Hat Steinmetzmeister Niklas Neitsch gegen das Bestattungsgesetz verstoßen oder misst die Gemeinde Eigeltingen in Friedhofsangelegenheiten einfach nur mit zweierlei Maß? Das war die Grundfrage, die jüngst zu einem Verfahren am Stockacher Amtsgericht geführt hat.

Am Ende kassierte das Gericht den Bußgeldbescheid ein. „Wir haben das Verfahren eingestellt“, berichtet Richterin Rebecca Jenike. Auf Nachfrage des SÜDKURIER nennt sie gleich mehrere Gründe für ihre Entscheidung.

Das war der Stein des Anstoßes

Aber zuerst zum Hintergrund: Wie Niklas Neitsch dem SÜDKURIER berichtet hatte, sollte er im Auftrag eines Kunden eine geschlossene Grabplatte für ein Urnengrab auf dem Friedhof des Eigeltinger Ortsteils Rorgenwies anfertigen, da der Kunde keinen Führerschein hat und nicht regelmäßig zur Grabpflege von Singen nach Rorgenwies fahren kann.

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Im Genehmigungsverfahren hatte die Gemeindeverwaltung darauf hingewiesen, dass die Friedhofssatzung keine geschlossenen Grabplatten auf Urnengräber erlaube und Neitsch einen Pflanzausschnitt in die Platte einarbeiten muss. Nach Absprache mit dem Kunden kam der Steinmetz dieser Aufforderung nach.

Es gab bereits ähnliche Grabsteine

„Dabei habe ich mich an dem Bild orientiert, das die anderen Urnengräber, die bereits auf dem Friedhof angelegt waren, boten“, so Neitsch. Zu seiner Verwunderung stellte er indes fest, dass es auf dem Friedhof zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Urnengräber mit komplett geschlossener Grabplatte gab.

Trotzdem wurde der Pflanzausschnitt erstellt und die Grabplatte versetzt. Auf eine Rückfrage der Gemeinde, ob der Pflanzausschnitt auch wirklich zwei Drittel der Grabfläche frei halte, habe Neitsch nicht mehr geantwortet, da er sich bei der Erstellung an den anderen Gräbern orientiert hatte.

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228 Euro wegen Verstoßes gegen das Bestattungsgesetz

Wenig später kam der Bußgeldbescheid über 228 Euro. Der Vorwurf der Gemeinde: Verstoß gegen das Bestattungsgesetz. Neitsch, der zugleich Obermeister der Bildhauer- und Steinmetz-Innung im Landkreis Konstanz ist, wollte das nicht auf sich und seinem Kunden sitzen lassen.

Deshalb machte er sich zusammen mit seiner Frau Jana auf, um alle Gräber auf dem Friedhof zu vermessen und zu katalogisieren und siehe da: „Wir haben überhaupt nur ein einziges Grab gefunden, das der Friedhofssatzung entsprochen hat“, so Neitsch.

Rund 40 bis 50 Arbeitsstunden habe er schätzungsweise in die Recherche investiert. Eine große Hilfe sei ihm dabei auch seine Kollegin Susanne Platzer aus Eigeltingen gewesen, betont er im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

„Mir ging es dabei nicht um das Bußgeld, sondern um das Prinzip.“ – Steinmetzmeister Niklas Neitsch
„Mir ging es dabei nicht um das Bußgeld, sondern um das Prinzip.“ – Steinmetzmeister Niklas Neitsch | Bild: Lothar Adamczyk

Für ihn stand damit fest, die Gemeinde misst bei der Auslegung der Friedhofssatzung mit zweierlei Maß und er legte einen Widerspruch gegen den Bußgeldbescheid ein, mit dem sich nun das Stockacher Amtsgericht beschäftigte. „Mir ging es dabei nicht um das Bußgeld, sondern um das Prinzip“, so Neitsch.

Großer Rückhalt für Neitsch

Vor Gericht erscheinen zu müssen sei für ihn trotzdem ein komisches Gefühl gewesen, berichtet er im Nachgang der Verhandlung. Allerdings hatte er große Unterstützung. Mit dabei waren Drazan Pozderec, stellvertretender Obermeister der Bildhauer- und Steinmetz-Innung im Landkreis Konstanz, und Professor Gerd Merke vom Institut für Rechtswissenschaften der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden.

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Merke sei Experte in Sachen Friedhofssatzungen und arbeite eng mit der Steinmetzinnung zusammen. „Professor Merke hat schon an mehr als sechshundert Friedhofssatzungen in Deutschland mitgearbeitet“, erklärt Neitsch. Im Prozess habe er unter anderem darauf hingewiesen, dass die Rechtslage in Deutschland es gar nicht erlaube, in einer Friedhofssatzung voll abgedeckte Urnengräber zu verbieten.

So wurde das Urteil begründet

Neben diesem Punkt war für Richterin Rebecca Jenike für ihre Entscheidung, das Verfahren einzustellen, unter anderem ausschlaggebend, dass es auf dem Friedhof schon vorher Grabsteine gab, die eigentlich nicht der Friedhofssatzung entsprochen haben.

Daneben sei entscheidend gewesen, dass die Gemeinde derzeit an einer neuen Friedhofssatzung arbeitet, die aller Voraussicht nach noch im Juni in Kraft treten soll und laut der dann auch voll abgedeckte Urnengräber erlaubt sein sollen.

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„Aus meiner Sicht ist das alles wohl ein bisschen unglücklich gelaufen. Hätten beide Seiten besser miteinander kommuniziert, dann wäre vielleicht sogar eine Sondergenehmigung für ein vollabgedecktes Grab möglich gewesen“, so Richterin Jenike im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Leidtragender bleibt der Kunde

Für Niklas Neitsch ist das Urteil eine große Erleichterung. „Da ist wirklich ein Ballast von mir abgefallen“, berichtet er. Trotzdem findet er es schade, dass sein Kunde nun mit dem Schaden leben muss. „Er hat jetzt für das Grab seiner Mutter einen Grabstein, den er so ursprünglich eigentlich gar nicht wollte“, sagt Neitsch.

Auf die neue Friedhofssatzung der Gemeinde ist Neitsch nun gespannt, einen Entwurf hat er noch nicht gesehen. Die Gemeindeverwaltung hat sich auf Nachfrage des SÜDKURIER bis zum Redaktionsschluss dieses Artikels nicht zum Urteil geäußert.

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