Wehr – Die ausgedehnten Wälder rund um Wehr haben nichts mehr zu tun mit den germanischen Urwäldern, vor denen es den Römern grauste, vielmehr seien sie von Menschenhand geschaffene „Forstgärten“ mit wechselhafter Geschichte. Über die Waldnutzung von der Frühzeit bis ins späte 18. Jahrhundert referierte der Forstdirektor a.D. Hans Mehlin beim jüngsten Museumsabend im Stadtmuseum Wehr.
Der Vorsitzende des Förderkreises, Dieter Walz, zeigte sich angesichts der vielen Besucher erfreut und auch etwas überrascht, denn in der benachbarten Stadthalle und der Mediathek fanden zeitgleich die Kriminacht und der Zunftabend statt. Offenbar stießen das neu eingeführte Format der Museumsabende und die für die Geschichte und Gegenwart Wehrs so wichtigen Themen Wald und Glas in der Öffentlichkeit auf Resonanz. Bei der Premiere der Museumsabende hatte der Glasbläser Dirk Bürklin sein Kunsthandwerk vorgestellt und darauf verwiesen, dass die Glasherstellung zum Raubbau an den Wäldern geführt hatte.
Am Freitag ging Forstfachmann Hans Mehlin auf die Waldnutzung genauer ein. Die Besiedlungsdichte des Schwarzwaldes nahm während der Völkerwanderungszeit langsam zu. Während die Schweinehaltung für den Waldbestand eher unproblematisch war, führten andere Formen der Viehhaltung und der Landwirtschaft zu einem langsamen Baumschwund. Ein regelrechter Raubbau an der Natur begann mit dem Aufkommen der Eisen- und Glasindustrie seit dem Mittelalter. „Für die Herstellung eines Zentners Eisen benötigte man ungefähr die 20-fache Masse an Holz“, so Hans Mehlin. Dank des Holzreichtums und des aus dem nahen Fricktal importierten Erzes entwickelte sich die Eisenverhüttung zu einem wichtigen Gewerbe in Wehr, an dem auch die Herrschaft interessiert war, nicht zuletzt, da man aus dem Eisen Waffen herstellen konnte. Bedeutend blieb auch die Glasindustrie, die vorwiegend die Kundschaft in der Schweiz belieferte. Die Glasbläserfamilien zogen nach der Rodung der Waldflächen weiter und überließen das Feld der Natur. „Nach 200 bis 300 Jahren eroberte sich der Wald das Terrain zurück“, so Hans Mehlin.
Schon früh erkannten die Menschen, dass die Abholzung von Wäldern auch ihre ökonomische Existenzgrundlage bedrohte. Dennoch dürfte es für viele überraschend gewesen sein, dass das Modewort der Nachhaltigkeit bereits im frühen 18. Jahrhundert vom sächsischen Oberbergrat Hans Carl von Carlowitz gebraucht wurde. Schon im 16. Jahrhundert schränkten Waldordnungen das Recht der Untertanen auf Nutzung der Wälder ein. Sie wurden oft als hartes Diktat empfunden. Ein Meilenstein war die Waldordnung von 1777, da sie neben Ge- und Verboten einem Lehrbuch für Waldbewirtschaftung gleichkam. Mit der Beförsterung wurde ausgebildetes Personal beauftragt und Waldfrevel streng geahndet.
Ein Höhepunkt war die Waldordnung von 1786. „Sie sollte dem Gemeinwohl und der nachhaltigen Nutzung der Wälder ebenso dienen wie der regionalen Herrschaft“, so Hans Mehlin. Der Weg zur Helsinki-Resolution von 1993, die die Waldnutzung umfassend regelt, begann also schon früh.