Kaum etwas ist im Bewusstsein der Menschen derzeit so präsent wie der Klimawandel. Und das nicht unbedingt deswegen, weil das Thema zunehmend mehr Öffentlichkeit findet. Die Folgen, welche die immer wärmeren Temperaturen, Trockenheit und Wetterextreme mit sich bringen, sind spürbar, auch in Wehr. „Wenn Sie genau hinhören, hören Sie, dass keine Singvögel da sind. Auch Insekten hat es mittlerweile deutlich weniger“, sagt Rolf Gut und deutet auf die Landschaft um sich herum.

Rolf Gut ist Vorsitzender des Imkervereins Wehratal und steht neben seinem Bienenstock im Gewann „Riedersegeten“ auf dem Dinkelberg, vor ihm sitzen Mitglieder des CDU-Ortsverbands und der Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner. Zwischen herumsummenden Bienen erklärt Gut den Kreislauf eines Bienenjahres, was er zu tun hat und vor allem, was ihm und seinen Bienen Sorgen macht. Einerseits gibt es die wahrnehmbaren Veränderungen, wie die Verdrängung der Singvögel durch Raben, andererseits gibt es einen winzigen Parasiten, die Varroamilbe, die die örtlichen Imker seit Jahren bekämpfen. Dank der Behandlung mit 60-prozentiger Ameisensäure habe man dieses Problem soweit im Griff, dass die Bienenvölker überleben.
Dass die Wehrer Landwirte auf Mischkulturen setzten, stärkt die Bienen zusätzlich wie Gut veranschaulicht: „Bienen brauchen eiweißreiche Pollen und davon verschiedene Sorten. Wir Menschen wollen auch nicht jeden Tag Leberwurstbrot essen.“ Andere Schäden, etwa durch Insektizide, oder Seuchen gibt es auf dem Dinkelberg nicht, zumindest noch nicht. Erst vor kurzem wurde bei einem Bienenvolk im Waldshut-Tiengen die sogenannte „Amerikanische Faulbrut“ festgestellt. Die Folge: Die gesamte Brut der betroffenen Völker stirbt ab. Sowohl das Landratsamt, als auch Tierschützer, warnen deshalb davor Bienen mit Importhonig zu füttern, da dieser den Erreger enthalten kann.
Während also Rolf Guts Bienen weiter gesund und fleißig sind, werden die Sorgenfalten auf der Stirn von Stadtförster Georg Freidel, der ebenfalls von der CDU eingeladen wurde, immer tiefer. „Die Situation überrollt uns, wir werden ihr einfach nicht mehr Meister“, sagt der Stadtförster, während sein Blick Richtung der Waldhänge gegenüber des Dinkelbergs wandert. Inmitten der dunkelgrünen Waldflächen sind immer wieder kahle, rostbraune Stellen zu sehen.
Der Borkenkäfer ist auf dem Vormarsch, hinzu kommt, dass auch das Laubholz, das rund 65 Prozent des Wehrer Stadtwalds aufmacht, immer anfälliger wird. „Auch die Buche ist betroffen, ihr Immunsystem ist angeschlagen“, erklärt Freidel. Die Hitze- und Dürreperioden der vergangenen Jahre hätten den Baum geschwächt, was ihn nun zu einem leichten Opfer von Schädlingen macht.
Problem für Waldbesitzer
Die Leidtragenden dieser Prozesse sind dabei nicht nur die Bäume selbst, sondern auch die Waldbesitzer. Kranke Bäume müssen gefällt und aus dem Wald geschafft werden, doch das Holz sei schwer loszubekommen, weiß Freidel. Denn die vielen Zwangs-Fällungen schaffen ein Überangebot. Er als Förster, kann dafür sorgen, dass die brach gewordenen Flächen wieder aufgeforstet werden, das marktwirtschaftliche Dilemma der Waldbesitzer ist damit aber nicht gelöst. An dieser Stelle müsse nun, laut Schreiner, die Politik eingreifen. Der Staat müsse sich beim Holzverkauf zugunsten privater Besitzer zurückhalten, außerdem wolle er sich für Soforthilfen und Fördermittel einsetzen.
Bienen und Wälder
Die 38 Mitglieder des Imkervereins Wehratal umsorgen etwa 180 Bienenvölker des Typs der heimischen Carnica Biene, die auch Kärnterbiene genannt wird. Im Sommer zählt ein Volk zwischen 30 000 und 40 000 Bienen, im Winter sind es rund 10 000. Neben den Wiesen die sie bevölkern, zählen auch die Wehrer Waldgebiete zum Naturgebiet der Stadt. Die Waldfläche macht rund 55 Prozent der städtischen Gemarkungsfläche aus.