Der Wehrer Kugelstoßer Werner Eckert war mit mehr als 100 Siegen und vielen Titeln nicht nur der erfolgreichste Leichtathlet unserer Region. Er war wohl auch der begabteste. Könnte er die verwaisten Stadien mit ihren modernen Wurfanlagen sehen, würde ihm das Herz bluten. Doch Werner Eckert (geboren am 29. März 1922) ist schon seit fast 20 Jahre tot. Er starb am 8. August 2001. Die Erinnerung an ihn ist aber lebendig. „Er war mein Trainer“, erinnert sich Inge Leber, geborene Lettenmeyer. Durch ihn wurde sie die erste Wehrer Kugelstoßerin und gewann manchen Wettkampf.

Bedenkt man, wie Eckert trainierte, kann man ihn nur als Phänomen bezeichnen. Er war bereits 27 Jahre alt, als er das 7,257 Kilogramm schwer Wurfgerät entdeckte. In diesem Alter die komplexe Technik des Kugelstoßens zu erlernen, ist fast aussichtlos. Aber Werner Eckert war außergewöhnlich.
Größe und Sprungkraft
Er war in der „Krone“ aufgewachsen. 1922 hatte die MBB das Gasthaus erworben und umgebaut. Seine Eltern arbeiteten in der Weberei. Die Familie hatte eine Werkswohnung im dritten Obergeschoss. Werner spielte Fußball. Mit 1,90 Metern und einer riesigen Sprungkraft war er bestens für den Job des Torhüters in der A-Jugend und später in der ersten Mannschaft des FC Wehr geeignet. Dann kam der Krieg.

Nach der Rückkehr aus der französischen Kriegsgefangenschaft 1948 arbeitete er als Weber in der Wehra AG. In der Freizeit stand er zwischen den Pfosten. Dann entdeckten die Wehrer Leichtathleten das Kraftpaket. Die Probestöße mit der Kugel waren so gut, dass Eckert 1949 bei der Bahneröffnung in Lörrach mit 11,63 Metern auf dem dritten Platz landete. Bei den Bezirksmeisterschaften rückte er auf Platz zwei vor. Allerdings nahm ihn König Fußball wieder in Beschlag – bis er 1951 erneut antrat und mit 29 Jahren und 12,76 Metern Bezirksmeister wurde.
Die Titel
Nun begann der Durchmarsch. Die 13 Meter-Marke knackte er noch 1951 (13,65 Meter). Klar, dass er 1952 bei den Badischen Meisterschaften in Karlsruhe den Titel holte (13,78 Meter) und bei der Deutschen Meisterschaft in Berlin startete. Dort wurde er – eine Sensation – Sechster (13,83 Meter). Da war er schon 30 Jahre alt.
Mit Werner Eckert war ein Methusalem, der weder Trainer noch eine reguläre Trainingsstätte hatte, in die deutsche Elite vorgedrungen. Wenn er trainierte, zog er einen Kreis am huckeligen Platz vor der alten Tal-Turnhalle. Dort wuchtete er die Kugel pro Training etwa 100-mal aus dem Ring. Einen fein zementierten Untergrund wie in den Wurfanlagen seiner sechs bis acht Jahre jüngeren Konkurrenten in Frankfurt oder München kannte er nur vom Hörensagen. Keiner korrigierte die Technik, keiner machte den Trainingsplan. Ein Lehrbuch war sein Trainer. Trotzdem sahen die Experten in ihm den kommenden deutschen Meister.
Die Verletzung
Die Vorbereitungen für die Deutsche Meisterschaft 1953 liefen exzellent. Eckert war in Hochform, warf im Training mehr als 15,50 Meter. Die magische 16 rückte näher. Und dann der Rückschlag: Bei einem Fußballspiel, für das er eingesprungen war, wurde die Wurfhand verletzt. Der 31-Jährige konnte sein Potenzial nicht mehr ausschöpfen. Trotzdem warf er noch großartige Serien. Mit nur zwei Zentimetern Rückstand auf Josef Hipp wurde Werner Eckert deutscher Vizemeister und belegte mit 15,18 Metern den ersten Platz der deutschen Bestenliste.
Sternstunden waren Länderkämpfe gegen die Schweiz und England sowie eine Balkantour mit Länderkämpfen in Jugoslawien, Griechenland und der Türkei. 1954 errang er bei der ersten deutschen Hallenmeisterschaft den Titel. 1956 knackte er nochmals die 15 Meter (15,02 Meter) und hielt sich bei der DM in Berlin mit Platz sechs in der Spitzenklasse. Ob das am Schweinebraten der „Ochsen“-Wirtin Elsa Meyer gelegen hat? „Nachdem Werner Vizemeister geworden war“, so Inge Leber, „bekam er von meiner Oma jeden Tag im ‚Ochsen‘ ein kräftiges Mittagessen. Er brauchte Kalorien, um das Niveau zu halten. Zum Dank wurde er mein Trainer.“ Beim Sport lernte sie Eberhard Leber kennen. Die Beiden schlossen 1960 die erste Wehrer Leichtathleten-Ehe. Mit der Mannschaft fuhren sie zu manchem Wettkampf. „Werner war oft dabei. Er war freundlich und bescheiden“, erinnert sich Inge Leber, „ein toller Sportler, der noch mit 70 Jahren aktiv war – eine echte Größe des Sports in unserer Region“.