Bei der Kommunalwahl am 9. Juni in Gaienhofen wird man sie auf dem Stimmzettel vergeblich suchen: die Liste der Christlich Demokratischen Union (CDU). Das ist insofern verwunderlich, da der CDU-Ortsverband Gaienhofen lange Zeit erfolgreich im Gemeinderat vertreten war. Doch das ist lange her.
Dass die CDU keine Liste für die Kommunalwahl 2024 stellt, sei „dem geschuldet, dass wir keinen aktiven Ortsverband mehr haben“, sagt CDU-Gemeinderätin Mechtild Biechele gegenüber dem SÜDKURIER. Der ehemalige Vorsitzende des CDU-Ortsverbands habe sein Amt vor zwei Jahren überraschend niedergelegt. Seit jenem Zeitpunkt liege der Ortsverband in Gaienhofen brach, es gebe keinerlei Aktivitäten mehr.
Und ohne einen aktiven Ortsverband sei es auch nicht mehr möglich, eine eigene CDU-Liste zu generieren, erklärt Biechele. Drei ehemalige CDU-Kandidaten wechseln daher zu den Freien Wählern, ein anderer hört nach 25 Jahren ganz auf.
Fraktion schrumpfte über Jahre dahin
Dass die CDU in Gaienhofen schwächelt, zeichnete sich bereits bei den vorangegangenen Wahlen ab. Sie verlor Jahr um Jahr einen Sitz im Gemeinderat und schrumpfte zur kleinsten Fraktion. Nur noch zwei von zwölf möglichen Kandidaten des CDU-Ortsverbands wurden 2019 in den aktuellen Rat gewählt – dafür aber jeweils mit einem hohen Stimmenanteil: Mechtild Biechele und Gerhard Weiermann.
Da Gerhard Weiermann seine Karriere im Rat nach 25 Jahren beenden wird, gehe für die CDU nun ein weiteres gutes Zugpferd verloren, sagt Biechele. Das sei ein großer Verlust. Letztlich sei dem CDU-Ortsverband damit auch klar geworden, dass er keine eigene Liste mehr erstellen kann.
Darum wechseln sie zu den Freien Wählern
Doch für die drei anderen ehemalige CDU-Kandidaten, für Mechtild Biechele, Alexander Hotz und Andreas Werft, gibt es neue Wege, sich aktiv für die Gemeindepolitik zu engagieren: Sie kandidieren auf der Liste der Freien Wähler. Bereits in dieser Ratsperiode habe es eine gute Zusammenarbeit gegeben, so die Erfahrung von Mechtild Biechele. Daher liege es nahe, gemeinsam eine schlagkräftige Liste aufzustellen.
Dass es eine Nähe zu den Freien Wählern gibt, wurde bereits kurz nach dem Abschied von Klaus Sturm (Freie Wähler) aus dem Gemeinderat vor wenigen Wochen deutlich. Dieser hatte für die Freien Wähler auch das Amt des stellvertretenden Bürgermeisters inne. Als das Amt durch seinen Umzug nach Wangen vakant wurde, nominierten die Freien Wähler als stärkste Fraktion die CDU-Gemeinderätin Mechtild Biechele für den freigewordenen Posten. „Wir hatten das in der Fraktion besprochen“, sagt Sprecherin Ulrike Griß von den Freien Wählern dazu.
Sie fügt hinzu: „Und wir haben eine wahnsinnige Freude, dass Frau Biechele auf unsere Liste für die kommende Wahl kommt.“ Die Fraktion habe voll und ganz hinter der Entscheidung gestanden. Zumal Biechele eine sehr lange Erfahrung in der Kommunalpolitik habe. Der Rat bestätigte Ende April bei einer geheimen Wahl Mechtild Biechele zur stellvertretenden Bürgermeisterin. In der jüngsten Sitzung vertrat sie bereits den erkrankten Bürgermeister Jürgen Maas.
Auch Ex-Bürgermeister-Kandidat wechselt
Auch Andreas Werft sieht bei den Freien Wählern seine Chance für den Einzug in den Gemeinderat. Das sei eine Gruppe, in der er gut hinein passe. Viele unterschiedliche Charaktere würden dort ein großes Ganzes ergeben. Es gebe kein Dominanzverhalten, sondern man könne dort mit jedem reden. Dies sei für ihn entscheidend gewesen, für die Freien Wähler anzutreten.
Bereits 2009 trat Andreas Werft auf der CDU-Liste für die Wahl in den Gemeinderat an. Den Bürgern dürfte er noch als Kandidat für das Amt des Bürgermeisters im Jahr 2022 in Erinnerung sein. Sein respektvoller Umgang beim Wahlkampf habe Mechtild Biechele imponiert.
Bei jedem einzelnen Kandidaten der Freien Wähler habe sie zudem das Gefühl, dass Demokratie gelebt werde. Dazu gehöre, dass man auch Entscheidungen mittrage, die nicht im Sinne der eigenen Liste waren. Akzeptanz sei der Kern demokratischen Verfahrens, sagte Biechele. Dieses Konzept sei in Gaienhofen bei den Freien Wählern zu finden, begründete Mechtild Biechele ihren Entschluss, auf deren Liste zu kandidieren.
Er macht nach 25 Jahren Schluss
Nicht die Liste wechseln, sondern ganz aufhören, wird hingegen Gerhard Weiermann. Er kandidierte für den CDU-Ostverband fünf Mal erfolgreich um einen Sitz im Gemeinderat. 25 Jahre lang diskutierte und entschied er mit über die Belange der Ortschaften. „Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist“, sagt Weiermann. Das meint er durchaus wörtlich.
Seit vielen Jahren gebe es ein sehr gutes Klima im Rat und nun auch zu der Verwaltung. In den vergangenen 25 Jahren habe es Zeiten gegeben, in denen er sich gefragt habe, weshalb er sich das überhaupt noch antun sollte, sagt er. Animositäten von Gemeinderatsmitgliedern gegenüber dem ehemaligen Verwaltungschef hätten die Gemeindepolitik schwierig gestaltet. Das habe sich aber verändert. Nach 25 Jahren wolle er nun den Weg für jüngere Ratsmitglieder frei machen.
Zum Schwächeln der CDU, das den Wechsel seiner ehemaligen Kollegen zu den Freien Wählern notwendig macht, hat er zudem eine These: Es sei schwierig für eine politische Partei wie die CDU, Mitglieder zu akquirieren. Es sei nicht mehr so in, sich heutzutage für eine politische Partei zu äußern oder als Mitglied zu outen. Vielen würden daher freie Listen bevorzugen.