Eigentlich war es ein Routineauftrag für Steinmetzmeister Niklas Neitsch aus Stockach. Er sollte eine Grabplatte für ein Urnengrab auf dem Friedhof des Eigeltinger Ortsteils Rorgenwies anfertigen. Dass darüber ein Streit mit der Gemeinde entbrennt, der am Ende sogar vor Gericht landet, hätte er nicht gedacht.

Alles begann damit, dass ein Kunde zu Niklas Neitsch mit dem Anliegen kam, eine Grabplatte für das Urnengrab seiner Mutter auf dem Friedhof in Rorgenwies anfertigen zu lassen. Dort wollte die Mutter beerdigt werden.

Was, wenn man die Grabpflege nicht leisten kann?

Da ihr Sohn in Singen wohnt und keinen Führerschein hat, wollte er eine geschlossene Grabplatte – denn zur Grabpflege regelmäßig nach Rorgenwies zu kommen, das ist ohne Auto ein schwieriges Unterfangen. Niklas Neitsch fertigte einen entsprechenden Antrag aus und reichte diesen bei der Gemeinde ein.

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Zu seiner großen Überraschung kam zwei Wochen später eine Absage von Seiten der Gemeinde mit dem Hinweis, dass die Friedhofssatzung komplett geschlossene Grabplatten nicht erlaube. Er müsse mindestens einen Ausschnitt erstellen.

Ein Stein mit Ausschnitt ist teurer

„Eigentlich hätte ich mich darüber freuen müssen“, sagt Niklas Neitsch, „denn ein Stein mit Ausschnitt ist teurer als einer ohne. Ich hätte dem Kunden also mehr berechnen können.“ Doch was den Steinmetzmeister wundert: „Auf dem Friedhof in Rorgenwies gab es da bereits zwei Urnengräber, die voll abgedeckt waren.“

Urnengräber auf dem Friedhof von Rorgenwies dürfen laut Friedhofssatzung nicht komplett mit einem Stein verdeckt sein. In manchen Fällen ...
Urnengräber auf dem Friedhof von Rorgenwies dürfen laut Friedhofssatzung nicht komplett mit einem Stein verdeckt sein. In manchen Fällen hat die Gemeinde solche Gräber dennoch genehmigt, in anderen nicht. | Bild: Dominique Hahn

Trotzdem fertigte Neitsch nach Rücksprache mit seinem Kunden einen Ausschnitt an. „Die Kosten von vierhundert Euro habe ich mir mit meinem Kunden geteilt“, sagt er. Der Rest sollte eigentlich eine Formsache sein, so Neitschs Annahme. So versetzte er den Grabstein auf dem Friedhof.

Wenig später erhielt der Steinmetzmeister eine Bitte von der Gemeinde, zu bestätigen, dass der Ausschnitt im Stein mindestens zwei Drittel der Fläche einnimmt. Für Neitsch unverständlich. „Das Bild ist stimmig und wir haben uns genau an dem orientiert, was alle anderen auf dem Friedhof auch machen“, berichtet Neitsch.

„Verstoß gegen das Bestattungsgesetz“

Deshalb habe er nicht auf das Schreiben reagiert. Die Gemeinde blieb indes nicht untätig. Sie stellte ein Bußgeld in Höhe von 228 Euro gegen den Steinmetzmeister aus. Wegen einem „Verstoß gegen das Bestattungsgesetz“.

Steinmetzmeister Niklas Neitsch in seiner Werkstatt in Stockach.
Steinmetzmeister Niklas Neitsch in seiner Werkstatt in Stockach. | Bild: Lothar Adamczyk

Das wollte Neitsch, der auch Stellvertretender Landesinnungsmeister der Steinmetze ist, nicht auf sich sitzen lassen. Bei einem ausführlichen Kontrollgang mit Maßband und der Friedhofssatzung der Gemeinde im Gepäck habe er festgestellt, dass fast alle Gräber auf dem Friedhof in irgendeinem Punkt nicht der Friedhofssatzung entsprechen. „Ich habe nur ein einziges Grab gefunden, das der Satzung entspricht“, sagt Neitsch.

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Weil er deshalb das Bußgeld nicht bezahlen will, landet der Fall nun vor dem Stockacher Amtsgericht. „Es geht mir dabei nicht um das Geld, sondern um das Prinzip“, betont er. Für ihn misst die Gemeinde nämlich mit zweierlei Maß, was die Friedhofssatzung angeht.

Friedhofssatzung nicht zeitgemäß?

Diese sei ohnehin nicht zeitgemäß, merkt Neitsch an. „Politur und Feinschliff sind nicht zulässig“, heißt es etwa in der Satzung. Sowohl Farbanstrich auf Stein als auch die Verwendung von Gold und Silber für Schriftzüge sind laut der Satzung verboten. Das sind alles Gestaltungselemente, von denen heutzutage bei fast jedem Grabstein mindestens eines zum Einsatz kommt.

„Ich habe Bürgermeister Fritschi schon 2014 darauf angesprochen, dass die Friedhofssatzung nicht stimmig ist und den Bedürfnissen der Bürger nicht gerecht wird“, sagt Neitsch. Zur Antwort habe er damals bekommen, dass die Satzung nicht so streng ausgelegt werde. Das Bußgeld gegen ihn gab es dennoch.

„Es bedarf in jedem Fall vor Aufstellung eines Grabsteins der Genehmigung durch die Gemeindeverwaltung“, sagt Bürgermeister ...
„Es bedarf in jedem Fall vor Aufstellung eines Grabsteins der Genehmigung durch die Gemeindeverwaltung“, sagt Bürgermeister Alois Fritschi.

Die aktuell gültige Friedhofssatzung der Gemeinde stammt vom 14. Dezember 2015. Viel geändert habe sich zur damaligen Problematik nicht. „Ich frage mich, was eine solche Satzung überhaupt soll, wenn sie den Bedürfnissen der Bürger überhaupt nicht gerecht wird“, sagt Neitsch. Stattdessen werde bei den Genehmigungsverfahren willkürlich entschieden. „Gerade auf dem Friedhof ist aber pietätvolles Handeln gefragt“, betont Neitsch. Doch was sagt die Gemeinde zu dem Fall?

Das sagt die Gemeinde

Bürgermeister Alois Fritschi möchte sich auf SÜDKURIER-Nachfrage nicht zu dem konkreten Fall äußern. Da es sich um ein schwebendes Verfahren handelt, greife hier der Datenschutz. Grundsätzlich verwende die Gemeinde jedoch die aktuell gültige Friedhofssatzung aus dem Jahr 2015, um über Grabsteine zu entscheiden. „Es bedarf in jedem Fall vor Aufstellung eines Grabsteins der Genehmigung durch die Gemeindeverwaltung“, so der Bürgermeister.

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Werden Grabsteine ohne Genehmigung aufgestellt, stelle dies eine Ordnungswidrigkeit dar. Die werde mit einem Bußgeld geahndet – wie bei Niklas Neitsch. Doch warum gibt es auf dem Friedhof dann weitere Grabsteine, die der Satzung nicht entsprechen?

Die Gemeinde räumt dazu ein, eine aktuelle Prüfung habe ergeben, dass tatsächlich weitere Grababdeckungen in ungenehmigter Weise errichtet worden sind. „Hier werden ebenfalls Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden“, teilt Fritschi mit.

Gemeinderat stimmt neuer Satzung zu

Pikant: Der Gemeinderat hat laut Fritschi in einer Sitzung am 15. Mai eine neue Satzung beschlossen. Sie soll ab Mitte Juni nach ihrer Veröffentlichung in Kraft treten. Die bisherige Regelung, also eine Vollabdeckung bei Urnengräbern und zwei Drittel Abdeckung bei Sargbestattungen, fällt dann weg, um Angehörigen pflegefreie beziehungsweise pflegearme Gräber zu ermöglichen.

Für Steinmetz Niklas Neitsch kommt diese Änderung allerdings zu spät. Er muss am Mittwoch, 31. Mai, vor Gericht, um über die Ordnungswidrigkeit zu verhandeln.

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