Wer träumt nicht davon, sein größtes Hobby zum Beruf zu machen? Der 32-jährige Sebastian Kördel aus Aach hat diesen Traum in die Realität umgesetzt. Er verdient sein Geld nämlich beim sogenannten Windfoil-Surfen – einer Unterart des Windsurfens, bei der das Surfbrett durch Tragflügel bei höherer Geschwindigkeit aus dem Wasser gehoben wird. Diese Sportart wird nächstes Jahr sogar olympisch.
Kördels größter Erfolg bisher ist nach eigenen Angaben die gewonnene Weltmeisterschaft in Brest 2022. Er sei in Topform gewesen und habe sich gegen die Konkurrenz durchgesetzt. „Dieser Titel ist für mich sehr wichtig gewesen. Es ist eine richtige Last, die da abfällt“, gesteht der 32-Jährige. Man habe im Leistungssport von Beginn an den Druck, der Beste zu sein. Die Erwartungen seien hoch und man müsse beweisen, dass man es wirklich draufhat. „Man kommt in eine andere Liga, wenn man gezeigt hat, dass man Weltmeister sein kann“, so Kördel.
Die Tagesform macht den Unterschied
Jetzt ginge es nur noch darum, das volle Potenzial auszuschöpfen – und dabei spiele auch mentale Stärke eine Rolle. Kördel zufolge würden Unterschiede zwischen den Top-Sportlern nur durch die Tagesform gemacht. Doch das habe auch Tücken: Die endgültige Position bei einer Regatta würde erst im letzten Rennen entschieden. In den Tagen davor ginge es mehr darum, sich für das finale Rennen zu qualifizieren, indem man unter den zehn besten landet.
Er selber findet diese Regel psychologisch gesehen nicht gut: „In einem Rennen kann alles passieren. Es liegt einfach außerhalb der Kontrolle, wenn sich eine Plastiktüte im Board verfängt oder etwas an der Ausrüstung kaputtgeht.“
Das Jahr der zweiten Plätze
An diesen äußeren Einflüssen läge auch sein Pech, dieses Jahr in jedem Rennen „nur“ die Silbermedaille gewonnen zu haben. „Es ist das Jahr der zweiten Plätze“, sagt er lachend. Es seien vier Haupt-Events gewesen: der Worldcup in Palma de Mallorca, die Europameisterschaft in Griechenland, das olympische Test-Event in Marseille und die Weltmeisterschaft in Den Haag. Aber er ist zufrieden mit dem Jahr: „Ich bin der konstanteste Fahrer gewesen. Denn es hat jedes Mal ein anderer Gegner den ersten Platz belegt.“
Um das Level auch jetzt im Winter höchstmöglich zu halten, befand er sich erst auf einem Trainingslager in Südspanien. In Cadiz trainierte er mit einer internationalen Gruppe von Windfoil-Surfern, es seien beispielsweise ein Litauer und ein Franzose mit von der Partie. Sowohl Team- als auch Einzeltrainings standen auf dem Plan. Kördel hatte hierfür Verstärkung mitgenommen: Neben seinem persönlichen Trainer war auch eine Sportpsychologin mit dabei. Aber auch von Sponsoren und seinem Hamburger Segelclub erhalte er Unterstützung.
So läuft die Qualifikation für Olympia ab
Jüngst ging es weiter nach Lanzarote, um dort bis Anfang Februar intensiv zu trainieren. Auch Weihnachten werde er dieses Jahr dort verbringen, wie er mitteilt. „Eigentlich bin ich ein Familienmensch, deswegen ist das sehr schade. Aber wir versuchen während der Vorbereitung so wenig wie möglich zu reisen.“ Denn im Sommer 2024 finden die Olympischen Spiele in Marseille statt. Kördel habe die Chance, für Deutschland anzutreten. Dafür müsse er bei den nächsten drei großen Regatten Punkte sammeln und sich gegen die deutsche Konkurrenz durchsetzen. „Ich bin aber zuversichtlich“, sagt er selbstsicher.
Die erste Regatta findet direkt im Anschluss an das Trainingslager statt: die Weltmeisterschaft auf Lanzarote ist Ende Januar. Darauf folgt der Sailing Worldcup in Cadiz Anfang März. Einen Monat später, Anfang April, startet Kördel dann bei der Princesa Sofia Regatta, das dritte entscheidende Event. „Danach weiß ich dann, ob ich wirklich zu Olympia fahre“, erklärt der Surfer.
Nach dem Training noch an den Computer
Wenn Sebastian Kördel nicht gerade über das Wasser gleitet, fährt er gerne Rennrad oder geht in die Natur, um runterzukommen. Spaß habe er auch am Wellenreiten auf einem Surfbrett mit seinen Kumpels. „Eigentlich würde ich auch super gerne Ski fahren, aber das ist wegen dem hohen Verletzungsrisiko leider vertraglich untersagt“, bedauert er. Aber der Tag sei so oder so viel zu kurz.
Langweilig werde ihm nicht. Neben den Trainings auf dem Wasser müsse er sich anderweitig körperlich fit halten. Aber auch am Organisatorischen kommt er nicht vorbei: Der Weltmeister habe keinen Manager und übernehme die Planung und Koordination deshalb vollständig selber.
Was kommt nach der Sportkarriere?
Ganz entfernt von seinen Interessen liegt dieses Gebiet sowieso nicht: Kördel hat einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften. Mit Themen vom Studium beschäftige er sich auch heutzutage noch – wenn auch nebenbei. „Ich bleibe da schon up to date und unterhalte mich auch mit Sponsoren gelegentlich über deren Geschäft“, sagt er. Gerade dadurch, dass er durch seinen Sport so viele verschiedene Menschen kennenlerne, hätte er auch nach der aktuellen Karriere gute Möglichkeiten und Perspektiven. Er meint: „Mir stehen da schon ganz gute Türen offen, aber bis jetzt habe ich keine konkreten Pläne.“ Der Fokus läge jetzt sowieso erst einmal auf dem kommenden Jahr.
Nach einer anschließenden kleinen Auszeit würde er dann überlegen, ob er sich auch für Olympia 2028 in Los Angeles qualifizieren möchte. Mit dann 37 Jahren wäre dies rein körperlich noch möglich. Aber momentan möchte er noch gar nicht daran denken: „Mein Kopf ist jetzt erstmal zu 100 Prozent bei den Events 2024!“
Er ist nur noch selten in der Heimat
Deshalb sei er, jetzt wo es auf Olympia zugeht, auch sehr selten in der Heimat am Bodensee. Denn während die meiste Konkurrenz geeignete Orte zum Trainieren hätte, sei eine Vorbereitung auf dem Bodensee nur sehr eingeschränkt möglich. Deswegen sei in nächster Zeit eigentlich gar kein Aufenthalt in der Region geplant. Doch Kördel ist sich sicher: „Irgendwie schafft man es immer nach Hause.“