätzen.“

Er würde sich immer wieder für den Beruf Seelsorger entscheiden

Auch 40 Jahre später würde Konrad Sieber wieder diesen Beruf wählen. Fragt man ihn, ob er sich mit der Kirche identifizieren kann, fällt die Antwort nicht ganz so eindeutig aus. „Ganz klar kann ich mich mit den Bereichen identifizieren, in denen ich vor Ort etwas tun durfte.“

Seelsorger Konrad Sieber vor der katholischen Pfarrei in Waldshut.
Seelsorger Konrad Sieber vor der katholischen Pfarrei in Waldshut. | Bild: Duygu-D'Souza, Susann

Schwieriger fällt ihm die Antwort, wenn es um Bereiche wie Gleichstellung von Mann und Frau in der katholischen Kirche geht. „Da muss sich dringend etwas ändern“, findet der Seelsorger. Und wenn er an die Missbrauchsfälle denkt, sagt er: „Das muss ganz klar aufgearbeitet werden.“

Auch wenn Konrad Sieber bald in den Ruhestand geht, wird er weiterhin ein wenig für die Kirche aktiv sein, wie zum Beispiel beim Sozialdienst katholischer Männer (SKM), wo er als geistlicher Beirat tätig ist. Neben dem Männerstammtisch wird er auch noch beim musikalischen Nachtgebet vier mal im Jahr für die geistlichen Impulse verantwortlich sein. Aushelfen wird er auch noch im Beerdigungsdienst. „Außerdem überlege ich, ein Buch zu schreiben“, sagt Konrad Sieber. Langweilig wird ihm also auch im Ruhestand nicht werden.

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