Weit über 30 Jahre hat Dirk Hartig die Geschicke des von ihm gegründeten Bundesverbands Pro Humanitate geleitet. Jetzt will der inzwischen 86-Jährige die Verantwortung in jüngere Hände legen. Doch welche das sein sollen, sorgte für intensive Diskussionen. Ebenso die Frage, wie sich der Verband mit Sitz in Engen und 540 Mitgliedern in ganz Deutschland künftig ausrichten soll: Soll ein Vorsitzender auch Geschäftsführer sein und damit alle Geschicke leiten? Und was passiert mit dem hohen Vermögen des Verbands?

Dass Daniel Holzer zum neuen Vereinsvorsitzenden gewählt wird, war drei Stunden vorher noch nicht absehbar. Denn da traten Konflikte im Verein zu Tage: Hartig offenbarte der Versammlung, dass der Gesprächsfaden zum alten Vorstand wegen unüberbrückbarer Differenzen in Bezug auf seine Nachfolge gerissen sei. Es habe unterschiedliche Vorstellungen über die Art und Weise der zukünftigen Führung des Bundesverbands gegeben.

Dies unterstrichen auch die bisherigen Vorstandsmitglieder. Kassierer Friedbert Bayer und Schriftführer Mike Baumann, die noch während der Vollversammlung von ihren Ämtern zurücktraten und gleichzeitig ihren Austritt aus dem Bundesverband Pro Humanitate erklärten, kritisierten die fehlende demokratische Basis im Bundesverband.

Zu hohe Kosten, zu wenig Struktur?

Außer Daniel Holzer stellte sich auch Christian Degen, seit 2023 stellvertretender Vorsitzender, der Vollversammlung als Kandidat für den Vorsitz vor. Zu seiner Zukunftsvision gehörte, die hohen Barmittel auf 300.000 Euro zu verringern. Der Verein lebe über seine finanziellen Verhältnisse und die Kosten, insbesondere für den Verwaltungsaufwand, müssten reduziert werden.

Der Vorstand müsse zudem demokratischer und strukturierter geführt werden. Mittelfristig befürworte er die Trennung von Geschäftsführung und Vorstandsvorsitz, da zum Beispiel bei dessen Ausfall der Verband handlungsunfähig werden könnte.

Der Vorsitzende der Engener Hilfsorganisation Pro Humanitate, Dirk Hartig (links), beim Ausladen von Hilfsgütern mit Helfer Daniel Holzer.
Der Vorsitzende der Engener Hilfsorganisation Pro Humanitate, Dirk Hartig (links), beim Ausladen von Hilfsgütern mit Helfer Daniel Holzer. | Bild: Holle Rauser

Dieser Argumentation widersprach Hartig vehement, denn nur in der Personalunion des Geschäftsführers und des Vorstandsvorsitzenden könnten die immer wieder notwendigen schnellen Entscheidungen vor Ort gefällt werden, welche die Arbeit von Pro Humanitate seit 34 Jahren kennzeichne. Degen sah sich dem Vorwurf der mangelnden Aktivität und Initiative auch aus Kreisen der Mitglieder ausgesetzt, dem die aus deren Sicht mangelnde Präsenz bei Hilfslieferungen angekreidet wurde.

Wahlergebnis ist nach Kritik eindeutig

Auch der Vorwurf, dass die neue, zeitlich längst überfällige Ausgabe der Verbandsnachrichten noch nicht erschienen ist, musste er auf seine Kappe nehmen, da er im Vorfeld zugesagt hatte, sich um deren Erscheinen zu kümmern. Holzer hat sich letztlich deutlich gegen Degen durchgesetzt mit 49 zu vier Stimmen bei zwei Enthaltungen. Ende Juni will Hartig auch die Position des Geschäftsführers an den neuen Vorsitzenden übergeben.

In den Sozialzentren in Moldawien finden Alleinstehende, Kranke und Alte Hilfe.
In den Sozialzentren in Moldawien finden Alleinstehende, Kranke und Alte Hilfe. | Bild: Pro Humanitate

Auch für die Besetzung des stellvertretenden Vorsitzenden standen zwei Bewerber zur Wahl, bei der sich Pro-Humanitate Gründungsmitglied Axel Grehn ebenso klar gegen Esther Kokabi durchsetzte, die bislang noch nicht für den Bundesverband aktiv gewesen war. Ohne Gegenkandidaten wurden Susanne Breyer als neue Schriftführerin und Yvonne Piel zur neuen Kassenführerin gewählt.

Nach der Wahl mit klarem Votum für die von ihm präferierten Kandidatinnen und Kandidaten sei ihm ein großer Stein vom Herzen gefallen, wie Dirk Hartig zugab. Das Wichtigste sei für ihn gewesen, seinen Nachfolgern und damit dem neuen Vorstandsquartett ein sauberes Haus zu hinterlassen.

Die Not ist groß in der Republik Moldau. groß sind auch die Sorgen, durch die abtrünnige Teilrepublik Transnistrien in den ...
Die Not ist groß in der Republik Moldau. groß sind auch die Sorgen, durch die abtrünnige Teilrepublik Transnistrien in den Ukraine-Konflikt gezogen zu werden. | Bild: Pro Humanitate

Daniel Holzer bezeichnete sich in seiner Bewerbung als Mann der Tat und weniger der Worte. Der Unternehmer hob seinen früheren starken beruflichen Bezug zum Klinikbereich hervor, da er selbst Dialysetransporte erledigt habe. Deshalb konnte er eine hohe Fachkenntnis in Bezug auf die Hilfstransporte mit medizinischem Material vorweisen. Der Fuhrunternehmer ist seit 15 Jahren als Mitglied und Helfer für den Bundesverband aktiv. Er helfe gerne mit seinen Lastwagen aus und verbinde Leerfahrten mit Abholungen von Sachspenden.

Für ihn sei Verlässlichkeit ein hohes Gut. Wichtig sei, dass funktionierendes Material beim bedürftigen Empfänger zeitnah ankomme. Er habe bei den zahlreichen Hilfstransporten viel Gutes erlebt und viel Freude an der Hilfstätigkeit. Er wolle die fundierte Arbeit von Dirk Hartig weiterführen.

Die weiteren neuen Vorstandsmitglieder

Der neue stellvertretende Vorsitzende Axel Grehn zählt zu den Gründungsmitgliedern des Hilfsvereins im Jahr 1992. Er ist gelernter Zimmerer und sammelte Erfahrung als Projektmanager beispielsweise als Bauherrnvertretung beim Bau von Krankenhäusern, Kindergärten und Schulen. Mehrere Jahre war er in Mittelamerika tätig. Für ihn seien Transparenz, das Vertrauen der Mitglieder und die Verantwortung gegenüber den Spendern wichtig.

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Susanne Breyer ist die neue Schriftführerin. Die gelernte Journalistin, Autorin und Regisseurin ist seit zwei Jahren aktives Mitglied beim Bundesverband. Sie wolle zukünftig, über ihre Arbeit als Schriftführerin hinaus, auch an den Verbandsnachrichten, also dem offiziellen Mitteilungsblatt des Bundesverbandes Pro Humanitate, mitarbeiten.

Die vierte Neubesetzung ist Yvonne Piel als Kassiererin. Sie ist seit 2012 Mitglied im Bundesverband mit beruflicher Erfahrung im Rechnungswesen. Sie verspricht eine transparente Kassenführung.