Beim Pilze-Suchen ist es ein bisschen so, wie wenn man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Und das, obwohl man mittendrin steht, oder vielmehr darauf: Denn die Hyphen, das sind die schwarzen oder weißen, fadenförmigen Zellen eines Pilzes, durchziehen den Waldboden allerorten und bilden damit das Myzel eines Pilzes.

Und das, was wir im Allgemeinen unter einem Pilz verstehen – also das, was im Kochtopf oder in der Bratpfanne landet – ist lediglich der Sporen-bildende und für Vermehrung sorgende Fruchtkörper eines Pilzes. Dies ist nur eine von vielen Tatsachen, die man bei der spannenden Exkursion „Winterpilze finden und bestimmen“ von Heidrun Häußler lernen kann.

Heidrun Häußler ist geprüfter Pilzcoach

Häußler, eine wandelnde Pilz-Enzyklopädie, ist Pilzcoach und von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie geprüft. Sie führt diese Exkursionen seit zwei Jahren für die VHS Landkreis Konstanz durch – und hat das Gefühl, dass es die Menschen seit Corona mehr nach draußen zieht: „Die Leute begreifen jetzt, dass es etwas Heilendes hat, wenn man achtsam durch die Natur und durch den Wald geht.“

Noch bevor die Teilnehmer sich beim Anblick eines lecker anmutenden Baumpilzes dessen spätere Zubereitung – vielleicht mit Zwiebeln, Speck und Petersilie – ausmalen können, mahnt Heidrun Häußler: „Einen Pilz isst man erst dann, wenn man sich zu hundert Prozent sicher ist, was es für einer ist.“

Pilzcoach Heidrun Häußler inmitten der Teilnehmer an der VHS-Exkursion „Winterpilze erkennen und bestimmen“.
Pilzcoach Heidrun Häußler inmitten der Teilnehmer an der VHS-Exkursion „Winterpilze erkennen und bestimmen“. | Bild: Constanze Wyneken

Denn Sicherheit ist das oberste Gebot beim Pilze sammeln, gefolgt von rücksichtsvollen Verhaltenshinweisen im Wald, sprich: nicht rauchen, nichts liegen lassen, Wege nur kurz verlassen und auf selber Strecke wieder zum Weg zurückkehren um kein Wild, das im Winter seinen Biorhythmus auf ein Minimum reduziert, zu erschrecken. Außerdem müssen selbstverständlich die Regeln des Bundesnaturschutz- und artenschutzgesetzes und der regionalen Bestimmungen eingehalten werden.

Fünf Millionen Pilzarten weltweit

Am vergangenen Sonnabend kamen neun Exkursions-Teilnehmer bei schönster Wintersonne in den Wald oberhalb von Ludwigshafen, um Pilze zu suchen. Für einige, wie Andreas Garding aus Allensbach, war das Thema komplett neu. Andere, wie Ingo Deutschkämer, der mit seinen Töchtern Yasmina und Svenja dabei war, sammeln schon lange Pilze: „Ich habe das von meiner Mutter gelernt und habe es dann meinen Töchtern gezeigt“, erzählt Deutschkämer.

Wer dachte, er wüsste nach zwei Stunden Kurs, welche Pilze er wo und wann finden kann, der hatte sich zu früh gefreut. Denn die Natur ist – auch was Pilze angeht – unberechenbar und unendlich: Momentan sind 120.000 Pilzarten bekannt, jedoch schätzt man, dass es weltweit bis zu fünf Millionen Arten gibt. Und auch im Wald bei Ludwigshafen gibt es zahlreiche Pilzarten mit teils abenteuerlichen Namen: beispielsweise Rotrandiger Baumschwamm, Judasohr (Mu-Err Pilz) oder Samtfußrübling (Enoki).

Dieser Rotrandige Baumschwamm ist auch im Wald um Bodman-Ludwigshafen zu finden. Der Pilz wächst am liebsten an lebenden oder ...
Dieser Rotrandige Baumschwamm ist auch im Wald um Bodman-Ludwigshafen zu finden. Der Pilz wächst am liebsten an lebenden oder abgestorbenen Nadelbäumen wie Fichten. Man findet ihn aber auch an Laubbäumen. | Bild: Constanze Wyneken

Diesen kann man mit geschultem Auge im Winter auch bei uns entdecken, besonders an Stämmen gefallener oder gefällter Buchen, Pappeln oder Ulmen – aber erst nach dem Frost. „Der Pilz ist für mich ein Mysterium“, sagt Heidrun Häußler, die selbst gar keine Pilze essen kann, was sie sehr bedauert. Aber sie vergleicht sich mit den Ornithologen und sagt schmunzelnd „die essen ja auch keine Vögel.“

Pilz-Apps sind „relativ unsicher“

Selbst tätig werden – und mit etwas Glück auch fündig – konnten die Kursteilnehmer auch. An einem Hang weiter oben im Wald hatte Häußler kurz zuvor einige Pilzexemplare gesichtet. Diese durften die Exkursions-Teilnehmer nun suchen. „Dass es so unglaublich viele Pilzarten gibt, ist beeindruckend“, sagte Matthias Kuhn aus Allensbach, der aber aus Respekt vor einer Pilzvergiftung bei der Auswahl sehr vorsichtig sein will.

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Man könne am falschen Pilz durch Nierenversagen, Blutzersetzung, Magen-Darm-Vergiftung oder durch Nervengifte sterben, hatte Heidrun Häußler zuvor erklärt: „Und kein Pilz kann so gut schmecken, dass man so etwas riskieren will“, mahnt sie immer wieder. Es gebe zwar Pilz-Erkennungs-Apps, die aber relativ unsicher seien.

Sachverständiger gibt Sicherheit

Wer ganz sicher gehen wolle, der müsse sich an einen Pilzsachverständigen wenden, der den Pilz aber nur erkennen könne, wenn man ihm den ganzen Fruchtkörper, also von ganz unten nach oben, bringe.

Heidrun Häußler möchte selbst eine solche Sachverständige werden und lernt seit einiger Zeit dafür: „Man muss dafür dreihundert Pilze in- und auswendig und zehn Merkmale pro Pilz kennen“, ächzt sie, und erzählt, sie habe bereits rund 3.500 Stunden in das Lernen und die Beschäftigung mit dem Thema Pilze investiert – fertig sei sie aber noch lange nicht.